WIEN/STRASSBURG. (hpd) Das EU-Parlament hat am Dienstag den überarbeiteten Estrela-Bericht des Ausschusses für Frauenpolitik abgelehnt. Er hatte unter anderem für mehr Rechte für ungewollt Schwangere plädiert. Der Ausgang dürfte maßgeblich durch massive Lobbying-Aktionen religiöser Gruppierungen beeinflusst worden sein.
Es waren sieben Stimmen, die dem Estrela-Bericht des Frauenausschusses des EU-Parlaments ein sang- und klangloses Begräbnis zuteil werden ließen. 334 Abgeordnete lehnten den Bericht ab, der unter anderem mehr Rechte für ungewollt Schwangere und eine zeitgemäße Sexualaufklärung in den Schulen eingefordert hatte. 327 Abgeordnete stimmten dafür, berichtet diestandard.at.
80.000 Mails
Der Abstimmung war massives Lobbying von religiösen Gruppierungen aus der gesamten EU vorausgegangen. Radikale Abtreibungsgegner und Angehörige katholischer Familienverbände sollen nach Berichten von Insidern in den vergangen zwei Wochen die EU-Parlamentarier mit mindestens 80.000 Mails und Briefen unter Druck gesetzt haben. Pierre Galand, Präsident der Europäischen Humanistischen Föderation spricht immerhin von "tausenden" elektronischer Schreiben.
Das Vorgehen erinnert an die erste Abstimmung im EU-Parlament über den Bericht. Tatsächlich dürften zu einem erheblichen Teil die gleichen Organisationen für die Mailkampagne verantwortlich sein.
Endgültiges Aus für Bericht
Diesmal hatten sich auch die katholischen Bischofskonferenzen in Österreich und Deutschland gegen den Bericht ausgesprochen. Er forderte die EU-Staaten unter anderem auf, allen Frauen einen legalen und sicheren Zugang zu Schwangerschaftsabtreibung zu ermöglichen. Aus Sicht der katholischen Oberhirten ist diese Maßnahme, die Frauen schützen soll, eine Verharmlosung der Abtreibung.
Die neuerliche Ablehnung ist das endgültige Aus für den Bericht. Auf Druck der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) votierte das Parlament stattdessen für einen Beschluss, demzufolge sexuelle und reproduktive Gesundheit und Sexualerziehung Angelegenheit der Mitgliedstaaten sind.
"Tag der Trauer"
Frauenrechtsorganisationen und progressive Abgeordnete im EU-Parlament sehen das Abstimmungsergebnis als Rückschlag für die Frauenpolitik. Edite Estrela, portugiesische Abgeordnete von der SPE und Hauptautorin des Berichts, sagt gegenüber Medien, "Obskurantismus und Heuchelei haben die Oberhand gewonnen." Die französische Fraktionskollegin Sylvie Guillaume spricht von einem "Tag der Trauer".
Christoph Baumgarten