Kunst und Kalter Krieg. Deutsche Positionen

Aufarbeitung und Durchbrechen von Tabus

In den 1960er Jahren erst begann die künstlerische und historische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, die mit der Radikalisierung sowohl politischer als auch künstlerischer Gruppen einherging und bis in die 1970er Jahre andauerte. Darum erweist sich eine thematische Trennung zwischen den beiden Jahrzehnten als unmöglich. In der Ausstellung werden sie jedoch durch eine formale Einteilung voneinander abgegrenzt.

Der bis zu den 1960ern geltende Kunstbegriff wurde erweitert, worunter die zunehmende Nutzung neuer Medien durch die Künstler fiel. Die letztgenannte Entwicklung wurde in der Kunst unter dem Begriff der „Zeitgenossenschaft“ gefasst. Zunächst entstand im Westen inspiriert durch die angloamerikanische Pop Art der Kapitalistische Realismus. In der ehemaligen DDR erreichte die Abwertung der nicht-linientreuen Kunst eine rhetorische Nähe zum Vokabular der Nationalsozialisten („entartete Kunst“), während im Westen die Kunst an die aufkommenden Studen-tenbewegung anknüpfte, sodass sich die Künstler dem Trauma der deutschen Vergangenheit zuwandten und anfingen, „deutsche Helden“ und nationale Symbole in Frage zu stellen.

Die Gegenreaktion zum Wirtschaftwunder brachte terroristische Gruppierungen hervor, mit denen sich die Kunst ebenfalls auseinandersetzte. Eine künstlerische Kritik am Kapitalismus blieb nicht aus. Der statische Kunstbegriff wurde aufgebrochen, indem neue Medien, Fluxus, Happening und Körperkunst zum Einsatz kamen: beispielsweise ließ Joseph Beuys Kunst und politische Statements verschmelzen. Eine Vitrine, die er mit urbanem Schutt angefüllt hatte, stellte die Geste eines „Kehraus“ dar, die die Unzufriedenheit der Künstlers sowohl mit den Dogmen des Marxismus wie mit dem westlichen Kapitalismus visualisierte. Wichtige Werke entstanden außerdem um die Zeit des Eichmann-Prozesses sowie der Auschwitz-Prozesse.

Beispielbild
G. Richter, Onkel Rudi
Auch im Osten wurden die neuen Methoden genutzt, wenn auch eher im Verborgenen und unter der Brandmarkung des Unerwünscht-Seins und der staatlichen Repression. Arbeiten jenseits des Dualismus von Abstraktion und Realismus entstanden ebenfalls. Des Weiteren gab es auch westdeutsche Werke wie Gerhard Richters „Onkel Rudi“ (1965), die den Durchschnittsnazi der Auschwitz-Prozesse zeigen sollten, um darauf aufmerksam zu machen, dass alle Deutschen einen Nazi in der Familie hatten. Auch in den Arbeiten ostdeutscher Maler fanden sich Anspielungen auf den Kalten Krieg und Andeutungen über die Auschwitz-Prozesse, wegen der Zensur mussten die Künstler ihre Kritik allerdings verdecken. Sie verwendeten biblische oder mythologische Motive sowie andere verschleierte Parabeln. Die narrative Fotographie der DDR war um diese Zeit pädagogisch, sie sollte die Überlegenheit des sozialistischen Systems anhand von Aufnahmen des Alltags gewöhnlicher Menschen vermitteln. Staatlich geförderte Kunst hatte klar, wortgetreu und allen zugänglich zu sein. Trotzdem machten seit den 1970er Jahren Photographinnen wie Evelyn Richter und Helga Paris private Aufnahmen, die diesem „ästhetischen Auftrag“ zuwiderliefen.

Die Dekonstruktion der Wirklichkeit

Die 1980er Jahre waren in der Kunst des geteilten Deutschland vom wahnhaften Wunsch nach der Aufrechterhaltung des status quo bestimmt. Diese Aufrechterhaltung sollte über das Ideal deutscher Innerlichkeit erreicht werden, welches durch das Wohn-Zimmer repräsentiert wurde. Es verkehrte sich jedoch in bzw. wurde entlarvt als ein „Wahn-Zimmer“. In der ehemaligen DDR wurden um diese Zeit Freiräume künstlerischer und gesellschaftlicher Kritik erkämpft, während auch in der BRD Gegenüberstellungen von Sozialismus und Kapitalismus an Glaubwürdigkeit verloren. Im Osten Deutschland wuchs der politische Widerstand. Zu den non-konformen Darstellungen sind u.a. die Werke von Gundula Schulze Endowy zu rechnen, die Außenseiter, Alter, Armut, Krankheit und generell die Systemverlierer der DDR portraitierte. Auf der anderen Seite hatten am Ende der 1980er Jahre viele Künstler und Künstlerinnen den Einparteienstaat verlassen, sodass es zu einem künstlerischen Vakuum kam. Die dagebliebenen Künstler veranstalteten Happenings, wobei sie ihrer Stimmung durch öffentliche Rasuren, Verletzungen, Schmerzdarstellungen und andere Inszenierungen Ausdruck verliehen.