Österreich

Zwischen Überforderung und Eskalation

Es dauert wenig mehr als eine halbe Stunde, bis der Zug am Stephansplatz angekommen ist. Der Maronibrater freut sich über den Demonstrationszug und schießt ein Erinnerungsfoto.

"Super, der Platz ist voll", schildert ein Punk. Auch er offensichtlich mit Demo-Erfahrung. "Das sind mehr Menschen, als ich erhofft habe. Ich freu mich über jeden, der heute da ist. Es ist wichtig, dass wir ganz viele sind, die gegen die Antisemiten und die Rassisten aufstehen, die heute in der Hofburg tanzen." Rote Fahnen und Menschenmassen dominieren das Bild des Platzes vor dem Stephansdom. Ein eher ungewohnter Anblick.

Die Schlusskundgebung fällt eher kurz aus. Nahezu wortlos zerstreuen sich die mittlerweile 8.000 Demonstranten. Die meisten ziehen über den Graben ab, hinein in die engen Gassen. Über die Kärntner Straße Richtung Oper versuchen es nur Kleingruppen. Ab der Oper ist Sperrgebiet, weiß man. Eine Polizeisperre steht neben der anderen.

Niemand, der nicht im Sperrgebiet wohnt oder nachweisen kann, dass er etwa in die Oper oder auf eine Geburtstagsfeier geht, darf hinein. Das ist zumindest der Plan. Auf den besser bemannten Sperren wird er auch eingehalten. Eine Radfahrerin verzweifelt beinahe, als sie hört, dass sie hier nicht durch darf. Nach einigen Verhandlungen darf sie doch hinein. Sie ist sichtlich keine Demonstrantin.

Ich marschiere durch eine Polizeisperre. Niemand fragt mich, wer ich bin, was ich hier will oder kommt gar auf die Idee, mich nach einem Ausweis zu fragen. Ich bin drin in der Zone, die Journalisten heute Abend laut Verordnung nur unter Polizeibegleitung betreten dürfen. Und auch das nur innerhalb eines engen Zeitrahmens. Eine De-Facto-Zensur, wie die für Journalisten zuständige Gewerkschaft GPA-djp kritisiert.

Ich flaniere über den Ring Richtung Albertina. Die hat interessanterweise offen. Ebenso die Cafes in der Umgebung. Auch die Staatsoper. Die Polizei scheint die Sperrzone selbst nicht richtig ernstzunehmen. Und hat wahrscheinlich nicht genügend Polizistinnen und Polizisten, um die vielen Kontrollpunkte adäquat zu besetzen. Das Sperrgebiet ist so groß wie nie, was offenkundig mehr Absperrungen erfordert, als man bewältigen kann. Das Denkmal gegen Krieg und Faschismus steht heute Abend verwaist da.