Katholische Kirche und Reichskonkordat 1933

BERLIN. (hpd) Mit Blick auf das Reichskonkordat, das heute vor 75 Jahren abgeschlossen wurde

und Hitler einen enormen Popularitätsgewinn im In- und Ausland verschaffte, heißt es oftmals, dass der katholischen Kirche keine Alternativen offen standen. Um sich selbst vor Angriffen der neuen Regierung zu schützen, habe man sich mit ihr an den Verhandlungstisch gesetzt. Gleichzeitig habe man aber immer eine Distanz zur NS-Rassenideologie bewahrt, wie folgende Zeilen aus dem Hirtenbrief der deutschen Bischöfe vom 3. Juni 1933 zeigen: „Freilich vergessen wir über unserer Liebe zum Volke und Vaterland die natürliche und christliche Verbundenheit mit den anderen Völkern und Völkerfamilien nicht, sondern denken an das große, weltweite Gottesreich auf Erden, das der Heiland dazu berief, alle Menschen ohne Unterschied der Sprache und der Zeit, der Nation und Rasse erlösend zu erfassen."

 

Doch wer glaubt, die katholischen Bischöfe hätten sich damit heldenhaft auf die Seite der unterdrückten Juden gestellt, irrt. Nicht ohne Grund sucht man das Wort „Religion" vergebens unter den Begriffen, mit denen der Rassismus zurückgewiesen wurde. Die Begründung wird nachgeliefert - auch Personen jüdischer Abstammung, die sich taufen ließen, waren unabhängig von ihren neuen Glauben weiterhin als Juden der Rassengesetzgebung unterworfen. Diese, im Sprachgebrauch der Bischöfe genannten nichtarischen Katholiken galt es zu verteidigen - für die anderen Juden fand man weniger warme Worte.

Der Münchner Erzbischof Michael Kardinal Faulhaber traf sich am 30. März mit dem amerikanischen Bischof Mundelein und diskutierte mit ihm die Judenboykotte der ersten Wochen des Dritten Reichs. Für ihn waren sie nur „Gegenmaßnahmen" gegen die „unwahren Berichte über blutige Greueltaten in Deutschland", die von den ausländischen Medien verbreitet würden. Sei Mundelein etwas am Schicksal der Juden in Deutschland gelegen, müsse er sich um ein Deutschland-freundlicheres Klima in den USA bemühen.

Judentum ein nicht nahestehender Interessentenkreis

Einen Tag später begründete Adolf Kardinal Bertram, Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz, in einem Schreiben, warum die Kirche sich in der angespannten Situation zurückhalten solle. Zum einen sollten sich die Bischöfe auf ihr eigenes Arbeitsgebiet beschränken und bedenken, dass es sich beim Judentum um ein „uns in kirchlicher Hinsicht nicht nahestehenden Interessentenkreis handelt". Andererseits dürfe man nicht vergessen, dass die von Juden kontrollierte Presse ihrerseits zur Katholikenverfolgung in gewissen Staaten geschwiegen habe.

Als die Juden am 7. April auf gesetzlicher Grundlage aus der deutschen Beamtenschaft ausgeschlossen wurden, regte sich Widerstand. Der bayerische Geistliche Alois Wurm fragte in einem Brief an seinen Vorgesetzten Faulhaber, warum dieser nicht die Stimme erhebe. In seiner Antwort hielt der Erzbischof fest, dass es sich bei den neuerlichen Vorgängen um ein unchristliches Vorgehen handele, gegen das man aber nicht protestieren solle, um der Regierung keinen Anlass zu einer Hetze zu geben, die in letzter Konsequenz den Religionsunterricht in den Schulen gefährden könnte. Außerdem, beruhigte Faulhaber Wurm, habe er schon oft erlebt, dass die Juden sich selber helfen könnten.

Weiterhin lehnten die deutschen Bischöfe den gegen die Juden gerichteten Antisemitismus ab, da er die Heiligkeit des von Juden verfassten Alten Testaments verletzen könnte. Außerdem stand ein arischer Jesus, der von einem römischen Legionärssoldaten (der wiederum womöglich auch noch germanisches Blut als Folge der Kimbern- und Teutonenkriege in sich trug) in Widerspruch zu der Auffasung vom Sohn Gottes.

Diese und ähnliche Gedankengänge wurden von Kardinal Faulhaber in seinen Adventspredigten 1933 vertreten. Im Ausland war man erfreut, dass sich ein deutscher Bischof deutlich gegen den Rassismus gewandt hatte. Eine tschechische sozialdemokratische Zeitung veröffentlichte Auszüge aus der Predigt, die mehrere Juden begrüßten. Faulhaber stellte in einem Brief jedoch klar, dass er seine Äußerungen nur theologisch verstanden wissen wolle. Er protestierte, „daß sein Name auf einer Konferenz genannt würde, die gegen Deutschland Handelsboykott, also wirtschaftlichen Krieg fordert". In dem Brief hieß es weiter: „Kardinal Faulhaber hat in seinen Adventspredigten das altbiblische Schriftentum Israels verteidigt, nicht aber zur Judenfrage von heute Stellung genommen."

"Keine Stellungnahme zur Judenfrage von heute"

Im „Handbuch der religiösen Gegenwartsfragen" hieß es 1937: „Der Bolschewismus ist ein asiatischer Despotismus im Dienste einer Gruppe von Terroristen, angeführt von Juden." Herausgeber des Werkes war der Freiburger Erzbischof Conrad Gröber, der 1933 in die SS eingetreten war. Anscheinend dachten nicht nur er, sondern auch die übrigen Mitglieder des deutschen Episkopats so. Sie alle setzten ihre Unterschrift unter das Werk.

Am Vorabend des Zweiten Weltkriegs ermöglichte die katholische Kirche mehreren tausend nichtarischen Katholiken die Ausreise in die USA und nach Lateinamerika. Der St. Raphaelsverein, mit Sitz in Hamburg, hatte in seiner langen Geschichte vielen Katholiken einen Neubeginn im Ausland ermöglicht. Angesichts der sich immer enger zuschließenden Schlinge flehten auch viele Juden um eine Ausreise in das sichere Amerika. Doch man blieb hart. Geholfen wurde nur den nichtarischen Katholiken, die vor 1933 konvertiert waren, um sicherzustellen, dass das Glaubensbekenntnis nicht aus opportunistischen Gründen erfolgte, um das eigene Leben zu retten. Die Frist wurde später gelockert, ein Test, in dem zentrale Lehrinhalte der Bibel abgefragt wurden, blieb jedoch unvermeidlich.

Den Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion sah der Trierer Bischof Franz Bornewasser als Krieg gegen „ein auf den Grundlehren des deutschen Juden Karl Marx fußendes Lehrsystem".

"Zu Tieren entartet"

Der Paderborner Erzbischof Lorenz Jaeger ging in seinem Fastenhirtenbrief aus dem Jahr 1942 noch einen Schritt weiter: „Schaut hin auf Rußland! Ist jenes arme, unglückliche Land nicht der Tummelplatz von Menschen, die durch ihre Gottfeindlichkeit und durch ihren Christushaß fast zu Tieren entartet sind? Erleben unsere Soldaten dort nicht ein Elend und ein Unglück sondergleichen? Und warum? Weil man die Ordnung des menschlichen Lebens dort nicht auf Christus, sondern auf Judas aufgebaut hat."

Doch zu einem grundlegenden Umdenken kam es auch nach der Niederlage nicht. In seinem ersten Hirtenbrief nach Kriegsende verurteilte Conrad Gröber den Holocaust. In seinen Augen hatte der Völkermord die Juden in eine Verteidigungsposition gedrängt, von der aus sie dem Deutschen Reich mehr Schaden zugefügt hätten, als jede feindliche Armee.

Lukas Mihr

Quellen:
BERNHARD STASIEWSKI/LUDWIG VOLK, Akten Deutscher Bischöfe über die Lage der Kirche 1933-1945. Mainz 1968-1985.
WOLFGANG STÜKEN, Hirten unter Hitler, Essen 1999 .