Humanistische Lebenskunde für NRW

DORTMUND. (hpd) Bei der Anpassung des deutschen Bildungswesens

an die realen Weltanschauungsverhältnisse im Land, kommt notwendigen Änderungen in der Stellung des Religionsunterrichts eine besondere Bedeutung zu. Die beiden christlichen Kirchen versuchen besonders hier, ihre privilegierte Stellung zu zementieren.

Dagegen geht nun der Humanistische Verband Nordrhein-Westfalen (KdÖR) mit einer Klage vor, um die Einführung seines Weltanschauungsunterrichtes „Humanistische Lebenskunde“ vor Gericht zu erzwingen, wie es zuvor schon dem Humanistischen Verband in Brandenburg gelungen war. Neu ist, dass es diesmal um Lebenskunde als „ordentliches Lehrfach“ nach Artikel 7.3 Grundgesetz geht.

Die Position des HVD NRW

Nach Ablehnung eines Antrags des Humanistischen Verbandes NRW auf Einführung eines ordentlichen Lehrfaches Humanistische Lebenskunde als Weltanschauungsunterricht hat der Verband nunmehr das Land NRW verklagt. Die Klage wurde heute, am 26. November 2007, beim zuständigen Verwaltungsgericht Düsseldorf eingereicht.
Dazu erklärt der Präsident des HVD NRW, Jürgen Springfeld: „Die Klage wurde notwendig, nachdem es das nordrhein-westfälische Ministerium für Schule und Weiterbildung am 17. Juli 2007 abgelehnt hatte, den Humanistischen Verband NRW, K.d.ö.R. mit den Kirchen an den öffentlichen Schulen gleich zu behandeln. Während an den Schulen ein konfessioneller Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach eingerichtet ist, wird dem Verband die gleichberechtigte Einrichtung des Weltanschauungsunterrichts Humanistische Lebenskunde verweigert.“

In einer ebenfalls heute der Öffentlichkeit übergebenen Presseerklärung, (PDF „Pressemitteilung“) werden die Hintergründe der Klage näher erläutert. Danach stützt sich die Klage des HVD NRW auf die Artikel 3 und 4 des Grundgesetzes (GG). Nach diesen darf niemand wegen seiner Religion oder Weltanschauung bevorzugt oder benachteiligt werden. Der religiös-weltanschaulich neutrale Staat muss Weltanschauungsgemeinschaften mit Religionsgemeinschaften auch an öffentlichen Schulen gleich behandeln (Artikel 140 GG in Verbindung mit Art. 137 der Weimarer Reichsverfassung). Weiterhin verbietet ebenfalls Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) jegliche Diskriminierung wegen Weltanschauung oder Religion.

Die Position des HVD-Bund

Zur Unterstützung des Verbandes in NRW hat HVD Bundesverband ebenfalls heute seine solidarische Position mitgeteilt, (PDF Presseinfo). Darin erläutert der Bundesvorsitzende Dr. Horst Groschopp, dass nach Ansicht seines Verbandes das „Monopol der christlichen Kirchen auf einen bekenntnisgebundenen Unterricht an den öffentlichen Schulen ... nicht mehr zeitgemäß“ sei. „Etwa ein Drittel der deutschen Bevölkerung ist konfessionsfrei. Viele Menschen haben humanistische Lebensauffassungen, selbst viele Kirchenmitglieder. Bisherige Monopolstellungen im Bereich von Religion oder Weltanschauung gehören endlich abgeschafft“.
Der HVD will für „Atheisten, Agnostiker und Humanisten an den öffentlichen Schulen grundsätzlich den gleichen Stellenwert wie ihn das Christentum oder andere Religionen bereits haben.“ Er möchte dies „sowohl in den Pflichtfächern für alle Schülerinnen und Schüler als auch in den Angeboten des bekenntnisgebundenen Unterrichts.“ Der Verband sieht keinen vernünftigen und verfassungsrechtlichen Grund, ihm dies zu verwehren.

Schon vor längerer Zeit hatte der Bundesvorstand zur Einführung dieses Faches und zur Vorbereitung auf mögliche Klagewege auch in anderen Landesverbänden des HVD „Rechtspolitische Positionen des HVD" zum Fach „Humanistische Lebenskunde" beschlossen. Darin werden diverse Urteile, auf die sich der HVD stützt herangezogen und zitiert (PDF im Anhang).

Parallel hat der HVD „Grundsätze für Humanistische Lebenskunde in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland“ verabschiedet, in denen das Fach näher begründet und inhaltlich vorgestellt wird (PDF „Grundsätze“ im Anhang). In diesem Dokument heißt es: „Der Humanistische Verband Deutschlands versteht das Fach Humanistische Lebenskunde als Beitrag zu einer pluralistischen Schule und als uneingeschränkt freiwilliges Angebot vor allem für jene Schülerinnen und Schüler, die religiös nicht gebunden sind. Die Teilnahme am Unterricht ist auch für religiös gebundene Schülerinnen und Schüler möglich, sofern sie selbst bzw. ihre Eltern dies wünschen.“

Verhältnis zu Ethikfächern

Aus der Logik des Antrages in NRW und anderen Bundesländern ergibt sich, dass der HVD zum einen für die Aufhebung des Ersatzfach- bzw. Wahlpflichtfachstatus des Ethikunterrichts und ähnlicher Fächer plädiert und einen gemeinsamen, integrativen Orientierungsunterricht für Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher kultureller, weltanschaulicher und religiöser Herkunft fordert. Dieser Unterricht soll auch Allgemeinbildung und Kritikfähigkeit zu Religionen und Weltanschauungen vermitteln und zum gegenseitigen Verständnis, zum Dialog und zur Gemeinsamkeit beitragen. In diesem Sinne unterstützte und unterstützt der HVD die Einführung solcher Pflichtfächer wie Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde (LER) im Land Brandenburg und Ethik im Land Berlin.

Aber – zum anderen – geht der HVD darüber hinaus und verlangt, dass überall dort, wo für religiös gebundene oder interessierte Schüler konfessioneller Religionsunterricht angeboten wird, von Verfassung wegen auch der weltanschauliche Unterricht im Fach Humanistische Lebenskunde ermöglicht wird, der die Weltsicht und Lebensauffassung des weltlichen Humanismus zur Grundlage hat.

GG