BERLIN. (hpd) Im Fokus dieser Ausgabe liegt die eindringliche Rede über die Freiheit, die der Präsident der Mongolei vor Studenten und Wissenschaftlern der Kim-Il-Sung-Universität hielt. Weitere Themen: massive Gehaltserhöhungen für nordkoreanische Arbeiter der Schwerindustrie, Südkoreaner kehren nach jahrelanger Gefangenschaft in die Heimat zurück, Berichte über öffentliche Hinrichtungen und Bewertung des nordkoreanischen Tablet-PCs "Samjiyon".
Mongolischer Präsident in der Kim-Il-Sung-Universität: "Keine Tyrannei hält ewig"
Mit Spannung wurde der Staatsbesuch Tsachiagiin Elbegdordschs, dem Präsidenten der Mongolei, erwartet, da gemutmaßt wurde, dass er als erstes Staatsoberhaupt Gespräche mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un führen würde. Zu einem Treffen ist es aber offenbar nicht gekommen. Von sonstigen Spekulationen abgesehen könnte der Grund einfach darin liegen, dass Elbegdordsch nicht von Kim Jong Un, sondern von Kim Yong Nam, dem protokollarischen Staatsoberhaupt, eingeladen wurde. Es wurden Kooperationen im wirtschaftlichen und kulturellen Bereich beschlossen.
Das bemerkenswerteste an Elbegdordschs Besuch war aber die Rede, die er am letzten Tag seines Aufenthalts in Pjöngjang vor Wissenschaftlern, Professoren und Studenten der Kim-Il-Sung-Universität hielt. Im Vorfeld wurde er dazu angehalten, nicht die Wörter "Demokratie" und "Marktwirtschaft" in seiner Ansprache zu benutzen. Ersteres ist besonders erstaunlich, da er sicherlich den offiziellen Namen Nordkoreas ("Demokratische Volkrepublik Korea", DVRK) nennen durfte. Die nordkoreanischen Zensoren waren aber wohl zu sparsam mit ihren formulierten Einschränkungen, denn Elbegdordsch hielt einen Vortrag über die Freiheit, geschickt eingebunden in die Themen "Außenpolitik der Mongolei" und "Beziehungen zwischen der Mongolei und der DVRK", die von der nordkoreanischen Seite vorgeschlagen wurden. Elbegdordsch betonte, dass entscheidende Aspekte der Innenpolitik benannt werden müssten, um ein vollständiges Bild der mongolischen Außenpolitik geben zu können, da Innen- und Außenpolitik untrennbar miteinander verwoben seien.
Die englische Übersetzung des Manuskripts kann hier nachgelesen werden und die Rede ist auf YouTube abrufbar. Übersetzte Ausschnitte sollen hier wiedergegeben werden.
"Die Mongolei ist ein Staat, der die Menschenrechte und die Freiheit respektiert, die Rechtsstaatlichkeit hochhält und eine offene Politik verfolgt. Fundamentalen Menschenrechten wie der Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und der Freiheit des Einzelnen, nach seinen eigenen Entscheidungen zu leben, wird ein hoher Stellenwert eingeräumt.
Ich glaube an die Macht der Freiheit. [..] Die Freiheit ermöglicht allen Menschen, ihre Entfaltungsmöglichkeiten und Chancen zu entdecken und zu realisieren. Das führt eine menschliche Gesellschaft in den Fortschritt und zu Wohlstand.
Keine Tyrannei hält ewig. Aber die menschliche Sehnsucht in Freiheit zu leben ist eine ewige Kraft. 1990 hat die Mongolei einen politischen und ökonomischen Wandel herbeigeführt, ohne auch nur ein Fenster zu zerschlagen oder einen Tropfen Blut zu vergießen. [..]
Der Wandel zu einer freien Gesellschaft und diese zu stärken ist nicht einfach. [..] In dieser Zeit richten wir unsere Aufmerksamkeit verstärkt auf juristische Reformen. Die Korruption ist ein Todfeind für unsere Entwicklung. Die Mongolei strebt eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Korruption an.
Wir verstecken nicht unsere dunklen Seiten. [..] In einem freiheitlichen System kann man Fehler machen und aus diesen lernen. Der Pfad einer freien und offenen Gesellschaft ist ein Lernprozess. Ich bin auch ein lernender Mann. Ich bin das jüngste von acht Kindern einer Hirtenfamilie. Und ich bin sehr glücklich, durch die freie Wahl meines Volkes die Chance bekommen zu haben seinen Interessen zu dienen.
Wir haben nichts zu lehren, nichts zu predigen, aber wir waren immer glücklich, die Lektionen, die wir aus unseren Fehlern gelernt haben, mit anderen zu teilen. [..] Die Schwierigkeiten, vor denen die Mongolei steht, sollen mit Hilfe von größerer Offenheit, Transparenz und Bürgerbeteiligung gelöst werden. Die Mongolei schätzt das Recht auf Leben als höchstes Gut. Seit 2009 ist die Todesstrafe ausgesetzt. Wir stehen für eine völlige Abschaffung der Todesstrafe. [..]
Ich glaube, dass die ökonomischen Beziehungen zwischen unseren Ländern im Einklang mit dem Ziel des Führers Kim Jon-un [sic!] sind, einen "Staat mit einer starken Wirtschaft" aufzubauen. Die Mongolei bemüht sich um eine Verstärkung der Sicherheit in Nordostasien. [..]
Ich weiß sehr gut, dass für jedes Land die akademische Schicht – Universitäten, Wissenschaftler und Professoren, Studenten und die Jugend – eine unglaublich wichtige Rolle dabei spielen, das Schicksal und das Leben der gesamten Nation zu formen und zu definieren. Ich werde mich immer mit Freude und Herzlichkeit an dieses Treffen mit Ihnen erinnern – der koreanischen Jugend, der Zukunft Ihres Landes.
Ich glaube an die Kraft des Geistes, der Kreativität und an die Energie der Jugend. Der Führer der DVRK, Kim Jon-un [sic!], ist auch ein junger Mann. Ich glaube, dass Sie alles haben, was Sie brauchen, um das koreanische Volk in eine glückliche und erfolgreiche Zukunft zu führen. Und damit wünsche ich Ihnen herzlich Erfolg in allen zukünftigen Bemühungen."
Desweiteren betonte Elbegdordsch, dass die Mongolei eine nuklearwaffenfreie Zone und ein friedliebender Staat sei. Sie setze sich für Problemlösungen mit friedlichen und diplomatischen Mitteln ein. Er warb für eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen der Mongolei und Nordkorea auf politischer, gesellschaftlicher, humanitärer und wirtschaftlicher Ebene. Darüber hinaus sollen die Beziehungen auf den Bildungssektor ausgeweitet werden, mit akademischen Austauschprogrammen für Wissenschaftler und Studenten. Nach dem Vortrag lud Elbegdordsch die Zuhörer zu Fragen ein, es wurden jedoch keine gestellt.
Aus Pjöngjang ist zu vernehmen, dass der Präsident von einem mongolischen Dolmetscher (das heißt korrekt) übersetzt wurde. Die Botschaft Elbegdordschs erreichte aber nur die Zuhörer im Saal, denn Nordkoreas staatliche Nachrichtenagentur KCNA berichtete über den Besuch lediglich wie folgt: "Auf dem Campus legten sie einen Blumenstrauß vor die Statue des Führers Kim Jong Il und huldigen ihm. Der Präsident hielt eine Rede vor den Lehrern und Studenten der Universität. Er sagte, dass er sich freue, die Universität besuchen zu dürfen und sprach über die Politik, Wirtschaft, Geschichte, Kultur und Außenpolitik der Mongolei. Er sagte, dass Präsident Kim Il Sung zweimal die Mongolei besucht hat, und fügte hinzu, dass die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern eine lange Geschichte und Tradition haben. Er zeigte sich zuversichtlich, dass sich die Beziehungen, die mit der Weisheit und Anstrengungen der Führer der älteren Generation verbunden sind, weiter verstärken werden."
Modellversuch: hundertfache Gehaltserhöhung
Seit Herbst dieses Jahres sollen 60.000 Arbeiter der Schwerindustrie in der Provinz Nord-Hamgyŏng eine Gehaltserhöhung von vormals 3.000 Won auf 300.000 Won pro Monat erhalten haben. Quellen zufolge wurden ähnliche Instruktionen an alle Provinzen ausgegeben. Die Gehälter sollen an die Marktpreise angepasst werden, um dadurch Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Aufgrund der geringen Löhne ist die Arbeitsmoral sehr gering, aber mit dem Abbau und Export von Rohstoffen hofft Nordkorea, dringend benötigte Devisen verdienen zu können. Um eine galoppierende Inflation zu verhindern, werden 100.000 Won bar ausgezahlt und die restlichen 200.000 Won in Gütern wie Lebensmitteln oder Elektrogeräten ausgegeben. Desweiteren wurden die Arbeiter dazu angehalten, das Geld nicht in den lokalen Märkten auszugeben, da nun der Staat für die täglichen Gebrauchsgüter aufkomme. Es wird nicht davon ausgegangen, dass sich die Arbeiter daran halten werden, so dass der Won möglicherweise bald erneut drastisch an Wert verlieren wird.