Das Buch Die Kirche im Kopf – Von „Ach Herrje!“ bis „Zum Teufel!“ klärt auf heiter-satirische Weise über das Christentum auf.
Das 286seitige Werk der beiden hpd-Redakteure Carsten Frerk und Michael Schmidt-Salomon versteht sich als „Enzyklopädie für freie Geister und solche, die es werden wollen“. Das Lexikon erklärt, warum im christlichen Kulturkreis angeblich „alles Gute von oben kommt“, warum „Christstollen“ keine Katakomben im alten Rom sind und weshalb „Gott immer bei den stärksten Bataillonen ist“ („Heiliges Kanonenrohr!“). Der humanistische Pressedienst hat Auszüge aus dem Buch (jeweils ein Begriff pro Buchstabe) zu einer kleinen Serie zusammengestellt.
J
Judenhass: Antijudaismus ist – auch wenn dies heute gerne bestritten wird – ein elementarer Bestandteil des christlichen Glaubens. Es fiel den Judenhassern vergangener Tage nicht schwer, ihren Judenhass theologisch zu begründen. Hatten die Juden nicht selbst ihre Schuld bekannt, als sie den „Messias“ ans Kreuz brachten („Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“, Mt 27, 25)? Hatte nicht schon Jesus selbst verkündet, die Juden hätten den „Teufel zum Vater“ (Joh 8, 44)? Wer wollte dem widersprechen, zumal die sprachliche Nähe von → „Judas“ und „Jude“ bestens geeignet war, das vorgefertigte Bild des geldgierigen, niederträchtig-teuflischen Schacherjuden in den Köpfen zu verfestigen. So formulierte beispielsweise Kirchenlehrer Gaudentius: „Alle Juden sind geizig, geldsüchtig und vernachlässigen die Armen – wie ihr Namensgeber Judas Ischariot.“ Pinchas Lapide bemerkte hierzu: „Hätte jener Ischariot Jakob, David oder Jonathan geheißen anstatt Judas – ein Name der nur allzu leicht zur Symbolgestalt aller Juden verallgemeinert werden konnte, wer weiß, wie vielen Juden vielleicht der Martertod von Christenhand erspart geblieben wäre.“ (Lapide, Wer war schuld an Jesu Tod?, S. 15)
Dank der Gleichsetzung Judas = Jude, den vielfältigen Juden-Schmähungen vor allem im Johannesevangelium sowie der frei erfundenen Barabbasgeschichte avancierte der Hass auf das „Gottesmördervolk“ der Juden mehr und mehr zur Kirchendoktrin (siehe Czermak, Christen gegen Juden). Pogrome an Juden wurden über deren vermeintliche Hostienschändungen begründet. So zum Beispiel auch im niederbayerischen Deggendorf, wo man 1337 alle Juden umbrachte und daraufhin zu Ehren Gottes eine Wallfahrtskirche erbaute, ein Ereignis, das bis heute [!] im Rahmen der sog. „Deggendorfer Gnad“ pompös gefeiert wird.
Luther, der Reformator, der so viel an der katholischen Kirche auszusetzen hatte, war mit dem christlichen Antijudaismus voll einverstanden. Dies bezeugt u. a. seine Hetzschrift Von den Juden und ihren Lügen, in der es heißt: „Darum wisse Du, lieber Christ, und zweifel nichts daran, dass Du, nähest nach dem Teufel, keinen bittern, giftigern, heftigern Feind habest, denn einen echten Juden [...]“ Luther verlangte, dass man die Juden vertreiben müsse, und gab seinen Anhängern einen verhängnisvollen, „teuren Rat“: „Erstlich, dass man ihre Synagoge oder Schule mit Feuer anstecke, und was nicht brennen will, mit Erde überhäufe und beschütte, dass kein Mensch einen Stein oder Schlacke davon sehe ewiglich [...] Zum anderen, dass man auch ihre Häuser dergleichen zerbreche und zerstöre ...“
War es angesichts solcher Worte ein Wunder, dass der Judenhass des → Nationalsozialismus bei den deutschen Christen so gut ankam? Wohl kaum! In gewisser Weise waren Hitler & Co. nur willige Vollstrecker einer Jahrhunderte alten Mordlust! Auf diese Weise wurde Hitler nicht nur von vielen deutschen Christen interpretiert, so sah er es wohl auch selbst: „In den Evangelien riefen die Juden dem Pilatus zu, als er sich weigerte, Jesus zu kreuzigen: ‘Sein Blut komme über uns und unsere Kindeskinder!‘ Ich muss vielleicht diesen Fluch vollstrecken.“ (Hitler zitiert nach Heer, Der Glaube des Adolf Hitler, S. 343)
K
Kommunion: Ob sie nun an den ganzen Spuk glauben oder nicht, Eltern geben für das Initiationsfest der „Ersten Heiligen Kommunion“ ihrer Kinder in der Regel weit über 1000 Euro aus. Ungeachtet seiner blutrünstigen Bedeutung (→ Kannibalismus), die nur den wenigsten bewusst sein dürfte, ist das Fest bei den großen wie auch den kleinen Katholiken entsprechend beliebt: Die Eltern sehen ihre Kinder in adretten Kleidern (weißes Kleidchen / schwarzer Samtanzug), die Kleinen freuen sich über die Geschenke, die ihnen gewissermaßen als Kompensation für den langweiligen Kommunionsunterricht und die öden Stunden in der Kirche überreicht werden.
Im Osten Deutschlands hat sich als alternatives Initiationsritual die freigeistige Jugendweihe / Jugendfeier eingebürgert. Manchem Konfessionslosen steht aber auch nach solchen „Weihen“ nicht der Sinn und er besucht mit seinen Kindern am „Weißen Sonntag“ lieber einen profanen Freizeitpark. Die Erfahrung hat gezeigt, dass auch dies eine gute Alternative zur Kommunion ist, denn welches Kind denkt schon wehmütig an Hostien und Kirchenbänke, wenn es mit einer Zuckerwatte in der Hand vor einem Karussell steht? Und wenn die glückliche Familie dann doch noch ein wenig Bedarf an Gruseligem hat, so müssen Vater, Mutter, Kind nicht selber zu Kannibalen werden, ein Besuch der Geisterbahn tut’s auch.
L
Lust: Die Worte, die dem Religionsbegründer in der Bibel hinsichtlich seiner Einstellung zur Lust zugeschrieben werden, sind unterschiedlich. Einerseits erklärt er (in der „Bergpredigt“): „Wer eine Frau ansieht, ihrer zu begehren [weil er Lust hat], der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen. Wenn dich dein rechtes Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus und wirf es weg! Denn es ist besser für dich, dass eines deiner Glieder verloren geht, als dass dein ganzer Leib in die Hölle geworfen wird.“ (Mt 5, 27-30) Dieser unverhohlenen Aufforderung zur Selbstkastration des Mannes steht partiell entgegen, wie er die praktizierte Lust einer Ehefrau bewertet: „Meister, diese Frau ist ergriffen auf frischer Tat im Ehebruch. [...] Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.“ (Joh 8, 4/7) Bezeichnenderweise haben die „Kirchenlehrer“ die miesere Variante als die einzig wahre weiter verkündigt.
Obwohl Martin Luther nach allen Zeugnissen kein ‘Kostverächter’ war, die „Fleischeslust“ verdammte er mit voller Inbrunst: „Fleischlich gesinnt sein ist eine Feindschaft wider Gott [...]“ (Röm 8, 7), denn „die Erbsünde ist das sündliche Verderben, in welchem nach dem Fall Adams und dem Verlust des göttlichen Ebenbildes alle Menschen geboren werden, daher sie zu Glauben, Furcht und Liebe Gottes untüchtig und voller böser Lust sind und in solchem Stande Kinder des Zornes und des Todes.“ (Luther, Kleiner Katechismus, S. 58 ff.) Für einen ehemaligen Mönch, der Luther gewesen war, ist die Auffassung allerdings nicht verwunderlich.
Aber: Der liebe Gott meint es gut mit uns und will nur unser Bestes (leider im wahrsten Sinne des Wortes!): „Das ist der Wille Gottes, euere Heiligung, dass ihr meidet die Hurerei, und ein jeglicher unter euch wisse sein Gefäß (d. h. seinen Leib) [es sind wohl eher die Genitalien gemeint] zu behalten in Heiligung und Ehren, nicht in der Brunst der Lust, wie die Heiden, die von Gott nichts wissen.“ (Luther, Kleiner Katechismus, S. 92, vgl. auch 1 Thess 4, 3-5)
Also, da haben wir es: Heiligkeit oder Hurerei. Christen aller Länder, entscheidet euch: Ein christlicher Körper hat keine heidnische „Brunst der Lust“! Ohne diese „Brunst der Lust“ und ohne „fleischliche Gesinnung“ war die „geschlechtliche Vereinigung“ in der christlichen → Ehe erlaubt; für das Unchristliche war dann das verbotene Bordell vorgesehen, dort gab’s für die Hurenböcke die fleischliche Lust. Damit ist der Dualismus folgerichtig: Die Ehe verhält sich zum Bordell wie die Unlust zur Lust.
Nun fehlt uns nur noch der Teufel, denn der lauert ja bekanntlich hinter allem, was einem braven Christenmenschen Spaß machen könnte. Den zaubert uns Doktor Martin Luther aus seinem Katechismus hervor, denn Gottes Willen kann nicht geschehen, „als da ist des Teufels, der Welt und unsers Fleisches Wille“ (Luther, Kleiner Katechismus, S. 178 ff.). Also heißen unsere Pärchen: Heiligkeit / Hurerei, Ehe / Bordell, Unlust / Lust, Gott / Teufel, Geist / Fleisch, Himmel / Hölle.
Wenn die Konstruktion nicht im Prinzip so durchsichtig wäre, könnte man sagen, sie sei perfekt. Wer als christliches Kind das alles brav gelernt hat, der bekommt als Erwachsener damit richtig Probleme und für den ist es eben nicht ‘durchsichtig’. Da die Lust nicht nur dem Teufel zugeordnet wird, sondern auch nur im „Ehevollzug“ erlaubt ist (so steht es tatsächlich im katholischen Katechismus und erinnert wohl nicht ohne Grund an den ‘Strafvollzug’), ist unter dem Verdikt der → Monogamie und dem Verbot der ‘Untreue’ nach einigen Jahren des Ehevollzugs auch die Lust ‘zum Teufel gegangen’, d. h. abhanden gekommen.
Und so schließt sich der Kreis des „schlechten Gewissens“, des „Messers im Kopf“, dass wir uns selbst verbieten, was uns eigentlich Spaß macht und lustig sein sollte (→ Heidenspaß).
M
Martin, Sankt: einer der bis heute beliebtesten Heiligen, ist sein Festtag (→ Martinstag) doch mit feierlichen Umzügen und Zuckerbrezeln (für die Kinder) und Glühwein (für die Eltern) verbunden. „Sankt Martin war ein guter Mann“, singen die Kinder während des Laternenumzugs und viele von ihnen bewundern aufrichtig den römischen Soldaten, der da auf einem hohen Ross reitend, die abendliche Prozession anführt. Meist haben sie schon im Kindergarten die rührselige Geschichte vom barmherzigen Heiligen gehört, der einem frierenden Bettler angeblich die Hälfte (Frage: Warum eigentlich nur die Hälfte?) seines Mantels gab. Der heilige Martin war der Legende nach ein großer Spezialist in Wunderdingen, der nicht nur Tote erwecken konnte, sondern seine enormen Wunderkräfte beispielsweise auch einer kranken, von einem „bösen Geist besessenen“ Kuh angedeihen ließ. (Die Kuh sank daraufhin übrigens auf die Knie und küsste dem Heiligen die Füße [vgl. Deschner, Kriminalgeschichte, Bd. 3, S. 222].) Nicht so recht ins barmherzige Legendenbild passt, dass der hl. Martin von Tours (316-397) als Bischof 20.000 Sklaven für sich schuften ließ und in aller Brutalität die Evangelisierung der gallischen ‘Heiden’ vorantrieb. So können wir annehmen, dass der heilige Martin sein Schwert weit weniger zur mildtätigen Zerteilung seines Mantels benutzt hat als zur Vernichtung von Kulturen und Menschen, die nicht ins christliche Konzept passten. Kurzum: Ein Heiliger, wie er im Buche steht.