Die Schattenseiten des "Antifaschismus"

(hpd) Die Politikwissenschaftlerin Bettina Blank macht in ihrer Studie deutlich, dass Engagement gegen Extremisten von rechts mitunter auch von Extremisten von links ausgehen kann. Anhand einer Fülle von Details verdeutlicht die Autorin dabei die Instrumentalisierung eines ansonsten lobenswerten politischen Engagements durch Kreise, welche ein gegen alle Formen von Diktatur, Extremismus und Gewalt gerichtetes Politikverständnis ablehnen und bekämpfen.

Aktivitäten im Namen des Antifaschismus müssen nicht per se politisch demokratisch oder moralisch gut sein: Die KPD bekämpfte am Ende der Weimarer Republik die SPD als "sozial­faschistisch"; die DDR nannte ihre Mauer den "anti­faschistischen Schutz­wall"; und Autonome werfen heute unter der Fahne der "Antifaschistischen Aktion" Steine auf Polizei­beamte. Man muss demnach beim Anti­faschismus genauer hinschauen, was die Politik­wissenschaft­lerin Bettina Blank in ihrer Studie "'Deutschland, einig Antifa'? 'Antifaschismus' als Agitationsfeld von Links­extremisten" tun will.

Sie differenziert darin gleich zu Beginn: Für die einen bedeutet der Anti­faschismus "eine moralisch konnotierte, individuelle Handlungs­ver­pflich­tung aus historisch begründetem Ver­ant­wortungs­bewusst­sein, anderen dient er als Etikett für ein politisches Engagement, das letzt­endlich auf die Über­windung der bestehenden Staats- und Gesellschafts­ordnung ausge­richtet ist" (S. 9). Nur mit Letzterem – so erklären sich auch die Anführungs­zeichen - will Blank sich beschäftigen.

Zunächst beschreibt sie die ideen- und real­geschicht­liche Heraus­bildung des kommunistischen "Anti­faschismus"-­Verständ­nisses, wobei es um die Dimitroff-Formel im Kontext der "Kommunistischen Internationale", die Aussagen des Potsdamer Abkommens, den "Schwur von Buchenwald" und die Rede vom "anti­faschis­tischen Auftrag des Grund­gesetzes" geht. Letzteren hält die Autorin für eine Legende, sei dessen Basis doch gegen alle Formen der Diktatur und nicht nur gegen die faschis­tische Variante gerichtet. Danach behandelt Blank die Entwicklung des "Anti­faschismus" seit Beginn der 1990er Jahre, wobei die unter­schied­lichen Stationen seit der Wende über die Reaktionen auf den 11. September 2001 und den Irak­krieg, den Erfolg der NPD in Sachsen 2004 und Kampagnen zur "sozialen Frage" thematisiert werden. Erst danach geht es gesondert um die politischen Träger des "Antifaschismus": die "Deutsche Kommunistische Partei", die "Vereinigung der Verfolgten des Nazi­regimes", die Partei "Die Linke" und die "Autonomen".

Deren besondere Methoden und Mittel bilden dann noch einen gesonderten thema­tischen Aspekt der Erörterung, wobei es um Bündnis­politik und Demon­strationen, Geschichts­politik und "Nazi-Outing" geht. Blank macht dabei deutlich, dass das Engagement gegen Rechts­extremismus auch mitunter zur Akzeptanz oder Förderung des Links­extremismus dienen kann. Über diese Form des "Antifaschismus" bemerkt die Autorin dann bilanzierend: Er sei "insoweit als 'revolutionär' zu bezeichnen, als er – wenn auch nicht gewaltsam – an den geistigen Grund­lagen des Staates und der Gesellschaft ansetzt, an gemeinsamen Werten und Normen, am Rechts­verständnis, am Geschichts­bild und an der Erinnerungs­kultur als historisch gewachsener politischer Sinn­stiftung und gemein­schaft­licher Identitäts­bildung" (S. 392). Es ginge den gemeinten politischen Kräften darum, länger­fristig gesehen den bisherigen Anti­extremismus und Anti­totalita­rismus durch - einen links­extremis­tische Gefahren für eine Demokratie aus­schließenden - "Antifaschismus" zu ersetzen.

Was mitunter ein wenig dramatisierend wirken mag, kann die Autorin aber durch eine Fülle von Beispielen und Belegen argumentativ stützen. In der Tat tummeln sich beim Engagement gegen Rechts­extremismus mitunter sehr problematische politische Akteure, die mit einer Akzeptanz von Demokratie und Gewalt­freiheit wenig zu tun haben. Blank kommt das Verdienst zu, in ihrer detaillierten und umfassende Dar­stellung darauf aufmerksam gemacht zu haben. Mitunter "erschlägt" sie die Leser dabei aber durch eine Fülle von Einzel­fakten und Zitaten, wodurch sich auch die über 1100 Fußnoten auf über 400 Seiten erklären. Vielleicht wäre hier eine Kürzung bei gleich­zeitiger Erhöhung der Analyse wünschens­wert gewesen. Indessen mindert diese Anmerkung nicht die Pionier­leistung der Autorin, gab es bislang doch noch keine gesonderte Mono­graphie zum Thema. Wichtig ist auch ihre kritische Distanz gegenüber polemischer "Kampf­schriften" von politisch weit rechts stehenden Autoren (vgl. S. 14f.), die mit berechtigter Kritik für ihre dubiosen Ziele werben.

 


Bettina Blank, "Deutschland, einig Antifa"? "Antifaschismus" als Agitationsfeld von Linksextremisten, Baden-Baden 2014 (Nomos-Verlag), 412 S., 64 Euro.