USA. (human.nl/hpd) Der Humanistische Verband der Niederlande, der im Radio-Programm "OBA Live" wöchentlich einen Tag Sendezeit bekommt, sendete Mitte Oktober einen Beitrag zu der Finanzkrise. In ihm werden die kontroversen theologischen Ansichten der USA-Gläubige und Kirchen zu der Krise illustriert.
Für viele ist die Kreditkrise ein Geschenk Gottes. Endlich lässt der stille Gott, durch eine Strafe für die menschliche Spezies, wieder von sich hören. Dieses Mal ist es kein Tsunami, Erdbeben, Wirbelsturm oder Hochwasser, sondern eine finanzielle Krise. Vor allem die amerikanischen Evangelikalen wollen die Finanzkrise gerne, als Folge des moralischen Verfalls der Welt sehen. Das „Reformatorisch Dagblad" (RD) brachte dazu folgende Beiträge.
Die Krise ist eine Strafe Gottes
In evangelikalen Kreisen wird auf den Verfall der traditionellen Familie, den Mangel an persönliche Verantwortung und den ungezügelten Konsum verwiesen. Mehr ausgeben als Sie haben, das ist nicht die Art, wie wir durch unsere Eltern erzogen wurden, sagt Gary Ledbetter, Sprecher der Südlichen Baptisten in Texas. Es ist eine ganze Kreditindustrie geschaffen worden zum Nutzen der Menschen, die direkt die Waren haben wollen, wofür ihre Eltern zwanzig Jahre hatten arbeiten müssen.
Tony Perkins des Family Research Council betont, dass man keine starke Gesellschaft haben kann, wenn es keine starken familiären Strukturen gibt. Wir leben in einer Vertrauenskrise, die Menschen kennen ihrer Verantwortung nicht mehr. Sie sehen das auch an der Wall Street.
Obwohl Schuldenmachen keine Sünde ist, ist es nach der Bibel nicht der normale Weg des Lebens, steht auf der Website der amerikanischen Familienorganisation Focus on the Family zu lesen. Schulden haben, ist eine Situation, die mit äußerster Vorsicht behandelt werden sollte.
Einige Kommentatoren weisen darauf hin, dass viele Christen unter dem Bann des freien Marktes stehen. Von einer ernsthaften biblischen Reflexion über die Wirtschaft ist oft keine Rede. Es gibt nur das wirtschaftliche Modell der Republikaner, sagt David Gushee, Professor für christliche Ethik an der Mercer University in Atlanta. Konservative Christen, die das unregulierte freie Markt Denken akzeptieren, sollten auch die Verantwortung für die Folgen tragen, sagt Gushee.
Es gibt aber auch ganz andere Töne!
In der gleichen Ausgabe des Reformatorische Dagblad wird auf ein Interview in der Zeitung Time mit Jonathan Walton gewiesen, Professor für Religion an der University of California. Walton zeigt auf unerwartete Folgen der Kreditkrise: In den Vereinigten Staaten sind besonders viele Mitglieder der Pfingstkirche Anhänger des Wohlstandsevangeliums. Dessen zentrales Versprechen ist, dass Gott dafür sorgt, dass es den Menschen materiell besser gehen wird. Nach Walton hat dies jedoch dazu geführt, dass viele Kirche in den letzten Jahren alle Arten von riskanten Darlehen aufgenommen haben. Die Folgen sind verheerend. Gemeindemitglieder sind eine Beute gieriger Makler geworden.
Auch andere Wissenschaftler sind sich einig mit Walton. Anthea Butler der Universität von Rochester (New York) und Experte auf dem Gebiet der Pfingstbewegung: „Prediger sagen natürlich nicht: Gehen Sie zu Wachovia (wichtige, in letzter Zeit konkursgefährdete USA-Bank, N. d. R.) für ein Darlehen, sondern: Auch wenn Sie nicht viel leihen können, Gott segnet euch doch. Wenn Sie das glauben (lies: und eine große Spende an die Kirche machen), dann wirst du das Haus, das Auto oder die Wohnung bekommen."
Nach J. Lee Grady, Redakteur der Zeitschrift Charisma, sagen Pastoren oft: „Wenn Sie diese Spende machen, dann wird Gott Ihnen ein Haus geben." Und wenn sie das Haus bekommen, denken die Menschen, dass ihre Gebete erhört wurden, während es in Wirklichkeit die schlechte Politik der Bank gewesen ist.
Das Wohlstandsevangelium beruft sich nach Walton auf übernatürliches positives Denken. Anhänger werden belohnt, wenn sie der Kirche viel Geld spenden und damit einen Beweis ihres Glaubens liefern. Sie werden dazu durch Prediger ermutigt, die sich auf eine Vielzahl von biblischen Texten über Reichtum berufen.
Die wirtschaftliche Hochkonjunktur der neunziger Jahre und der Beginn des neuen Jahrtausends haben sich als Stimulans für den Blutkreislauf des Wohlstandsevangeliums ausgewirkt. Walton: Geschichten darüber, wie Gott mich segnete mit meinem ersten Haus, trotz meiner finanziellen Situation. waren an der Tagesordnung in diesen Tagen. Die Gefahren einer Hypothek für den Kauf von Autos, Bekleidung und Urlaub, wurden in den Predigten nicht erwähnt.
Gott bleibt mit uns
Jetzt, wo die wirtschaftliche Blase durchstochen ist, glauben Walton und Butler, dass Anhänger des Wohlstandsevangeliums unverhältnismäßig stark betroffen sind. Sie sind neugierig, wie die Kirchen darauf reagieren werden. Butler geht davon aus, dass einige Gemeinden, wie das Kapital der betroffenen Gemeindemitglieder, schrumpfen werden. Man könnte erwarten, dass das derzeitige wirtschaftliche Klima ihre Theologie untergraben wird, sagt Walton. Er prognostiziert jedoch, dass das Wohlstandsevangelium populär bleiben wird. Die milden irdischen Gaben Gottes bleiben auch in der aktuellen wirtschaftlichen Lage attraktiv.
Eine jüngste Erklärung eines Gemeindemitglieds der Brownsville Assembly of God (bei Pensacola in Florida) scheint den Verdacht Waltons zu bestätigen. Am vergangenen Sonntag, so schreibt der Mann zu seinem Prediger, haben Sie gesagt, dass wir ein Wunder brauchen, um wieder hoch zu kommen. Ich erhielt die Bestätigung meiner Hypothek und bat Sie, ein Bild von meinem Haus zu salben. Sie taten es und dann badeten wir zusammen mit Ihrer Frau, während ich weinte. Ich ging nach Hause mit dem Gefühl, dass etwas Gutes passieren würde. Am Freitag, 5. September, bekam ich einen Anruf von meinem Hypothekenanbieter mit der Ankündigung, dass ich in den nächsten drei Monate nur 200 Dollar zu zahlen habe. Mein Hypothekenbetrag ist normal 1020 Dollar. Lobe Gott für seinen Segen und Gnade!
Der Preis von Gott ist also: 1020-820 = 200 Dollar. Blöd für diese letzten 200 Dollar.
Übersetzung: R. Mondelaers