Schüler müssen ins Gespräch kommen

BERLIN. (hpd) Die Initiative Christen pro Ethik, die sich Anfang April bereits an die Synodalen der evangelischen Landeskirche gewandt hatte, veröffentlichte jetzt einen Offenen Brief an die katholischen Gemeinden in Berlin, in dem sie für eine offene Debatte wirbt.

 

Die Initiative Christen pro Ethik hat ihrem Offenen Brief an die katholischen Gemeinden in Berlin ein Zitat aus einer Rede des Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken vorangestellt: „Nichts liegt mir ferner als ein Verständnis von Kirche, die bei politischen Fragen als geschlossene Kolonne durchs Land laufen muss.“

In der innerkirchlichen Debatte setzt die Initiative sich mit großer Beharrlichkeit für den Erhalt des verpflichtenden Ethikunterrichts ein. Dafür nennt sie vorrangig zwei Gründe.

„Zum einen halten wir dieses Fach für einen viel versprechenden Weg, mit Jugendlichen das Leben in einer freiheitlich demokratischen Gesellschaft einzuüben. Dazu ist es wichtig, dass Schülerinnen und Schüler verschiedenster Religionen und Kulturen miteinander ins Gespräch kommen. Genau das aber wird erschwert, wenn sie sich zwischen Ethik- und Religionsunterricht entscheiden müssen.“

„Es gibt aber noch ein zweites wichtiges Motiv für unser Engagement. Dieses Motiv wurzelt unmittelbar in unserem Glauben und in unserer Verbundenheit mit der katholischen Kirche. Wir sehen mit vielen anderen die großen Veränderungen in unserer Gesellschaft. Auch wenn sich die kirchliche Situation in den verschiedenen Teilen Deutschlands sehr unterschiedlich darstellt, gilt doch überall: Die Katholiken und auch die Christen insgesamt sind nur noch eine Bevölkerungsgruppe unter anderen. In vielen Regionen – so auch in Berlin – sind sie bereits in einer deutlichen Minderheit. Daran wird sich in absehbarer Zeit nichts ändern, denn wir leben in einem Staat, der sich zur Pluralität seiner Bürgerinnen und Bürger bekennt und die Rahmenbedingungen für ein friedliches Zusammenleben so unterschiedlicher Menschen sichern will. In dieser Situation müssen die Kirchen neue Wege finden, ihre Identität zu wahren, sich in die Gesellschaft einzubringen und für die Menschen, nicht nur für die Christen da zu sein.“

Mit diesem Offenen Brief an die katholischen Gemeinden in Berlin setzen die Christen pro Ethik ihren Versuch fort, die Position der Kirchenmitglieder in die Debatte einzubringen, für die sie Anfang April bereits einen Offenen Brief an die Synodalen der evangelischen Landeskirche geschrieben hatten (im Anhang).

Kleine Minderheit? Mitnichten

Diesem Bestreben der Christen pro Ethik wurde seit der Synode der Landeskirche hart widersprochen. Christoph Lehmann, der Vorsitzende der Initiative ProReli hatte in einem Interview im Dezember 2008 geäußert: „Ich sage, es gibt einen klaren Beschluss der evangelischen Synode und der katholischen Kirche [ProReli zu unterstützen]. Deswegen sollten wir kleine Minderheiten in den Kirchen wie "Christen pro Ethik" nicht überbewerten.“

Was derartige, eher formaljuristische Ansichten jedoch übersehen, Lehmann ist Jurist, berührt die Tatsache, dass die Synodalen der evangelischen Landeskirche und die evangelischen Kirchenmitglieder offensichtlich unterschiedlicher Meinung sind. Und hinsichtlich der Christen pro Ethik von einer „kleinen Minderheit“ zu reden, leugnet die Auffassungen der Mehrheit der wahlberechtigten evangelischen Kirchenmitglieder.

In einer forsa-Umfrage von Ende März dieses Jahres zeigte sich, dass auch die evangelischen Kirchenmitglieder nicht homogen in dieser Frage antworten, und sogar mit mehr als zwei Dritteln (69 %) die Beschäftigung mit Religionen in einem „gemeinsamen Fach Ethik“ richtiger finden, als die Trennung der Schüler nach Konfessionszugehörigkeiten.

C.F.