Drei Fragen an... Lee Traynor

In Trier findet vom 15. bis 17. Juni der Kongress ¡Die erschöpfte Theorie? –

Evolution und Kreationismus in Wissenschaften statt. Im Vorfeld stellt der hpd die Referenten und ihre zentralen Thesen in Kurzinterviews vor.

Lee Traynor, MA (Oxon), arbeitet als Lektor für Englisch der Naturwissenschaften am Fachsprachenzentrum der Leibniz Universität Hannover. Sein Vortrag „Lebensweltliche Vorstellungen und Kreationismus“ gehört zum Themenblock „Evolution versus Kreationismus – ein Weltbild in der Schule“ (Samstag, 16.6.2007, 10-12 Uhr).

hpd: Was müssen wir uns unter „lebensweltlichen Vorstellungen“ in Bezug auf den Kreationismus vorstellen?

Lee Traynor: Kinder und Jugendliche kommen nicht als unbeschriebene Blätter in den Unterricht. Sie haben schon aus ihrer Lebenswelt Vorstellungen gebildet. Leider bilden sich keine neuen Arten in der Lebenswelt der Schüler, daher finden sie den Prozess der Artbildung unbegreiflich. Der Kern des Problems liegt im Essentialismus: schon junge Kinder nehmen an, dass Lebewesen eine unveränderbare Essenz besitzen. Daher können sich keine neuen Arten bilden. Kreationisten denken ähnlich, sie verbergen jedoch ihren Essentialismus hinter der quasireligiösen Vorstellung des Kreationismus. Ähnlich ist es mit „Intelligent Design“: man ersetze nur den pseudowissenschaftlichen Begriff der „nicht-reduzierbaren Komplexität“ durch „Essenz“, dann wird alles klar.

hpd: Wie lassen sich solche Vorstellungen im Unterricht korrigieren?

Lee Traynor: Es ist schwer vorstellbar, den Essentialismus mit einfachen pädagogischen Mitteln beseitigen zu wollen. Mit ihm müssen wir wohl leben. Eine Lösung besteht vielleicht darin, den Essentialismus in den Dienst der wissenschaftlichen Pädagogik zu stellen. Wie das genau passieren könnte, habe ich noch keine Ahnung, hoffe aber von der Konferenz Anregungen zu bekommen.

hpd: Erfüllen nach Ihrer Einschätzung die derzeitigen Schulbücher diese Aufgabe?

Lee Traynor: Nein. In Bezug auf Artbildung müssen Schüler hauptsächlich zwei Wörter lernen: „allopatrisch“ und „sympatrisch“. Der Fluch des Wissens ist wohl hier am Werke. Für einen Biologen haben diese Fachtermini ihren Sinn, um Wissen zu organisieren, zu analysieren. Für Lernenden kommen sie wie zwei Fremdwörter vor, die sie gleich nach dem Abi vergessen können. Sie tragen nichts dazu bei, den Prozess der Artentstehung verständlich zu machen. Wenn Schüler die Tatsache der Artbildung nicht akzeptieren bzw. nicht akzeptieren wollen, dann ist es ihnen egal, ob sie allopatrisch, sympatrisch oder sonst wo im finsteren Walde abläuft.

Die Fragen stellte Martin Bauer.

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