Ein Gespräch mit Max Kruse

Manches Mal sinniere ich, was denn humanistisches Leben tatsächlich bedeutet. Klar - diesseitig - möge es hier gelingen. Es gibt kein zweites Leben… Entschuldige Sie bitte, was sage ich es Ihnen. ...Selbst bestimmt - Ja, was heißt das nun wirklich?

Zu diesen Fragen gibt es keine einfache und kurze Antwort. Ich habe versucht, mich in meinen beiden Büchern „Antworten aus der Zukunft – ein Weg zu neuer Humanität“ und „Gott oder Nichtgott, das ist hier die Frage“ ausführlich zu äußern.

Aktuell: Todesurteile, die an Menschen, an iranischen Bürgern und Bürgerinnen - Morgen am 14.Juli 2009 an zwei jungen Frauen, im Iran lebend, die von der muslimischen zur christlichen Religion konvertierten, vollstreckt werden. Hinrichtungen, über die wir unsere Eltern fragten, warum sie es nicht verhindern konnten … und wir Heute? Was ist zu tun?

Wer das ganze Unrecht der Welt verhindern will, geht selbst zu Grunde. Man kann nur mit den Mitteln, die man hat, und mit dem Kräften, die einem zur Verfügung stehen, versuchen, das äußerste zu tun, um zu bessern, was eben möglich ist. Das ist eine Frage, die durchzieht unser ganzes Leben. Würde jeder in seinem Kreis, und sei er auch noch so klein, human – das heißt liebevoll, menschlich, gütig und hilfreich zu leben, hätte er wohl seine Aufgabe erfüllt.

Danke für diese Orientierung. Wann und wodurch wussten Sie, das der religiöse katholische oder auch evangelische Glaube Sie nicht erreicht hat oder haben Sie sich von ihm verabschiedet? Wann und wie wurden Sie sich Ihrer weltanschaulichen Sonderstellung bewusst?

Keine Ahnung! Ich bin mir nie einer Sonderstellung bewusst gewesen. Religion war in meinem Elternhaus kein Thema – weder positiv noch negativ. Ich begann schon in sehr jungen Jahren am herkömmlichen Gedankengut zu zweifeln und kam mit vielen besonderen Persönlichkeiten in Kontakt, die mich im „Selberdenken“ bestärkten. Ich bin ja auch erst mit fast dreizehn Jahren in der Schweiz , also reformiert, getauft worden - 1934 - ich vermute, meine Mutter hatte die Idee, das könnte mir vielleicht einmal als Schutz gegen die Nazis helfen. Das einzige, etwas trotzige Glaubensbekenntnis meines Vaters lautete: „Ich glaube an den Sinn des Lebens“. Im übrigen huldigte man ziemlich freien, unbürgerlichen Auffassungen, zu denen ja auch die „freie Liebe“ gehörte. Meine Mutter war ein uneheliches Kind, meine ersten drei Geschwister, Mädchen, waren es auch. Als ein Bub geboren wurde, fand es mein Vater hinsichtlich des späteren unvermeidlichen Militärdienstes besser, er wäre „ehelich“. Also wurde nach mehrjährigem Zusammenleben – Ende des 19., Anfang des 20 Jahrhunderts! - geheiratet, was meine Mutter dann wegen der Begründung geärgert hat. Mein Vater war der einzige Bildhauer, dem Nietzsche persönlich, wenn auch krank, zu einer Büste Modell gesessen hatte. Er war von dieser Begegnung tief beeindruckt. „Gott ist tot“ war also für uns alle eine völlig selbstverständliche Aussage. Und in unserem Haus auf Hiddensee, zeitweise eine Pension, verkehrte so ziemlich alles, was Sie sich wünschen können, vom kommunistischen Atheisten und Anarchisten (Fürst Krapotkin) bis zum selbsternannten wiedergeborenen Heiland, der nachts nackt auf den Wiesen tanzte.

War es jemals schwierig für Sie, die nicht religiöse Weltanschauung zu artikulieren?

Nein, nie. Natürlich gibt es Diskussionen, aber das würde ich nicht als Schwierigkeit bezeichnen.

War also nicht einfacher, die gesellschaftlich scheinbar erfolgreichere Position des Kirchgängers zu den besonderen Festtagen wie Ostern‚ Pfingsten etc., Kindstaufen, weiße Hochzeiten, Ein- und Endsegnungen mit zu feiern und einzuhalten?

Ich weiß nicht, täte ich das, wäre ich wohl in meinem Freundes- und Bekanntenkreis ein eher sonderbarer Vogel. So streng nimmt das doch keiner mehr. Natürlich nimmt man aus Freundschaft auch mal an einer konventionellen Familienfeier teil, es hat aber noch niemals jemand von mir verlangt, mich gegen meine Überzeugung zu verbiegen.