Rückbesinnung auf den American Dream

(hpd) Noch ist Barack Obama im Rennen um die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Demokraten. Nach dem Super Tuesday

liegt er zwar knapp hinter Hillary Clinton. Gleichwohl könnte er es noch schaffen.

Wie kaum ein anderer Präsidentschaftskandidat seit Robert Kennedy steht Obama für einen echten politischen Wandel, und er begeistert damit nicht nur Jugendliche und Schwarze. Doch wofür steht der charismatische Politiker, der schon als „schwarzer Kennedy" gehandelt wird. Auskunft darüber gibt sein Buch „The Audacity of Hope", das in den USA nach seinem erstmaligen Erscheinen 2006 ein Bestseller wurde. Mittlerweile liegt auch eine deutsche Übersetzung unter dem Titel „Hoffnung wagen. Gedanken zur Rückbesinnung auf den American Dream" vor. Inhaltlich liefert es weder ein präzises Manifest noch eine politische Theorie. Vielmehr enthält das Buch eine stark autobiographisch geprägte Darstellung eigener Erfahrungen in den Wirren der Politik, verbunden mit kritischen Reflexionen zur gesellschaftlichen Entwicklung.

Gleichwohl positioniert sich Obama bereits im Prolog recht deutlich: „Ich bin zornig über eine Politik, die die Reichen und Mächtigen ständig den Durchschnittsamerikanern vorzieht, und ich bestehe darauf, dass es eine wichtige Aufgabe des Staates ist, für allgemeine Chancengleichheit zu sorgen. Ich glaube an die Existenz der Evolution, an den Nutzen wissenschaftlicher Forschung und an die Existenz der Klimaerwärmung; ich glaube an die freie Rede, sei sie politisch korrekt oder inkorrekt, und ich werde misstrauisch, wenn der Staat irgendwelche religiösen Überzeugungen (auch meine eigenen) Nicht-Gläubigen aufzwingen will" (S. 21). Auch wenn dies etwas pathetisch und selbstverständlich klingen mag. Für die politische Kultur der USA finden sich in diesen Sätzen beachtenswerte und kritische Positionen. So geht es dann auch weiter bei Obamas Ausführungen zur Bedeutung der amerikanischen Verfassung und der sozialen Rolle von Werten, bei Erörterungen zur gesellschaftlichen Rolle der Religion und der inhaltlichen Gestaltung der US-Außenpolitik.

Zum Irak-Krieg gibt er einen Teil seiner Rede anlässlich einer öffentlichen Versammlung im Jahr 2002 wieder: „Ich weiß, dass selbst nach einem erfolgreichen Krieg gegen den Irak eine amerikanische Besatzung von unbekannter Dauer, mit unbekannten Kosten und mit unbekannten Folgen notwendig sein wird. Ich weiß, dass eine Invasion im Irak ohne klare Begründung und ohne starke internationale Unterstützung den Brand im Nahen Osten nur noch weiter anfachen, dass sie die schlimmsten und nicht die besten Impulse der arabischen Welt verstärken und dass sie der al-Qaida die Rekrutierung erleichtern wird" (S. 377). Genau so ist es gekommen. Gleichwohl war diese Einschätzung nicht Resultat einer prophetischen Gabe, sondern des gesunden Menschenverstandes. Auf diesen setzt Obama in seiner Frontstellung gegen verbohrte Ideologen, die er sowohl bei den Demokraten wie den Republikanern ausmacht. Auf Basis dieses - mitunter aber all zu simpel wirkenden Prinzips - will er die Spaltung der US-amerikanischen Gesellschaft überwinden.

Angesichts ihrer multireligiösen Zusammensetzung formuliert der überzeugte Christ Obama eine weitaus fortschrittlichere Position als der säkulare Philosoph Jürgen Habermas. Er betont, dass die Moral und Rechtsordnung zu großen Teilen auf christlicher Tradition beruhe: „Allerdings verlangt unsere auf Diskussion ausgerichtete pluralistische Demokratie, dass religiös motivierte Politiker ihre Anliegen nicht religionsspezifisch ausdrücken, sondern in universelle Werte übersetzen. Das bedeutet, dass ihre Vorschläge der Vernunft zugänglich sein und dem Diskurs unterworfen werden müssen" (S. 282). Eine Ablehnung der Abtreibung solle man nicht mit Verweis auf den Willen des eigenen Gottes oder die Lehren der eigenen Kirche vortragen. Vielmehr müsse man dabei erklären, warum Abtreibung einen Grundsatz verletze, der für Menschen aller Glaubensrichtungen einsichtig sei, also auch für die Menschen ohne Glauben. In einer pluralistischen Demokratie habe man keine andere Wahl - denn Glauben und Vernunft seien für unterschiedliche Bereiche zuständig.

Obamas Buch endet mit einer persönlichen Erinnerung an die positiven Seite der Geschichte der USA: an die Ideale der Gründungsväter, an das Wirken von Lincoln und King, an die Mühen der einfachen Menschen - und deren Wunsch nach Belebung ihrer kollektiven Träume: „An diesem Prozess möchte ich gern beteiligt sein. Mein Herz ist erfüllt von Liebe für dieses Land" (S. 462). Selten hat man eine solch anrührende Liebeserklärung von einem Politiker für sein Land gelesen. Gerade die damit verbundene Botschaft der Hoffnung und des Wechsels durchzieht die Seiten wie ein roter Faden. Nicht selten bleibt Obama dabei recht allgemein, aber er wollte auch keine Programmschrift vorlegen. Sein Buch hat darüber hinaus überflüssige Längen bei der Schilderung der persönlichen Erfahrungen in der Politik. Weitaus wichtiger dürfe aber die von der Person Barak Obama ausgehende Stimmung sein. Sie manifestiert sich im ursprünglichen Titel seines Buches „Die Kühnheit der Hoffnung", der Hoffnung auf einen wirklichen Wandel - nicht nur in der US-amerikanischen Politik.

Armin Pfahl-Traughber

Barack Obama, Hoffnung wagen. Gedanken zur Rückbesinnung auf den American Dream. Aus dem Englischen von Helmut Dierlamm und Ursel Schäfer, München 2007 (Riemann-Verlag), 475 S.