Krawallatheisten III: Die dunkle Bedrohung

Was ist Religion? Ist sie ein Teil unserer Natur oder können wir sie überwinden? Und warum sollte man Endzeitgläubige nicht mit Atomwaffen ausstatten? Spannende Fragen, die eine klare Antwort erfordern.

 

Ein Kommentar von Andreas Müller

 

Die unverschämte Einleitung

Vorweg ein Hinweis: Auf die Problematik des „gerechten Krieges“ werde ich entgegen der Ankündigung in Krawallatheisten II an anderer Stelle eingehen, dafür ausführlicher.

Wir leben in einer Zeit der tiefsten Krise. Der Berliner HVD-Landesvorsitzende Bruno Osuch versicherte nämlich laut hpd, „dass niemand von ‚Pro Ethik‘ gegen Religion oder gegen die Kirche eingestellt sei.“

Da freut man sich seines Lebens, William Wordsworths einsame Wolke tanzt noch im Geiste über den geliebten Osterglocken, und plötzlich schaut man beim hpd rein und muss lesen, dass es jemanden da draußen gibt, der 250 Jahre nach der Aufklärung noch immer kein Problem mit der Kirche, geschweige denn eines mit der Religion hat! Immer diese Hiobsbotschaften an schönen Dienstagsabenden. Es gibt selbst Gläubige, die gegen die Kirche eingestellt sind. Welch schreckliche Katastrophe muss denn geschehen sein, dass sogar die Atheisten unter den Pro-Ethikern nicht gegen die Kirche eingestellt sind?

Weiter heißt es von Herrn Osuch in dem Bericht: „Insofern seien die Darstellungen von ‚Pro Reli‘ in den vergangenen Tagen, dass der HVD religionsfeindlich sei, schlicht infam.“

Da muss ein Missverständnis vorliegen, kann man den Vorwurf der Religionsfeindlichkeit doch nur als großes Kompliment verstehen. Religionsfeindlichkeit und Menschenfreundlichkeit sind schließlich zwei Seiten der selben Medaille.

Lob des Antitheismus

Der Antitheismus ist mit keiner bestimmten politischen Haltung verbunden und sein Ziel ist bescheiden: Er möchte nur, dass Religionen und Ideologien für immer von diesem Planeten verschwinden, bevor sie uns auslöschen.

Wie beim Atheismus wird die Existenz Gottes verneint. Es gibt jedoch Atheisten, die sich wünschen, die Heilsgeschichten der Religionen wären wahr und die es bedauern, nicht daran glauben zu können. Der Antitheismus dagegen steht in Opposition zur Religion und hält die Erfindung Gottes nicht nur für eine falsche, sondern auch für eine schlechte Idee.

Die in sechs Tagen erschaffen wurden

39% der Deutschen sind Anhänger von Intelligent Design oder Kreationismus (siehe auch hier). 12% sind echte Hardcore-Kreationisten – das ist fast jeder achte Deutsche! Sie glauben, dass Gott durch die Aussprache einer magischen Formel alle Lebensformen erschaffen hat, wie es in der Bibel steht.

Unter Atheisten gibt es eine beständige Debatte darüber, „ob die das wirklich glauben“. Wir halten nämlich viel von der Vernunftfähigkeit des Menschen. Doch sollten wir auch die menschliche Irrationalität nicht unterschätzen. Die stabilste Gesellschaft, die jemals existierte, war nämlich gleichzeitig die religiöseste.

Die altägyptische Doppelherrschaft von Priesterklasse und Pharaonentum übte 3000 Jahre lang eine praktisch unveränderte und unhinterfragte Macht über die Bewohner Ägyptens aus. Für die alten Ägypter war so gut wie alles heilig, hinter jedem Stein lauerte ein weiterer Gott. Neben religiösen teilten sie auch esoterische und magische Glaubensvorstellungen. Man könnte die alten Ägypter mit einigem Recht als die abergläubischste Gesellschaft bezeichnen, die es jemals gab – und keine existierte so lange wie sie.

Wissenschaft und kritisches Denken dagegen sind junge Errungenschaften. Ihre Voraussetzungen sind eine Bildung und ein gesellschaftlicher Diskurs, die frei sind von religiöser und ideologischer Vereinnahmung. Sie bilden den Kern der modernen Zivilisation. Ihre Förderung und Verbreitung gehören zu den primären Aufgaben des liberalen Rechtsstaats. Postmoderne Beliebigkeit („Frauen steinigen ist eine dem Muttertag gleichwertige Tradition“) gefährdet dieses Ziel ebenso wie religiöser Fundamentalismus.

Auch wenn jeder das Recht hat, das Essen der verbotenen Frucht vom Baum der Erkenntnis für das schlimmste Verbrechen aller Zeiten zu halten, so würde diese Gesellschaft sofort zu Grunde gehen, wenn es tatsächlich jeder glauben würde. Der Kreationismus ist dabei nur die Spitze eines Eisbergs und dieser Eisberg heißt „Religion“. Leider spielt die Menschheit in diesem Bild die Rolle eines Passagiers der Titanic und Kapitän Smith steuert direkt auf den Eisberg zu.

Was ist Religion?

Religion ist ein soziales System. Ein Mensch, der einen Gott anbetet, den außer ihm niemand anbetet, ist dieser Definition zufolge nicht religiös. Die Grundlage der Religion ist das Bekenntis des Glaubens an eine übernatürliche Wesenheit (oder mehrere solcher Wesenheiten), die man gemeinhin „Gott“ nennt (in der Forschung schließt man oftmals auch Ahnen, Geister, etc. in die Definition mit ein, die ich hier jedoch außen vor lasse). Die Mitglieder einer religiösen Gemeinschaft streben das Wohlwollen Gottes an, indem sie seine Gebote befolgen und indem sie ihn mit Hilfe magischer Rituale (Beten, Opfergaben) verehren.

Die göttlichen Gesetze sind das Produkt einer bestimmten Zeit und bestimmter gesellschaftlicher Bedingungen, werden von Gläubigen jedoch auf Gott übertragen und erlangen dadurch unbegrenzte Geltung. Wie die Religionen allgemein sind sie (dem Ideal nach) unveränderlich und der Kritik verschlossen. Ihre Einhaltung wird von Priestern und von den gläubigen Mitgliedern der jeweiligen Religionsgemeinschaft überwacht. Die in „heiligen“ Büchern notierten göttlichen Gesetze werden nicht nur auf die eigene Gemeinschaft bezogen, sondern verabsolutiert. Sie stammen nämlich, so meint man zu wissen, vom Schöpfer und Lenker des Universums – Es ist schon erstaunlich, was Religiöse alles zu wissen meinen.

Der Hessische Rundfunk hat in einer Radiosendung Kinder gefragt, ob sie an Gott glauben und eines der Kinder antwortete: „Ich glaube, dass der Gott ein Junge ist und dass er 43 ist.“ Natürlich muss man sich nicht daran stören, wenn Kinder auf fantasievolle Weise über dieses Thema spekulieren. Aber dieses exakte Wissen (er ist 43 Jahre alt) über Gott, ohne jegliche Belege, ohne jeglichen Grund, das überhaupt anzunehmen, behaupten ja nicht nur Kinder zu besitzen, erwachsene Gläubige sind keinen Schritt weiter! Woher wollen Katholiken zum Beispiel so genau wissen, dass Maria in den Himmel gefahren ist (was ja nicht einmal in der Bibel steht)? Die Fähigkeit, von komplett aus der Luft gegriffenen Dingen felsenfest überzeugt zu sein, ist von fundamentaler Bedeutung für das religiöse Selbstverständnis.

Sind wir von Natur aus religiös?

Ist Religion, die gemeinschaftliche Verehrung übernatürlicher Wesen, ein Produkt der Evolution? Manche Evolutionsbiologen, zum Beispiel David Sloan Wilson, vertreten diese Theorie. Angeblich habe Religion einen adaptionistischen Vorteil. Sie trage zur Anpassung an unsere Umweltbedingungen bei und erhöhe die Fitness, führe also zu mehr fruchtbaren Nachkommen. In diesem Fall könnte man sie mit der Musik vergleichen und die Religiosität (die Fähigkeit/Neigung zu religiösem Handeln) wäre genausowenig aus der Welt zu schaffen wie unsere Musikalität (die Neigung, Musik zu machen oder sie passiv zu genießen; die „rhythmische Ergriffenheit“). Es gäbe ebensowenig Menschen ohne Religion wie es Menschen ohne Taktgefühl gibt. „Wahrer“ Atheismus wäre allenfalls als eine Krankheit oder als eine Mutation zu erklären.

Die andere Möglichkeit besteht darin, dass Religion ein Nebenprodukt bestimmter adaptionistischer Verhaltensmerkmale ist. Diese Nebenprodukt-Theorie wird zum Beispiel von Richard Dawkins vertreten. Er argumentiert, dass unsere Neigung, nach Mustern zu suchen, oder unsere Neigung, im Kindesalter auf unsere Eltern zu hören, von evolutionärem Vorteil sind. Diese natürlichen Tendenzen (und weitere) können von einem „Memplex“, einer Gruppe von Ideen, infiziert werden, der unsere angeborenen Verhaltensmerkmale für seine eigenen Zwecke ausnutzt. Sind wir von ihm infiziert, sehen wir Muster, wo keine sind (göttliche Zeichen, Heilspläne) und verehren Wesen, die nicht existieren (Götter).

Allerdings ist Religiosität in diesem Modell keine Krankheit und keine Mutation wie es der Atheismus im adaptionistischen Modell ist. Religiosität ist hier durchaus natürlich in dem Sinne, dass wir von Natur in der Lage sind, religiös zu sein. Dieses Modell erfordert allerdings zusätzlich eine kulturelle Motivation, nämlich die Infektion durch den Memplex (die Glaubensinhalte), sowie einen mangelnden Willen, diesen Glauben mit Hilfe der Vernunft einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Im obigen Beispiel können wir feststellen, dass die alten Ägypter von Pharao und Priesterklasse mit einem Memplex infiziert wurden und nicht die intellektuelle Anstrengung aufbieten wollten, sich diesen einmal kritisch anzusehen. 3000 Jahre lang. Und wenn wir Gläubige heute nicht herausfordern, dann werden sie diese infantile Praxis beibehalten.

Was bedeutet das für die Religionskritik?

Sollte die adaptionistische Theorie wahr sein, dann werden die Menschen für immer übernatürliche Wesen anbeten. Einige Religionskritiker machen sich hier Illusionen und meinen, die Kultur wäre vielleicht stärker, aber das einzige, was die Aufklärung in diesem Fall tun könnte, wäre die schlimmsten Auswirkungen der Religion zu dämpfen, indem sie das Gottesbild besänftigt. Mit Hilfe unserer Kultur könnten wir unsere Religiosität so wenig überwinden wie unsere Musikalität.

Antitheisten, die eher zur Nebenprodukt-Theorie neigen, existieren für Adaptionisten eigentlich gar nicht, wie der Religionswissenschaftler Michael Blume ausführt: „Religiöses Verhalten ist eine Universalie. Sie lässt sich nicht unterdrücken und ist auch in Gesellschaften zu finden, die sich für atheistisch halten.“ Er weist zum Beispiel auf Begräbnisrituale hin, die es auch bei Atheisten gibt, umschreibt die Religiosität sogar mit der „Freude am Ritual“. Meiner Einschätzung nach kann man auch ohne Gott Tote vergraben, aber das ist offenbar kein Konsens in der Forschung. Herr Blume meinte allerdings, dass ich kein Mutant sei, also muss ich in meinem Unterbewusstsein insgeheim übernatürliche Wesen verehren, was ich allerdings bezweifle. Auf jeden Fall wäre es in der Tat sinnlos, die Religion fundamental abzulehnen und sie zu bekämpfen, wenn sie ohnehin niemals verschwinden wird.

Der Mensch, eine Marionette?

Wenn die Religion dagegen im Kern das Ergebnis eines Vorgangs namens „Nicht-Denken“ ist, dann können wir sie überwinden. Meiner gewagten Theorie zufolge besitzen Menschen ein Gehirn, das sie benutzen können, um ihren Glauben zu hinterfragen und ihn gegebenenfalls aufzugeben. Niemand ist ein Sklave seiner Religionsgene. Wir werden nicht von unsichtbaren Kräften wie Marionetten gespielt und wir müssen auch nicht an einen Gott glauben.

Es gibt einen weiteren Memplex, der uns einreden möchte, dass wir unser Weltbild gar nicht hinterfragen können, weil wir stattdessen Sklaven finsterer Mächte sind. Seit dem Wiener Quacksalber Sigmund Freud glauben viele gebildete Menschen, dass wir auf eine sehr radikale Weise nicht Herr im eigenen Hause sind. Wir erfinden demzufolge allerlei Rechtfertigungen für unser Verhalten, aber unsere „wahren“, unbewussten Beweggründe sehen ganz anders aus. Zum Beispiel schreibe ich gerade eine Polemik gegen eine Pseudowissenschaft namens „Psychoanalyse“, um die Allgemeinheit auf ihre Unsinnigkeit hinzuweisen und um die Emanzipationsfähigkeit des Menschen zu verteidigen. Psychoanalytiker würden mir jedoch versichern, dass ich all das nur darum schreibe, weil ich meinen Vater umbringen und meine Mutter heiraten will, obwohl mir mein hinterlistiges Bewusstsein einredet, ich würde keinerlei Tendenzen in diese Richtung verspüren. Fakt ist auf jeden Fall, dass die Idee, wir würden von dunklen Mächten beherrscht, viel zu weit geht.

Zwar können wir die Grenzen physikalischer Gesetze nicht durchbrechen, doch verfügen wir über einen gewissen Handlungsspielraum innerhalb der natürlichen Ordnung. Zwar ist unser Wille nicht frei, aber das bedeutet nicht, dass er nicht existieren würde und das bedeutet auch nicht, dass die Ursachen für unsere Entscheidungen stets von den Gründen abweichen würden, die uns bewusst sind. Wie der Neuropsychologe Steven Pinker betont, sind unsere bewussten Entscheidungen und Überlegungen meist sehr wohl auf die Weise zustande gekommen, wie wir uns das vorstellen.

Das berühmte Libet-Experiment sagt keineswegs aus, dass wir nicht in der Lage sind, individuelle Entscheidungen zu treffen und dass unsere Handlungen immer nur mysteriöse, unerforschliche Ursachen hätten. Wir brauchen sehr viel mehr Experimente, um die Grundlagen unserer bewussten Entscheidungen zu erforschen. Bis dahin sage ich, dass es meist eben doch so ist, wie es zu sein scheint. Wenn ich mir jetzt also einen Kaffee mache, dann tue ich das, weil ich einen trinken möchte und nicht weil ein unsichtbarer Dämon in meinem Blut schwimmt, der auf Koffein steht.

Atheistische Religionen

Der HVD-Präsident Horst Groschopp geht in seiner unterstützenswerten Aufforderung, eine Bestandsaufnahme der säkularen Organisationen anzufertigen, kritisch auf meine Kommentare ein. So schreibt er: „Wenn also – wie es im hpd in Kommentaren mitunter geschieht – pauschal Atheismus und Religionen entgegengesetzt werden, dann wird nicht nur definitorisch verkannt bzw. verbändepolitisch nicht beachtet, dass es auch atheistische Religionen gibt, und dass Mitglieder des KORSO sich säkular-religiös verstehen.“

Ich denke zunächst einmal nicht, dass man etwas definitorisch „verkennen“ kann. Es ist aber sicherlich der Fall, dass wir unterschiedliche Definitionen von „Religion“ und „Atheismus“ verwenden. Geht man von meinen Definitionen aus, die in der Religionswissenschaft und Soziobiologie gebräuchlich sind, dann kann in der Tat nicht die Rede sein von „atheistischen Religionen“. Eine solche Konstruktion entspräche der aus dem Volksmund bekannten „grünen Bank, die rot angestrichen war“.

Wenn es bei den Religionen um die Verehrung übernatürlicher Wesenheiten geht, von deren Existenz Atheisten, also Nicht-Gottgläubige, ja gar nicht ausgehen, dann gibt es keine atheistischen Religionen. Es sei denn, dass diese Atheisten etwas verehren, von dem sie wissen, dass es nicht existiert, wie es Kant zwecks Erhaltung der allgemeinen Moral einforderte. Das allerdings finde ich reichlich albern und es gibt auch kaum jemanden, der so etwas tut.

Davon abgesehen sprechen Philosophen wie Michael Schmidt-Salomon von „religiöse[n] Atheisten“, wenn es um Leute geht, die den Atheismus auf eine Weise vertreten wie Religiöse es mit ihren Glaubenssätzen tun, die etwa davon überzeugt sind, dass es ohne Religion keine Kriege und kein Leid mehr auf der Welt gäbe (was ich für Unsinn halte). Der Begriff hat also einen negativen Klang und ist insofern niemandem wirklich anzuempfehlen.

Gott will es

Wer glaubt, das sein Gott der einzig wahre ist und sein Buch das einzig heilige (gewiss eine Minderheit in Deutschland, aber keineswegs überall auf der Welt), für den gelten keine weltlichen Regeln mehr und der verhält sich auch nicht ethisch. Ihn kümmern die Menschen und ihre Interessen nicht. Ihn kümmert nur, was Gott von ihm verlangt. Ein wahrhaft Gläubiger ist im Auftrag des HERRN unterwegs, den Religiöse genau darum groß schreiben, weil es nichts Größeres und Wichtigeres für sie gibt, ganz bestimmt keine kleinlichen, irdischen Erwägungen, was richtiges und was falsches Verhalten sei.

In der Tat: Warum sollten die vorrübergehenden Gesetze eines kleinen, säkularen Staates einen Gläubigen kümmern, der in kosmischen Maßstäben denkt, der die Hauptrolle zu spielen meint in einer großen Erzählung und der überzeugt ist, dass ihm bei Nichtbeachtung göttlicher Gebote ewige Höllenqualen drohen? Was sind ein paar Jahre Gefängnis gegen nie endende Folter? Es ist gar nicht so unvernünftig, sich für seinen Glauben in die Luft zu sprengen oder Ehebrecherinnen auf Gottes Anordnung hin zu steinigen, wenn man im Gegenzug nicht als ewig blutiges Steak auf einem unterirdischen Grill landet. Unvernünftig ist es, so etwas überhaupt zu glauben.

Einmal Armageddon, bitte?

Der Antitheismus ist heute im Zeitalter der Atombombe so wichtig wie niemals zuvor. Ein beträchtlicher Teil der Muslime und auch der Christen auf diesem Planeten glaubt nämlich, dass bald ihr Erlöser auf die Erde kommen wird, um das Ende der Welt einzuleiten. Für Christen bedeutet das die Rückkehr von Jesus Christus, wie in der Offenbarung angekündigt. Für die muslimischen Anhänger der Zwölfer-Schia meint es die Ankunft des zwölften Imam, dem Nachfolger Mohammeds, der gemeinhin als „Mahdi“ bekannt ist (allerdings finden sich auch von diesem unabhhängig Untergangsszenarien im Koran, die dem christlichen Endgericht sehr ähnlich sind). Nicht nur glauben sie an das nahe Ende der Welt, sondern sie freuen sich darauf und einige von ihnen arbeiten sogar eifrig an dessen Beschleunigung, um früher mit allen wahren Gläubigen, ob tot oder lebendig, in den Himmel zu kommen und die bösen Atheisten in der Hölle brutzeln zu sehen. Bill Maher bringt es am Ende seiner Dokumentation Religulous auf den Punkt (am 2. April 2009 in deutschen Kinos):

„Die Ironie besteht darin, dass die Welt aufgrund der Macht der Religion, die Menschen zu zerstörerischem Verhalten zu beirren, tatsächlich enden könnte. [...] Die schlichte Tatsache ist: Die Religion muss sterben, damit der Mensch leben kann. Es ist fast zu spät, um noch immer Nachsicht zu zeigen, wenn es darum geht, religiöse Menschen, Irrationalisten, Schlüsselentscheidungen treffen zu lassen, Menschen, die das Staatsschiff nicht mit Hilfe eines Kompass steuern, sondern mit dem modernen Äquivalent zum Lesen der Eingeweide eines Huhns. [...] ‚Glaube‘ bedeutet, eine Tugend aus dem Nicht-Denken zu machen. Das ist nichts, womit man angeben sollte.

Und diejenigen, die den Glauben predigen, ihn ermöglichen und hervorheben, sind intellektuelle Sklavenhalter, welche die Menschheit in Abhängigkeit halten zu Fantasie und Unsinn, die schon so viel Wahnsinn und Zerstörung hervorgebracht haben. Religion ist gefährlich, weil sie Menschen, die nicht alle Antworten haben, erlaubt zu glauben, dass sie sie hätten. [...] Das ist der Grund, warum Rationalisten, antireligiöse Menschen, sich outen müssen und anfangen müssen, aufrecht zu gehen.

Und diejenigen, die sich als nur moderat religiös betrachten, müssen wirklich einmal in den Spiegel schauen und einsehen, dass sie für den Trost und die Bequemlichkeit, die Religion mit sich bringt, tatsächlich einen hohen Preis bezahlen müssen. [...] Wenn Sie einer politischen Partei oder einem Verein angehören würden, der mit so viel Eifer, Frauenfeindlichkeit, Homophobie, Gewalt und schierer Ignoranz verbunden wäre, wie es die Religion ist, dann würden Sie aus Protest austreten. Wenn Sie etwas anderes tun, dann sind Sie ein Ermöglicher, die Frau eines Mafia-Bosses, denn die wahren Teufeleien des Extremismus beziehen ihre Legitimität von ihren Milliarden Mitläufern.

Falls die Welt untergeht [...] oder wenn sie in die Zukunft kriecht, dezimiert von den Effekten eines religionsinspirierten nuklearen Terrorismus, dann erinnern wir uns daran, was das Problem war: Dass wir gelernt haben, wie man Massenvernichtung herbeiführt, bevor wir die neurologische Störung hinter uns gebracht haben, sie uns zu wünschen. So sieht es aus: Werdet erwachsen oder sterbt.“

Andreas Müller

 

Die Neuen Atheisten
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