„Zum Glauben verdammt" - Nein

HAMBURG. (hpd) Das „intelligente Wissenschaftsmagazin" ZEIT WISSEN, so die Eigenwerbung, bewarb schon Mitte Dezember mit ganzseitigen Anzeigen

in der Wochenzeitung DIE ZEIT das Heft 1 (Januar 2008) mit der breiten Überschrift: „Wir können nicht anders!". Auf dem Titelbild eine Art Röntgenbild eines Mannes, dessen Gehirn und Herz leuchtend hervorgehoben sind - hinter zum Gebet gefalteten Händen und geschlossenen Augen - im Kopf eine Art Goldschale mit Kruzifix?. Darunter das Titel-Thema: „Horoskope, Gott und Homöopathie. WARUM WIR GLAUBEN MÜSSEN".

 

Im Heft steigert sich dann der unausweichliche Zwang des „Müssens" zum apokalyptischen: "ZUM GLAUBEN VERDAMMT" (In Versalien, ohne Ausrufe- oder Fragezeichen, als Feststellung). Und dann die Einleitung: „Nichts erscheint so nutzlos für das Überleben der Menschheit wie der Glaube. Die meisten Kulturen hängen dennoch einer Religion an, selbst Atheisten sind von der Macht der Astrologie, der Homöopathie oder der Gene überzeugt. Warum kann der Mensch nicht anders als glauben?"

Der Artikel wird dann mit ganzseitigen Bildkompositionen begleitet: „Christlicher Altar" (Maria, Jesus, Kerzen, Bibel, Papst, Reliquien), „Altar der Alternativ-Medizin", „Esoterischer Altar", „Altar der Gen-Gläubigen" (u.a. mit Mikroskop, DNA und dem Buch „Gotteswahn"), ein „Altar der Börsengläubigen" und schließlich ein „Altar der Alien-Gläubigen". Das Ganze wird dann noch mit Zitaten und Fotos von VertreterInnen dieser „Glaubensrichtungen" garniert.

Im Artikel wird ein Überblick über die verschiedensten wissenschaftlichen Ansätze zur Erklärung der Frage dargestellt, warum es religiösen und pseudo-religiösen Glauben gibt. Nach einem eigenartigen Angriff auf Richard Dawkins („flammende atheistische Appelle" und „derselbe hysterische Bekehrungston, wie man ihn von christlichen Erweckungspredigern kennt.") - der wohl eher die Betroffenheit des Autoren selbst als Dawkins meint, wird der evolutionsbiologische Kern der Überlegenheit eines kausalen Denkens richtig dargestellt. „Kausales Denken, also die Suche nach Ursache und Wirkung, ist eine besondere Stärke des menschlichen Gehirns. Es ist derart ausgeprägt, dass die Annahme, etwas geschehe ohne besonderen Grund, zutiefst widerstrebt." So wird alles Rätselhafte unsichtbaren Mächten zugeschrieben und allem ein lebendiges Prinzip unterstellt.

Mentales Energiesparprogramm mit Gruppenzwang

Auch alle anderen genannten Faktoren, Religion sei ein „mentales Energiesparprogramm", das aufgrund der sozialen Natur des Menschen erst in einer Gruppe seine Macht erhalte, sowie die Verbindung religiöser Gebote mit einem gesamten Weltbild und dem drohenden Ausschluss aus einer Gemeinschaft bei Ketzerei – alles sind diskutierbare Facetten.

Durchzogen wird der Artikel jedoch von Formulierungen wie „das Bedürfnis nach einem religiösen Weltbild", „den Menschen zum Glauben prädestinieren", „Glaubensmaschine", „Zauber der Religion" - die dann wieder zur Überschrift und der Einleitung passen.

Insofern ist die Schlussfolgerung zwar bemüht witzig aber ansonsten schlicht unsinnig. Denn, so der Autor: „Dass wir diese Einsicht ausgerechnet den Evolutionsbiologen verdanken, könnte man fast als späte Rache Gottes an Charles Darwin interpretieren."

Der Artikel hätte sachlich richtig überschrieben werden sollen mit: „Warum wir glauben können – auch wenn es Unsinn ist" und steht insofern für ein beredtes Beispiel, wie ein christlicher Autor naturwissenschaftliche Erkenntnisse und Überlegungen zur Bestätigung (s)eines eigenen christlichen Glaubens verwurstet.

Insofern ist es beachtlich, wie nicht nur kürzlich aus der Bertelsmann-Stiftung mit dem „Religionsmonitor" – und seinen eigenartigen Methoden und öffentlichen Darstellungen, dass 70 % der Deutschen „religiös" seien -, sondern nun auch von der ZEIT unter dem Etikett „Wissenschaft" allerlei christliche Propaganda verbreitet wird, dass die Menschen angeblich „glauben müssen".

CF.