Wissenschaftliche Wertekommunikation

DRESDEN. Am Institut für Slavistik der Technischen Universität Dresden werden aktuell

Ringvorlesungen zu verschiedenen Themen im Bereich Wertekommunikation organisiert. Da es ein älteres Semester interessierte, was ein Theologe an einer wissenschaftlichen Bildungseinrichtung in Deutschland zur Wertedebatte beisteuern wird, machte er sich auf den Weg.
Hier sein persönlicher Bericht.

Vorlesung von Prof. em. Hans Martin Barth, Marburg, mit dem Thema: 

„Der Wert des Glaubens - Glaube als Wert".

Ich stehe vor einem Dilemma. Wenn ich alles schreibe, was der Prof. Barth aus Marburg gesagt hat, glauben Sie, ich schwatze nur bedeutungsloses Zeug, weil ich den Referenten womöglich nicht verstanden hätte. Wenn ich Ihnen nur die 4 -5 Kernsätze sage, die der Referent äußerte, werden sie glauben, ich hätte die 60 Minuten der Vorlesung verschlafen. Aber es war tatsächlich vertrackt. Meine Tochter, TU-Studentin, stellte nur fest, dass so viele noch nie eine Ringvorlesung vorzeitig verlassen hätten.

Es war aber auch starker Tobak. Wer sich nicht langfristig mit den Eigenarten der Theologenfraktion auseinandergesetzt hat, für den ist die gebotene Argumentation zwar unsinnig, aber er ist nicht imstande, dahinter ein System zu entdecken. Ein System der Verführung zum Nichtdenken und der Unterwerfung. Aber wer nun meint, es wären die Behauptungen von den christlichen Werten wiedergekäut worden, so irrt sich der. Stattdessen hat mich der Referent mit einer völlig neuen „Lesart" der christlichen Wertedebatte „überrascht". Allerdings hat er im Verlauf der Vorlesung nicht dargelegt, inwieweit seine Auffassung von den Werten des Christentums schon Lehrmeinung der evangelischen Kirche ist. Mein Zweifel ist berechtigt, wenn man die Vorlesung des Herrn Barth mit dem Thesenpapier der EKD zur frühkindlichen Erziehung vergleicht.

Ich werde im Weiteren der Gliederung des Referenten folgen.

Einleitung: Der Referent stellte fest, dass sich für die meisten Menschen die Frage nach dem Wert des Glaubens überhaupt nicht stelle, denn die Gläubigen glauben, ohne nach dessen Wert zu fragen, den Indifferenten ist es egal und die „Neuen Atheisten" halten den Glauben eh für wertlos.

Als seine Rede auf die „Neuen Atheisten" kam, erhielt seine Stimme einen scharfen Ton und er kündigte an, dass er im Verlauf der Vorlesung auf diese Gruppe noch zu sprechen käme. Leider erfüllte er seine Drohung nicht. Im Weiteren gab er verschiedene Definitionen des Glaubens bekannt. Vom marxistischen über den psychologischen bis zum Glaubensbegriff von Karl Barth, einem Schulbeispiel für einen Zirkelschluss, wie ich meine.

Damit war der Prof. an einem Punkt angelangt, wo er mitteilen musste, dass er sich fürderhin nur mit dem Wert des christlichen Glaubens befasse. Somit stellte sich das Thema für das Auditorium nun derart: Der Wert des christlichen Glaubens - der christliche Glaube als Wert.

Ambivalenz des (christlichen) Glaubens. Hier nun berief sich der Referent auf die Janusköpfigkeit der abrahamitischen Religionen und ihre blutrünstige Vergangenheit, nicht ohne die Hoffnung zu äußern, dass das Christentum aus dieser schlimmen Phase nun ein für alle mal heraus sei - toi, toi. Nebenbei bekamen einige Kritiker des Glaubens, darunter d' Holbach, von ihm ganz schlechte Noten. Vielleicht, dass sich's rumspricht.

Transzendenz des (christlichen) Glaubens. Was bisher als Einleitung und geschichtlich wertender Rückblick einigermaßen an einer Universität mit wissenschaftlichem Anspruch noch durchgehen kann, wurde nun vollends vergessen. Der Referent verwandelte sich in einen Prediger seiner eigenen Religion, dass es das stärkste Pferd umgehauen hätte. Die Studenten quittierten das mit auffällig vielen Abgängen innerhalb weniger Minuten. Herrn Professor em. focht das aber nicht an. Nach kurzem Rekurs auf die mittelalterliche Scholastik kam er zur Sache, indem postulierte, dass der Glaube mehr sei, als Wert - er sei die WERTlosigkeit per se. Der Glaube unterliege nicht der Bewertung des Menschen, denn..."der Geist Gottes weht wann er will, wo er will, wie er will". Sein Fazit, der Gläubige müsse Gott mehr folgen, als dem Menschen. Nur so reiche der Glaube an Gott über alle menschlichen Werte hinaus. Und voller Begeisterung stellte er fest, dass aus dem wertenden Subjekt der Glaube den Menschen vor Gott in ein bewertetes Objekt verwandle, was für den gläubigen Menschen eine Bereicherung und Ermutigung sei.

Relevanz des (christlichen) Glaubens. Abschließend ließ es sich der Professor nicht nehmen, auf die Vorzüge seiner „Erkenntnis" der Wertlosigkeit hinzuweisen. So könne jegliche Tyrannei der Werte überwunden werden. Auch vermöge die Einbindung des Einzelnen in den Glauben an Gott die Integration des Widerständigen zu ermöglichen und dessen Leben erst einen Sinn zu geben. Auch für den Rest der Menschheit ergeben sich nach seiner Meinung Vorteile. Durch den „Glauben als WERTlose Wahrheit", sei nun vorgezeigt, wie der (christliche?) Glaube zum Wert für viele Menschen avancieren könne.

Das sollte nun aber auch genug sein......


Eberhard Wetzig