Erfundene Jesusworte

(hpd) Die Aussagekraft des Neuen Testaments als historische Quelle ist überaus begrenzt - worauf eine historisch-kritische Bibelforschung bereits

seit Jahrhunderten aufmerksam gemacht hat.

Doch zwischen den Ergebnissen der Forschung und deren Wahrnehmung bei Gläubigen klafft eine Lücke. Sie versucht Gerd Lüdemann seit Jahren durch zahlreiche Studien zu schließen. Er ist Professor für Geschichte und Literatur des frühen Christentums an der Theologischen Fakultät der Universität Göttingen.

In seinem neuesten Buch „Der erfundene Jesus. Unechte Jesusworte im Neuen Testament" geht Lüdemann davon aus, dass zahlreiche Jesus-Zitate lediglich Erfindungen von frühen Christen oder Veränderungen tatsächlicher Aussagen seien. Die kritische Forschung habe dies schon früh erkannt und solchen unechten Jesus-Worten keine sonderliche Aufmerksamkeit mehr gewidmet. Lüdemann konzentriert sich aber gerade auf solche Textstellen, die er bezüglich der Stationen des Weges Jesu und der Themen der Verkündigung Jesu einer kritischen Prüfung unterzieht.

Hierbei präsentiert er zunächst die jeweiligen Passagen und nimmt danach eine Unechtheitsbegründung vor. Der Autor kann aufgrund seiner souveränen Kenntnis von Methode und Text überzeugend belegen, warum es sich hier nicht um authentische Worte von Jesu handeln kann. Die frühen Christen hätten trotz ihrer Verachtung der Lüge um einer höheren Wahrheit willen unechte Jesus-Worte erfunden. Dies sei nach Lüdermann somit „nicht in betrügerischer Absicht" (S. 89) geschehen. Hier kann man gleichwohl mit guten Gründen auch anderer Auffassung sein: Eine Lüge und Täuschung wird nicht weniger eine Lüge und Täuschung wenn sie um vermeintlich besseren Werten und Zielen willen begangen werden.

Durchaus zutreffend verweist der Autor aber darauf, dass trotz des Wissens um die Unechtheit vieler Jesus-Worte diese von den christlichen Kirchen heute immer noch als Gotteswort hingestellt werden und als offizielle Glaubensgrundlage gelten. Darauf aufmerksam gemacht zu haben, ist ein bleibendes aufklärerisches Verdienst Lüdemanns.

Armin Pfahl-Traughber

 

Gerd Lüdemann, Der erfundene Jesus. Unechte Jesusworte im Neuen Testament. Ein Lesebuch, Springe 2008 (Verlag zu Klampen), 96 S., 12,80 €