Aufklärung und Humanismus heute

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Prof. F.J. Wetz / Foto: Dudo Erny, Zug

ZUG. (hpd) Letzte Woche reiste Prof. Dr. Franz Josef Wetz auf Einladung der Freidenker Vereinigung für eine 5tägige Vortragsreihe durch die Schweiz. Nach Basel, Bern und Zürich sprach er am 5.11.2009 im Theater Casino Zug zu einem handverlesenen, aber sehr diskutierfreudigen Publikum.

Das Thema „Gottlos – leben ohne Religion“ passte vorzüglich in die Kontroverse, die wenige Wochen zuvor um die Plakatkampagne „Da ist wahrscheinlich kein Gott“ entbrannt war. Einmal mehr zeigte sich, dass Bürger und Behörden in der sonst doch so liberalen Kantonshauptstadt bis heute Agnostikern und Nichtgläubigen mit Argwohn begegnen.

Die Botschaft der Freidenker prallt hier offensichtlich auf ein tief sitzendes Tabu, was angesichts der fortgeschrittenen Säkularisierung der Gesellschaft und der immer offenkundigeren Plausibilitätskrise der Kirchen erstaunt. Die Gotteshypothese ist in der modernen Forschung irrelevant; so mochte der Referent die theoretischen Grundlagen des Atheismus dann auch nicht erneut durchexerzieren, zumal die Religionskritik seit Hume und Freud kaum grundsätzlich Neues dazu gewonnen hat.

Die Herausforderungen der Sinnlosigkeit

Wie geht der Mensch mit dem Verschwinden der alten Sinnerzählungen und ihrer Verheißungen um? Manche feiern das Diesseits umso mehr, viele tun sich jedoch schwer mit dem Zweifel, dem Verlust der Transzendenz. Da sind jene, die trotz allem am Glauben festhalten, andere huldigen Ersatzgötzen, kultivieren die Jugend, den Erfolg, viele fallen der Esoterik anheim: nach Wetz handelt es sich hier um „aromatische Badezusätze“, mit der man der Kälte einer entzauberten Welt zu entrinnen sucht. Er rät dann auch zum 4. Weg, und verordnet dem Suchenden kurzum eine „Sinndiät“.

Nachdem wir uns im Lichte der modernen Natur- und Geisteswissenschaften nicht weiter als Krönung der Schöpfung, sondern als bloßes Zufallsprodukt der Evolution erkennen, lassen sich unsere Ansprüche und Erwartungen an die Welt nämlich auf ein realistisches Maß herunterpegeln. Erst die Religionen mit ihren Heilsversprechungen wecken ja die Sehnsucht nach einem übergeordneten Grund und Zweck. Wenn wir diese Hoffnungen als unerfüllbare Suggestion verstehen, schwindet das Leiden am „nichtigen“ Leben. Gerade ihre Absurdität und die Unwahrscheinlichkeit ihres Entstehens macht die einzelne Existenz so einzigartig. Der Kosmos ist fortan nicht mehr die in der Spätromantik z. Bsp. von Jean Paul beschworene „Leichengruft“, sondern ein faszinierendes Schauspiel, an dem wir in all unserer Unwichtigkeit teilhaben und uns freuen können.

Ohne Gott ist alles erlaubt...

... und mit Gott erst recht, wie Geschichtsbücher und aktuelle Medienberichte nahelegen! Wenngleich Papst Benedikt XVI gerne auf Dostojewskis Ausspruch zurückgreift, um die Autorität der Theologie zu bekräftigen, wird das moralische Argument für Gott bereits in Platons Frühdialog „Euthyphron“ hinterfragt: Ist etwas richtig, weil Gott es befiehlt, oder befiehlt es Gott, weil es richtig ist? Eine im Numinosen begründete Ethik ist für Wetz entweder beliebig oder überflüssig. Ähnlich wie Immanuel Kant in seiner „Religion innerhalb der Grenzen der Vernunft“, postuliert er eine durch Menschen installierte Ethik ohne metaphysischen Rückhalt oder Dogmen.

Als radikaler Realist kennt er keine „Werte an sich“, jedoch geteilte, vereinbarte Grundsätze, über die sich eine Gesellschaft frei verständigt und für deren Einhaltung es gute Gründe gibt. Sie entspringen elementaren Interessen und Bedürfnissen, die den Menschen gemeinsam sind. Die „Schule der Empfindsamkeit“ schärft die Sensibilität für den andern; sie ermöglicht jenes Wohlwollen dem Nächsten gegenüber, das die Ethik alleine aufgrund ihrer rein appellativen Kraft nicht schaffen kann. Allgemeinverbindliche Normen werden in entsprechenden Gesetzen verbrieft und durchgesetzt.

Anleitung zum Glücklichsein

Franz Josef Wetz hält keine Rezepte feil, was denn nun eine gute Lebenspraxis sei, verweist abschließend auf den Pragmatismus eines Richard Rorty, der die so genannten „vorletzten“ Fragen in den Mittelpunkt rückt: von ihnen hängt ja im Wesentlichen das Gelingen unserer Existenz ab. Mit der Möglichkeit des Scheiterns vor Augen können wir den Sinn in uns finden, akzeptieren, was nicht zu ändern und loslassen, was uns nicht gegeben ist. Im Vertrauen auf den gegenseitigen Beistand und den Trost unserer Mitmenschen lassen sich schwierige Momente mit Würde bewältigen. Ob der Glaube Antworten auf die „letzten Fragen“ zu liefern vermag – diese Ungewissheit lässt der Philosoph achselzuckend im Raume stehen.

Grazia Annen

Prof. Dr. Franz Josef Wetz ist Philosoph und Autor. Er ist Mitglied des Beirates der Giordano Bruno Stiftung und lehrt an der Pädagogischen Hochschule in Schwäbisch Gmünd. Sein Vortrag ist auf der Intersetseite der Freidenker Zentralschweiz abrufbar.

Eine DVD kann bei der FVS-Sektion Zentralschweiz bezogen werden.