Religiöse Polarisierung durch ProReli

BERLIN. (hpd/HAB) Gestern Abend fand die Veranstaltung der Humanistischen Akademie Berlin '"ProReli" stoppen – das "Berliner Modell" verteidigen' statt. Die Eröffnungsrede des Akademiepräsidenten Prof. Dr. Frieder Otto Wolf „Die religiöse Polarisierung in Berlin durch das Volksbegehren ‚Pro Reli’“ steht jetzt auf Youtube.

In dieser Rede ordnet Wolf die Kirchenkampagne politisch ein. Er erklärt, warum die Benutzung des Freiheitsbegriffs im historischen Kontrast zu dem steht, was Pro Reli tatsächlich erreichen will: den stärkeren Einsatz des Staates für die egoistischen Interessen besonders der evangelischen Kirche. Sie wolle ihre schwindende Macht mit Hilfe des Staates absichern. Das genaue Gegenteil als Freiheit wäre das Ergebnis, wenn das Gesetz durchkäme.

Die Rednerin von „Christen für Ethik“, Iris Mücke, langjährige Religionslehrerin in Berlin und anderen Bundesländern, brachte ihre Erfahrungen und christliche Argumente für Pro Ethik in die Debatte ein. Wilfried Seiring, Direktor des Ausbildungsinstituts für Humanistische Lebenskunde, ehemaliger Leiter des Landesschulamts Berlin, begründete, warum der Humanistische Lebenskundeunterricht das Berliner Modell verteidigt. Klaus Eberl, Religionswissenschaftler, Dozent in den Ausbildungsgängen für Ethik-, LER- und Lebenskundelehrer/-innen, gab eine historische Einordnung dieses Kulturkampfes und nannte verfassungsrechtliche Gründe für einen verbindenden Ethikunterricht. Jaap Schilt, Bildungsreferent beim Humanistischen Verband Berlin, ordnete das „Berliner Modell“ in die europäische Debatte ein und verglich es mit einigen anderen europäischen Ländern. Das Fazit war: Auch hier will „Pro Reli“ das Geschichtsrad aufhalten. Deutschland bildet mit seinem System der „hinkenden Trennung von Staat und Kirchen“ gemeinsam mit Österreich inzwischen das Schlusslicht in Europa.

In der Debatte nutzten viele Teilnehmer/-innen die Gelegenheit zum Nachfragen bzw. zum Abgeben politischer Stellungnahmen. Gerhard Weil, Sprecher des „Bündnis Pro Ethik plus Religion“, selbst Gewerkschafter, entlarvte die Lüge, dass Religion als Wahlpflicht Arbeitsplätze für Religionslehrer sichere und die Religionslehre verbessere. Das Gegenteil sei der Fall, denn bei einem Sieg von „Pro Reli“ würden große Klassengruppen entstehen, in denen Diskussionen schwer möglich wären. Andere Redner verwiesen darauf, dass ganze Regionen Berlins einseitig religiös „besetzt“ würden, etwa durch Muslime in Neukölln oder Kreuzberg, was Eltern anderer Kinder und anderer Bekenntnisse garantiert zu einem Schulwechsel veranlassen würde. Was die Kirchen hier vorhätten, sei letztlich unverantwortlich gegenüber dem Frieden in der Stadt.

In der Debatte versicherte der Versammlungsleiter, Dr. Horst Groschopp, in seine Rolle als Präsident des HVD wechselnd, den „Christen für Ethik“ die feste Absicht des HVD, das Bündnis für „Ethik und Religion“ ehrlich mit zu tragen. Es sei keine versteckte atheistische Kampagne, sondern Muslime, Juden, Christen, Humanisten und Atheisten wollen, dass der Ethikunterricht bleibt. Bei dieser Gelegenheit erinnerte er an den historischen „Kulturkampf“ von 1872 bis 1888 und fragte, ob die heutige FDP ihre Geschichte vergessen habe und ihren großen Vorfahr Rudolf Virchow, von dem der Begriff stamme.

Die Tagung, obwohl in einem großen Kellerraum stattfindend (was dem Video eine besondere ästhetische Note gibt), leistete einen Beitrag zum Optimismus. Man kann sagen, aus dem Dunkel zum Licht. Die Armut der Kampagne gegenüber „Pro Reli“ soll ausgeglichen werden mit persönlichem Einsatz und der gemeinsamen Überzeugung, den Anmaßungen „radikaler Christen“ (so Wolf) zu begegnen. Es gelte, das zur Abstimmung aufgerufene Volk aufzuklären über die Wahrheiten zu „Pro Reli“.

(Auch die anderen Beiträge und Teile der Debatte sollen demnächst per Video öffentlich zugänglich sein.)

GG