Notizen aus den Niederlanden

Breite Front gegen den Fitna-Film von Geert Wilders          

DEN HAAG, 11. bis 19.März. Trotz massiver

Proteste will der PVV-Politiker Geert Wilders seinen islamkritischen Film „Fitna" (hpd berichtete) Ende März ausstrahlen. Eine Pressekonferenz dazu musste bereits wegen zu hoher Kosten für Sicherheitsmaßnahmen abgesagt werden. Ein TV-Kanal, der den Film integral sendet, ist noch nicht gefunden. Als Ausweg beabsichtigt Wilders die Veröffentlichung des Films auf seiner eigenen Internetseite.

Premier Jan Peter Balkenende (CDA) ist sich sicher, dass „viele führenden europäischen Politiker die Niederlande unterstützen werden, falls der Film zu Unruhen führt". Die EU ist zwar der Meinung, dass der Film wegen Meinungsfreiheit nicht verboten, aber Gewalt nicht toleriert werden kann. Für eine gemeinsame EU-Erklärung sei es noch zu früh, so Balkenende, da der Inhalt des Films noch nicht genau bekannt ist. Für die Präsenz des niederländischen Militärs in Afghanistan werden negative Auswirkungen befürchtet, da die iranische Regierung bereits Protest gegen den Film angemeldet hat.

Die Protestantische Kirche (PKN) und einige Muslimorganisationen haben deshalb eine gemeinsame Erklärung abgeben. In dieser wird die Bevölkerung aufgerufen sich einzusetzen für eine „Gesellschaft in welcher Respekt und Toleranz zentral stehen". Äußerungen, die zu Angst vor dem Islam und Muslime anstacheln, sind destruktiv und verwerflich, das Heilige in der Religion zu verhöhnen, schreiben die beteiligten Organisationen. In verschiedenen Städten wollen Muslime, Juden und Christen nach der Ausstrahlung des Filmes am Sonntag gemeinsam demonstrieren um, so sagt der Bürgermeister von Zutphen, „dem verletzenden Ton des Films zu etwas Gutem umzubiegen". Moscheen in Brabant wollen während des Films ihre Türen öffnen, um den Bürgern das wirkliche Leben des Islam zu zeigen. Die protestantischen Kirchen wollen für eine „sichere, respektvolle und tolerante Gesellschaft" beten. Auf Einladungen von Bas Plaisir, Generalsekretär der Protestantische Kirche (PKN), den Film im Voraus mit kirchlichen Vertretern zu diskutieren hat Wilders bis jetzt nicht reagiert.

Anmerkung der Redaktion (28.3.08): Der Film wurde dennoch in der vergangenen Nacht ins Netz gestellt

Anmerkung der Redaktion (29.3.08 / 08:00): Der Film wurde wegen ernstzunehmender konkreter Bedrohungen wieder aus dem Internet heraus genommen und unter dem angegebenen Link steht nur noch eine Erklärung des Betreibers.

(29.3.08 / 09:00) Das Video läuft jetzt - in verkürzter 10 Minuten-Version - auf YouTube. Man muss sich jedoch eventuell vorher bei YouTube anmelden, was problemlos geht. In der dort gezeigten Version fehlt das letzte Drittel, mit den hingerichteten Homosexuellen und den gesteinigten Frauen.

(29.3.08 / 10:00) Das Video läuft in gesamter Länge auf video.google.

Zustimmung zur „Euthanasiepille"

HILVERSUM, 1.März. Nach einer Untersuchung des Büros Inomart sind 75 % der Niederländer für eine kontrollierte Verabreichung der sogenannten „Euthanasiepille". Mit dieser auch als „Pille von Drion" bekannten Medizin könnten ältere Menschen auf eigenen Wunsch ihr Leben beenden. Dieselbe Studie zeigt, dass 45 % der Befragten aktive Sterbehilfe für ältere Menschen, die nicht schwerstkrank, aber so nicht mehr leben wollen, als nicht mehr strafbar wünschen. (Niederländisch)

Klage gegen Werbespot des Humanistischen Verbundes abgelehnt

BRON, 3.März. Die Code-Kommission für Werbung hat eine Klage von Christen gegen den Text eines Werbespots des Humanistischen Verbundes (HV) abgelehnt. Es werde keine der Religionen verhöhnt und der HV hat die Freiheit, seine lebensanschaulichen Auffassungen zu äußern. Angegriffen wurde vor allem die Formulierung: Ohne ihre Unterstützung (für den HV) ist der Humanismus den Göttern ausgeliefert. Der Spot läuft bereits seit anderthalb Jahren und hat die Beiträge um 10% erhöht. (Niederländisch)

Die Niederlande sind führend bei der Inhaftierung von Kindern

NIEDERLANDE, 6. März. In einem Bericht der Organisation Defence for Children International Nederland wird nachgewiesen, dass sich gegenüber anderen EU Staaten in den Niederlanden die meisten Kinder in Gefängnissen befinden. 2006 waren 4726 Kinder und Jugendliche inhaftiert. Auch bei der Anwendung erschwerter Strafbedingungen, z.B. Isolierzelle, stehen die Niederlande an der Spitze. (Niederländisch)

Karikaturenkampf in Zeeland

ZEELAND, 10. März. Eine Karikatur über das letzte Abendmahl in der Zeitung „WereldRegio" reichte, um einen Cartoonkrieg in Zeeland zu entfesseln.

Die Zeitung wird mit Protesten von Christen bombardiert. In manchen Supermärkten wurde die Zeitung aus den Regalen genommen. Der Hauptredakteur will sich jetzt entschuldigen und hat den Karikaturisten angewiesen, künftig nicht mehr so beleidigend zu zeichnen. (Niederländisch)

Ein Viertel der Türken heiratet innerhalb der Verwandtschaft

ROTTERDAM, 11. März. Fast 25% der Türken und mehr als 20% der Marokkaner heiraten innerhalb der Verwandtschaft, besonders zwischen Neffen und Nichten, bestätigt das Reichsinstitut für Gesundheit (RIVM). Dadurch erhöhen sich das Risiko für Behinderung der in diesen Verbindungen geborenen Kinder und ihre verfrühte Sterblichkeit. Das Institut verlangt eine bessere Informationspolitik für Bürger mit Migrationshintergrund. (Niederländisch)

Debatte um Gotteslästerung im Parlament

DEN HAAG, 13. bis 17. März. In der zweiten Kammer des Parlaments fand eine emotionale Debatte über die bereits lang geführte Diskussion zur möglichen Abschaffung des Artikels 147 (Gotteslästerung) des Strafgesetzbuches statt (hpd berichtete). Die Mehrheit im Parlament war für die Abschaffung, aber die Regierung dagegen. Justizminister Ernst Hirsch Ballin will nun über eine Weiterfassung des Artikels, auch für nichtreligiöse Weltanschauungen, nachdenken. Die sozialistische Partei PS plädiert für eine sofortige Abschaffung, während die travaillistische Partei PvdA, die mit den Christen in der Regierung sitzt, eine Vertagung befürwortet. Kammermitglied Jan de Wit (PS): „Gott hat in der Politik und den Gesetzen nichts zu suchen". (Niederländisch)

Die Debatte stößt in der niederländischen Öffentlichkeit auf großes Interesse. Dazu Ronny Nafaniel, Direktor des israelischen Kulturzentrums Cidi: „Es ist ein nutzloses Gesetz, weil die Grenze zwischen dem Sagbaren und Nichtsagbaren sich ständig ändert. Verhöhnen von religiösen Gefühlen darf nie zu Strafverfolgung führen." Für den Rechtstheoretiker Mathijs de Blois kann „nur die Verhöhnung von Gott bestraft werden, aber das lässt sich kaum beweisen". Nafaniel will gerade deshalb das Gesetz abschaffen, weil es nicht um Inhalte geht. (Niederländisch)

Der Humanistische Verbund gab zu der Problematik eine eigene substanziell begründete Erklärung ab.
In einem Kommentar des Vorsitzenden wird argumentiert, dass es um ein sonderbares Gesetz geht, weil eine nicht natürliche Person bestraft wird. So etwas lässt sich kaum beweisen, weil zunächst die Existenz dieses Wesens zu beweisen wäre. Außerdem wird so eine fiktive Person mit Rechten ausgestattet. Götter sollten außerhalb des Strafrechtes gehalten werden. Die Intention der erweiternden Begriffsbestimmung des Justizministers wird durch die Humanisten als interessant betrachtet. Der Vorschlag der Partei Grün/Links, in den Artikel 284 StGB auch das erzwungene Bekennen zu religiösen und lebensanschaulichen Auffassungen unter Strafe zu stellen, findet die Zustimmung der Humanisten.

Diese Initiative geht von der grünen Abgeordnete Femke Halsema aus und zielt damit u.a. auf die Gewalt gegen den Ex-Muslim Ehsan Jami, der wegen seiner Haltung misshandelt wurde. (hpd berichtete) (Niederländisch)

Zweite Kammer will Sex mit Tieren verbieten

DEN HAAG, 13. März. Die zweite Kammer unterstützte einen Gesetzentwurf der PvdA, der unsittliche Handlungen mit Tieren unter Strafe stellt. Auch der Besitz und die Verbreitung von Tierpornos wird mit bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft. Bisher waren diese Handlungen nur strafbar, wenn sie mit Tierquälerei verbunden waren. Begründet wird das Gesetz durch den Verstoß gegen die guten Sitten und nicht mit dem Tierschutz. (Niederländisch)

„Goedgelovig.nl" gewinnt den Goldenen Webfisch Award

UTRECHT, 13. März. Die satirische Website Goegelovig.nl wurde für seine religiösen Beiträge mit dem Webfish Award der Protestantischen Kirche und der katholischen Presseagentur IKON, ausgezeichnet. Goedgelovig (Gutgläubig) publiziert satirische Berichte über alle christliche Strömungen und Organisationen, die durchgängig als „Gristenen" bezeichnet werden. 2007 stand die Berichterstattung über das Erweckungslied 666 (hpd berichtete) im Mittelpunkt. Die Macher der Website wollen nur Gottes- und Religionsbilder parodieren, nicht Gott verhöhnen. Die Meinung über die Website ist in „gristlichen" Kreisen sehr geteilt und einige Kirchendiener fühlen sich persönlich angegriffen. Besonders die gut informierte Anonymität der Webblogger wird angegriffen, weil die Kirchen gut versteckte U-Boote in ihrer Verwaltung vermuten. (Niederländisch)

Humanistischer Verbund unterstützt Vereinbarung zur Homo-Emanzipationspolitik

NIEDERLANDE, 13. März. Der Humanistische Verbund will die Vereinbarung zur Homo-Emanzipationspolitik, die am 5. März von der Regierung und den vier großen Städten unterzeichnet wurde, weiterentwickeln. Während Amsterdam auf die Gewalt gegen Homosexuelle reagiert, legt Utrecht einen Aktionsplan zu mehr Akzeptanz vor und Rotterdam will gegen die „Ehrenrache" streiten. Für den Humanistischen Verbund ist die Vereinbarung ein erster Schritt, zu der am 17. April mit Vertretern von 27 Gemeinden eine Konferenz zum Thema stattfindet. (Niederländisch)

Kirchenglocke gestohlen

HILVERSUM, 15. März. Am helllichten Tag haben Kupferdiebe die Kirchenglocke von Susteren aus dem 14. Jahrhundert gestohlen. Die Glocke stand vor der Kirche auf einem Sockel. Deutsche Besatzer hatten sie im Krieg zwar aus dem Turm geholt, sie jedoch als zu alt liegengelassen. Riet Ceelen, ein Touristenführer, bemerkte das Vorgehen der Diebe und sprach sie an. In brabantischen Akzent wurde ihm geantwortet, dass die Glocke mit Zustimmung der Gemeinde zu einer kirchlichen Ausstellung transportiert werden solle. Eine Spur der Diebe und der Glocke fehlt bis heute. (Niederländisch)

Letzter Vermittlungsversuch wegen zu lautem Glockengeläut

TILBURG, 17.März. Im langwierigen Konflikt zwischen Pastor Harm Schilder und den Anrainern der Heiligen Margarita Mariakirche in Tilburg wegen zu lautem Glockengeläut (hpd berichtete) will die Gemeindeverwaltung nun einen letzten Versuch zur Beilegung des Konflikts versuchen. Schilder läutet jeden Tag um 7:15 Uhr die Glocke und wurde bereits zu 5000 Euro Bußgeld verurteilt. Das Gericht annullierte die Strafe jedoch, weil Kirchenglocken nicht in Lärmbelästigungsgesetzen vorkommen. Sollte der Versuch scheitern, will die Gemeindeverwaltung mit Gewalt die überlauten Gebetsaufrufe stoppen. (Niederländisch 1) und (Niederländisch 2)

Sind Tieraktivisten Terroristen?

DEN HAAG, 18. März. Immer mehr Wissenschaftler, die in der Pharmaindustrie mit Tierversuchen beschäftigt sind, emigrieren nach Auskunft der Regierung ins Ausland. Sie haben Angst vor den immer militanter werdenden Tieraktivisten. Das Mitglied der zweiten Kammer, Sybrand van Haersma Buma (CDA), verglich die Tieraktivisten mit Terroristen und will sie als solche behandelt sehen. (Niederländisch)


Rudy Mondelaers