Ein Gespenst geht um - Christianophobie

EUROPA. (hpd) Der katholischen Kirche nahestehende Kreise gründeten ein Observatorium zur Überwachung der sogenannten Christianophobie. Sie wollen damit die europäischen Staaten und Institutionen unter Druck setzen, um mittels der angeblichen Diskriminierung der europäischen Christen die Privilegien der Kirchen zu sichern und den Laizismus zurückzudrängen.

 

Anfang 2006 gründete der Historiker Martin Kugler, Autor einer Schrift zum „Widerstand der Christen gegen den Nazismus", mit seiner Frau Gudrun Kugler-Lang und mit Unterstützung der deutschen Sektion des Vereins „Hilfe für die Kirche in Not" ein Projekt mit der Bezeichnung „Europa für Christus!" mit Sitz in Wien. Vorsitzende ist Dr. Hubertus Dessloch, ehem. Leiter der Vertretung des Freistaats Bayern bei der Europäischen Union und Generalsekretär der Internationalen Akademie für Philosophie. Seine Zielsetzung: „Den Christen Mut zu geben und ihnen zu helfen, die Entwicklung Europas zu beeinflussen." Kugler sagte damals dazu, dass das Projekt „einerseits die Christen daran erinnern will, dass unser Kontinent so eng mit dem Evangelium verbunden ist, dass eine Zukunft ohne Christus und ohne die christlichen Werte undenkbar wäre. Andererseits wollen wir auch den Christen helfen, aus ihrem doppelten Getto herauszukommen: zuerst aus jenem, der durch die Gleichgültigkeit und den Mangel an Hoffnung an Politik und Kultur geschaffen wurde, danach aus dem Getto, das durch die Außenwelt aufgedrängt wurde. (...) Im Namen einer gänzlich falschen Idee der Toleranz beobachtet man diese letzten Jahre eine Intoleranz, die immer mehr gegenüber den christlichen Überzeugungen verallgemeinert wurde, die man ohne Form von Prozess als fundamentalistisch anprangert."

Die Website Europe4Christ

Zentrales Arbeitsmittel der Initiative ist die in Deutschland registrierte Internetseite. „Langfristig wird dies Europa helfen freier zu sein, die Demokratie besser zu sichern und die Gesellschaft und die Gesetzgebung von der zwingenden Notwendigkeit des Schutzes der Würde der Person zu überzeugen. Wir wollen den Europäern sagen, dass, wenn sie den geistigen und konkreten Sinn der Kommunion der Heiligen wiederentdecken, viele Sachen in Europa sich ändern werden." sagte Herr Kugler.

Das Projekt besteht aus drei Pfeilern. Der Erste: die Einladung jeden Tag ein „Vater Unser" zu beten für ein von christlichen Werten imprägniertes Europa. Zweitens: ein monatlicher Informationsbrief über aktuelle Themen, mit Beiträgen von bekannten Persönlichkeiten wie dem frühere italienische Kulturminister Rocco Buttiglione (2004 wegen seinen fundamentalistischen Positionen als Präsident der EU-Kommission abgelehnt), Otto von Habsburg oder die Dresdener TU Philosophin Hanna Barbara Gerl-Falkovitz (Schülerin vom Romano Guardini, der Vorkämpfer eines römisch-katholischen Europas auf der Basis der Wiederherstellung der Werte des mittelalterlichen „Sacrum Imperiums"). Der dritte Pfeiler ist Sensibilisierung, so z. B. mit der Verteilung des bekannten europäischen Fisches ("Ictus") auf Autos und Mappen oder Taschen.

Einige europäische Bischöfe wie Kardinal Schönborn (Wien), Kardinal Meisner (Köln) und Erzbischof Mgr. Dziwisz (Krakau) sind tatkräftige Militanten des Projektes. Auch einige Vertreter der protestantischen und anglikanischen Kirche unterstützen die Initiative, wie beispielsweise Nicky Gumble, der Initiator der Alfa Seminare (dogmatische missionarische Bildungskurse mit Vorliebe für die Wirkung des Heiligen Geistes).

Das Gespenst der Christianophobie

Konservative Angriffe auf die europäische Gesellschaft ließen sich aber wegen des Widerstandes freigeistiger Kreise nicht mehr so einfach verwirklichen. Gewütet wurde und wird daher auf der Internetseite gegen z. B. den verweigerten Gotteshinweis in der europäischen Verfassung, die Ablehnung der Kandidatur Buttiglionis, die auch die Religionsprivilegien betreffenden europäischen Antidiskriminierungsgesetze, die Erleichterung der Embryonenforschung etc. Ein neues Kampfmittel musste her! Anfang 2008 wurde deshalb innerhalb der Initiative „Europa für Christus!" die Aktion "Christianophobie in Europa" zunächst in englischer Sprache gestartet.

Christianophobie versteht sich als ein Observatorium der Unterdrückung und Diskriminierung des Christentums in der EU und den OSCE-Ländern Europas. Ziel ist es, „den EU- und OSCE Staaten, den Europarat, die Vereinten Nationen und andere Institutionen mit Daten über das Phänomen von Christianophobie in Europa zu versehen. Die Informationen sollten helfen, passende Maßnahmen innerhalb ihrer jeweiligen Kompetenzbereiche zu ergreifen."

Auf der Website wird Christianophobie als irrationale Furcht vor oder Hass gegenüber Christen oder dem Christentum im Allgemeinen gehandhabt. Frau Dr. Gudrun Kugler, Initiatorin der Webseite, sagt dazu: „Der Begriff beinhaltet auch anti-christliche Voreingenommenheit und manifestiert sich in der schrittweisen Marginalisierung von Menschen mit christlichen Überzeugungen." Es werden dort alle Fälle welche z. B. die angebliche Verspottung oder Verhöhnung des christlichen Glaubens, die Entfernung christlicher Symbole oder das Verbot, diese selbst zu tragen, sowie auch Angriffe auf den Glauben in Film und Fernsehen gesammelt.

Angriffe auf die Laizität

Zugleich wird offensiv der europäische Laizismus bekriegt. Joseph Weiler, jüdischer Professor für Völkerrecht an der New York University, schreibt z. B. „Der europäische Laizismus ist, im Gegensatz zum amerikanischen Säkularismus, nicht einfach nur ein ‚Ich glaube nicht an Gott', sondern eine Art Glaube für sich. Es handelt sich um eine aktive Feindseligkeit gegenüber der Religion, im Fall Europas gegenüber dem Christentum." Bischof Hilarion Alfeyev, Repräsentant des Moskauer Patriarchats für die europäischen Organisationen, beschuldigt die Europäische Union, anti-christliche Diskriminierung in EU-Mitgliedsländern zu ignorieren: „Im Beharren auf Toleranz verurteilen EU-Spitzen Islamophobie und Antisemitismus, ignorieren aber allzu oft verschiedenste anti-christliche Praktiken."

Neuerdings wird bei Christ Net der wirkliche Tatbestand in Europa sogar zu einem Gespenst umgekehrt: Die gute Laizität wird durch den bösen Laizismus bedroht. „Wer hat denn die Laizität erfunden, wenn nicht ein Mann namens Jesus, den die Christen Christus oder Messias nennen? Die Evangelien berichten uns: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gott gehört." (Mt 22,21; Mk 12, 16 und Luk 20,25). Jesus sagt außerdem zu Pontius Pilatus: „Mein Königreich ist nicht von dieser Welt." (Joh 18, 36). Vor ihm war die Unterscheidung zwischen Politik und Religion undenkbar, sowohl bei den Juden, als auch bei den Griechen und Römern. So, wie der Dogmatismus der Feind des Dogmas ist, so ist der Laizismus der Feind der Laizität. (...) Der Laizismus bringt einen militanten Atheismus hervor, der sich den politischen Institutionen aufdrängt. Er bringt ein atheistisches Denksystem hervor, das die alleinige Gültigkeit und Anerkennung durch die Politik fordert. Seine Idee der „Neutralität" beruht auf dem Postulat des Atheismus. Er nimmt folglich von Anfang an eine anthropologische Position ein und wird somit dem wahren Prinzip der Neutralität untreu, um stattdessen in eine Art Bekehrungseifer zu verfallen. Der Laizismus respektiert auch die religiöse Neutralität der politischen Institutionen nicht. Er erhebt die Laizität ins Absolute. Er missachtet die Rangordnung von Mittel und Zweck"

Laizismophobie ist die wahre Gefahr für Europa

Die gespenstische Begriffsmissionierung scheint Erfolg zu haben. So hat der ungarische Kardinal-Primas Peter Erdö bei der Eröffnung der Vollversammlung des "Rates der Europäischen Bischofskonferenzen" (CCEE) in Oktober alle Formen von "Christianophobie" verurteilt. Dies gelte auch für den Medienbereich, wo es immer wieder zu Phänomenen der "Verleumdung, der Desinformation und der Sensationsgier" zulasten der Kirche und der Christen komme, sagte der CCEE-Vorsitzende. Die Kirche müsse in die Ausbildung von Personen investieren, die gegenüber den Medien kritikfähig sind und dazu beitragen können, dass "in den Medien ein authentisches Bild der Kirche und nicht eine Karikatur sichtbar wird". Alle Formen von Diskriminierung und Intoleranz gegenüber den Christen sowohl in Europa als auch in der ganzen Welt müssten von der internationalen Gemeinschaft bekämpft werden. Allzu oft werde Religionsfreiheit als "Befreiung von der Religion" missverstanden. Dahinter stehe eine Weltanschauung, die die transzendente Dimension der menschlichen Person leugnet und in der Folge auch die öffentliche Dimension der Religionsfreiheit, sagte der CCEE-Vorsitzende.

Und auch die UNO-Menschenrechts-Kommission in Genf verwendet bereits den Begriff Christianophobie analog zu Antisemitismus und Islamophobie. Der Gebrauch des Begriffes ist sogar für den Gebrauch in der UNO-Generalversammlung vorgeschlagen worden.

Es ist dringend an der Zeit, dass die humanistischen, laizistischen und freigeistigen Kreise Europas auf diese erneute Offensive der Kirchen reagieren. Nicht das Christentum wird in Europa diskriminiert und vielerorts verfolgt, sondern die nichtkonfessionellen und atheistischen Weltanschauungen. Die Christianophobie ist ein Gespenst, die Laizismophobie eine konkret bestehende Bedrohung Europas. Also gerade hier: Ein angebrachtes Verteidigungsmittel muss her! Nur eine Vernetzung der tangierten Organisationen auf europäischer Ebene zur Schaffung eines Observatoriums der Diskriminierung und Verfolgung der Laizität mit einer offensiven politischen Wirkung kann die Bedrohung der Christianophobie neutralisieren.

Die Gründung einer analogen europäischen Initiative zur Abwehr der Diskriminierung nichtkonfessionellen Menschen und Organisationen ist jetzt dringend notwendig.

 

R. Mondelaers

Anhang: Weiterführende Literaturhinweise

1. Sources by International Organisations, the EU and national Governments: The European Union Agency for Fundamental Rights (FRA). A very comprehensive report on xenophobia and racism.

2. A Trend analysis from 1997 - 2005

3. Council of Europe: Very detailed website on the CoE's activities on racism and intolerance

4. United Nations: Combating Racism and Racial Discrimination in Europe

5.‘A call for respect and calm', Jorge Sampaio (UN High Representative for the Alliance of Civilizations)

6. United Nations Alliance of Civilizations

7. Official website of the European Union Agency for Fundamental Rights (FRA):

8. Summary Report on Islamophobia in the EU after 11 September 2001:

9. Antisemitism Summary overview of the situation in the European Union 2001-2005 (updated version January 2008):

10.EU foreign ministers condemn Dutch film on Islam

11. Christianophobia website by the NGO Europe for Christ

12. The Media: Article on the Commission's efforts to introduce anti-discrimination legislation

13. The International Herald Tribune on racist crimes in Europe

14. Think Tanks and NGOs: European Network against Racism: Discussion of "positive action" measures

15. Official website of Human Rights First

16. Antisemitism: 2007 Hate Crime Survey

17.Islamophobia: 2007 Hate Crime Survey

18. ‘Addendum 4, Defamation of religions and global efforts to combat racism: anti-Semitism Christianophobia and Islamophobia'. Report submitted by Mr. Doudou Diène, Special Rapporteur on contemporary forms of racism, racial discrimination, xenophobia and related intolerance

19. IHEU: The War on Human Rights