Die Privilegien der Kirchen und das Grundgesetz

Foto-Czermak.jpg

Podium: Van Schewick, Samour, Haupt, Kober, Eichhorn / Foto: Czermak

BERLIN. (hpd) Am Wochenende fanden die hochkarätig besetzten 4. Berliner Gespräche über das Verhältnis von Staat, Religion und Weltanschauung statt. Sachthema war „Die Privilegien der Kirchen und das Grundgesetz“. Eingeladen dazu hatten die Friedrich Naumann Stiftung und die Humanistische Union.

Freitag, das Podium zur Eröffnung

Für die Friedrich-Naumann-Stiftung eröffnete Dr. Irmgard Schwätzer die Veranstaltung und stellte sie in den Fragenbereich „Haben die Kirchen unberechtigte Privilegien oder ist es die fördernde Konsequenz des neutralen Staates?“ Sie beantwortete ihre Frage selbst: „Da der Staat keinen Sinn stiften könne, liege die Förderung von Sinn stiftenden Organisationen, wie den Kirchen, im Interesse des Staates.“ Ob atheistische oder humanistische Organisationen diese Sinnstiftung aufbringen könnten, das wäre zu klären. Frau Dr. Schwätzer ist auch Vorsitzende des Domkirchenkollegiums des Berliner Doms.

Für die Humanistische Union begrüßte die Bundesvorsitzende Prof. Dr. Rosemarie Will die Referenten und Zuhörer. Sie bezeichnete die „Berliner Gespräche“ als Forum des kritischen Austauschs über die Rolle der Kirchen in Deutschland. Sie seien bewusst in Kontrast zu beispielsweise den „Essener Gesprächen“ gegründet worden, die kirchenpolitisch besetzt werden. Es soll Raum für eine gleichberechtigte Diskussion sein und auch die bürgerrechtlichen Forderungen der Humanistischen Union voran bringen, die pluralistisch die Rechte des Einzelnen und Religionsfreiheit für alle beinhalten.

Bei dem Podium war zuerst auffallend, dass die angefragten Teilnehmer der katholischen und der evangelischen Kirche abgesagt hatten. Das war aber insofern kein Nachteil, da drei der Podiumsteilnehmer, egal welche Berufsbezeichnung ihnen beigegeben war, explizit die Positionen ihrer Religionsgemeinschaften artikulierten.

Die katholische Position wurde durch den Bundesrichter a. D. Hans-Jürgen van Schewick vertreten, die evangelische durch einen Bundestagsabgeordneten der FDP, den Theologen und Pfarrer Pascal Kober, die muslimische Position durch die Islamwissenschaftlerin und Juristin Nahed Samour. Die Humanistische Union war mit Johann-Albrecht Haupt auf dem Podium. Die Moderation lag bei Alfred Eichhorn vom rbb Inforadio.

Die Positionen wurden sehr schnell deutlich. Auf die Fragen des Moderators, was denn eine ideologische Luftnummer sei, betonte der Katholik, dass das gesamte Thema der Tagung eine Luftnummer sei, denn „welche Privilegien hat denn die Kirche?“ Der Pfarrer bekräftigte diese Auffassung, denn „alle Religionsgesellschaften können sich so verfassen, dass sie die gleichen Rechte wie die Kirchen bekommen.“ Die Einwände des Bürgerrechtlers, und seine erste Aufzählung wichtigster Privilegien, wurde höflich übergangen. Erstens: Was nicht organisiert ist, existiert nicht. Zweitens: Alle haben die Freiheit, sich in die gegebenen rechtspolitischen Strukturen hinein zu organisieren und jeder habe die Freiheit das auch nicht zu tun.

Damit war dann der Beitrag der Muslima obsolet, dass man sich zwar als Religionsgemeinschaft mittlerweile anerkannt fühle, aber der fehlende Körperschaftsstatus und der fehlende Staatsvertrag seien schon ein Problem, und man wolle sich nicht „verkirchlichen“. Wenn den Muslimen Mitgliederstrukturen wesensfremd seien, dann hätten sie sich in der gegebenen Freiheit, es auch völlig anders machen zu können, eben dafür entschieden.

Für die Fachtagung schwante mir nichts Gutes. Auch wenn das selbstzufriedene Lächeln des Pfarrers kein Maßstab sein sollte, er war im Namen des liberalen Veranstalters für das Schlusswort zur Veranstaltung vorgesehen.

Samstag, die Fachtagung

Der Saal im dritten Stockwerk der Urania war erstaunlich gut gefüllt, das hatte ich bei diesem Thema kaum erwartet. Allerdings habe ich allein durch meine Anwesenheit den Altersdurchschnitt gedrückt – und ich bin keine 20 mehr. Ich hatte den Eindruck, dass im Publikum zumeist mindestens ebenso gut mit der Materie Vertraute saßen wie auf dem Podium. Erkannt habe ich Mitglieder des HVD, des IBKA in Berlin, einige GBS-Mitglieder und – wie sich bei den Diskussionen herausstellte, als sich die Fragenden vorstellten – viele Juristen.

Und genau das war mein Problem: man sprach „juristisch“. Selbst ich, der ich beruflich mit diversen Gesetzestexten des Verwaltungsrechtes umgehen muss, hatte oft Schwierigkeiten, den Ausführungen der Dozenten zu folgen. Ich möchte mir nicht vorstellen müssen, wie es Zuhörern erging, die diese Vorbildung nicht haben.

Mit Ausnahme eines Redners bewegten sich die Vorträge auf einem sprachlichen Niveau, das mehr versteckte als offen legte. So blieb vor allem ein Eindruck: Kaum etwas, das als pro oder contra in den einzelnen Diskussionsrunden vorgetragen wurde, kam beim Gegenüber an. Es ist, als lebten die Vortragenden in verschiedenen Welten. Kaum gab es Entgegnungen auf den Vortrag des „Gegners“. Zu fest sind die Positionen, die vertreten werden. Insofern kann man die den Vorträgen folgenden Gespräche kaum Diskussion, sondern eher „Abgeben eines Statements“ nennen.

Was sogar mir aufgefallen ist: die Vortragenden, die den status quo verteidigten, waren alles Professoren. Die, die Positionen der Säkularisierung vertraten, waren immer „nur“ Doktoren und nicht in der Lehre tätig. Wer da eine Auswahl seitens der Veranstalter sieht, wird wohl nicht irren.

Ein paar Sätze zum Inhalt der Vorträge

Im ersten Gespräch „Kirchsteuer – Staatliche Einziehung?“ verteidigte Professor Dr. Korioth die Einziehung der Kirchensteuer durch den Staat, Dr. Wasmuth sprach sich dagegen aus.

Ersterer zog sich in seiner Verteidigung vor allem darauf zurück, dass es sich bei der Kirchensteuer zwar um keine staatliche Steuer handelt, nichtsdestotrotz um eine Steuer, die der Staat Kraft seiner hoheitlichen Rechte einziehen darf. Zumal die Amtskirchen dem Staat für dessen Verwaltungstätigkeit eine Gebühr entrichtet (2 – 4% der eingezogenen Steuer). Es entzieht sich meinem Verständnis jedoch völlig, wenn Prof. Dr. Korioth zur Begründung seiner Auffassung damit argumentiert, dass ja zum einen alle Weltanschauungsgemeinschaften eine der Kirchensteuer entsprechende Einnahme über den Staat einfordern könnten und zum anderen aber keine Weltanschauungsgemeinschaft gezwungen wäre, dies zu tun. Wie das eine Erklärung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sein soll, habe ich jedoch nicht verstanden. Denn es gibt definitiv Gemeinschaften, die dieses Verfahren zur Einziehung von Mitgliedsbeiträgen nicht nutzen wollen (oder können), und genau dadurch gegenüber den beiden Amtskirchen diskriminiert werden.

Dr. Wasmuth legte den Schwerpunkt seines Referats vor allem auf datenschutzrelevante Fragen. So hält er die Angabe der Religionszugehörigkeit gegenüber dem Arbeitgeber bzw. dem Finanzamt für bedenklich, da die grundgesetzliche verankerte Religionsfreiheit auch bedeutet, diese Freiheit ohne Mitteilung an Dritte ausüben zu können. Selbst wenn der Staat sich selbst das Recht vorbehält, über die religiöse Ausrichtung seiner Bürger Auskunft zu erlangen, so steht das in keinem Falle einem Arbeitgeber zu. Ein letztens Argument, das ich persönlich für das wichtigste halte, brachte Dr. Wasmuth eher am Rande an: Steuern sind per Definition Geldleistungen, die der Staat seinen Bürgern auferlegt, um die finanzielle Möglichkeit zu haben, der Allgemeinheit Leistungen zur Verfügung stellen zu können. (Vgl. Wikipedia) Es ist jedoch unbestritten, dass eine Kirchensteuer nicht der Allgemeinheit, sondern nur den Mitgliedern einer in diesem Sinne privilegierten Minderheit zu Gute kommen.