Worldwide day of genital autonomy

KÖLN. (hpd) In diesem Jahr findet bereits zum zweiten Mal der “Welttag der genitalen Selbstbestimmung” statt. Am 7. Mai wird erneut das Recht des Kindes auf körperliche und sexuelle Selbstbestimmung unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion und Tradition eingefordert. Das Kölner Landgericht hatte am 7. Mai 2012 Vorhautamputationen an minderjährigen männlichen Kindern, die ohne medizinische Indikation vorgenommen werden, für strafbar erklärt.

Köln: Demonstration und Kundgebungen am 7. Mai

In Köln ist für den 7. Mai eine Protestdemonstration mit Kundgebungen geplant, die vom Facharbeitskreis Betroffener im MOGiS e.V. initiiert und von etlichen Organisationen unterstützt wird. Darunter sind das Beschneidungsforum.de, die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ), der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) , terre des femmes, pro familia Nordrhein-Westfalen, (I)NTACT e.V.), intaktiv e.v. – eine Stimme für genitale Selbstbestimmung, dem Internationalen Verband der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA), der Giordano-Bruno-Stiftung (GBS), der Zentralrat der Ex-Muslime und TABU e.V. – der Verein zur Verhinderung der FGM.

Besonders erfreulich ist, dass eine Reihe ausländischer Organisationen, die sich für den Schutz von Kindern vor nichttherapeutischen chirurgischen Eingriffen an ihren Genitalien aussprechen, ebenfalls zu den Aktivitäten aufrufen. Dazu gehören: NORM-UK (Großbritannien), Attorneys for the rights of the child (California, USA), NOCIRC (USA), Doctors opposing circumcision (Seattle, USA),GENITAL AUTONOMY (Großbritannien), Australasian Institute for Genital Autonomy - AIGA Inc. (Australien), Droit au corps (Frankreich), “Just a snip” (Denmark), Intact Denmark (Denmark), Children’s Health & Human Rights Partnership (Canada) und AME - Association contre la mutilation des enfants (Frankreich).

Der internationale Charakter der geplanten menschenrechtlich orientierten Protestaktionen von Köln zeigt sich auch hinsichtlich der RednerInnen der beiden Kundgebungen am Beginn und zum Abschluss der Demonstration. Sprechen werden dort: Victor Schiering (Facharbeitskreis Beschneidungsbetroffener im MOGiS e.V.), David Smith (General Manager NORM-UK), Mohamed Louizi, Franzose marokkanischer Herkunft, ehemaliger Aktivist in islamischen Vereinigungen in Frankreich und Marokko, Viola Schäfer (Vorsitzende intaktiv. e.V.), Tayfun Aksoy (Facharbeitskreis Beschneidungsbetroffener im MOGiS e.V.), Dr. Christoph Kupferschmid (Vorstand Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte), Mina Ahadi (Vorsitzende Zentralrat der Ex-Muslime), Christa Müller (Vorsitzende (I)NTACT e.V.), Jérôme Segal (Universität Wien und Paris-Sorbonne, Mitglied der israelitischen Kultusgemeinde Wien), Renate Bernhard (Vorstand pro familia NRW), Christian Bahls (1. Vorsitzender MOGiS e.V.) und Lena Nyhus (Vorsitzende Intact Denmark).

Erneut stehen die Aktivitäten unter dem Motto: “Schutz aller Kinder weltweit vor jeglicher Verletzung ihrer körperlichen und sexuellen Integrität!”

Die Unterstützer der Aktivitäten fordern u.a. die Streichung des § 1631 d BGB (Legalisierung von Knabenbeschneidungen gemäß Gesetz vom 12.12.2012), die Einhaltung und Umsetzung der Kinderrechtskonvention Art 24 Absatz 3 (Abschaffung schädlicher Bräuche) in europäischem und deutschem Recht - für alle Kinder - unabhängig von Geschlecht und Herkunft und die Ausweitung des Gesetzes zum Verbot und Verfolgung von Genitalverstümmelungen auf Straftaten im Ausland.

Sie machen aber auch deutlich, dass für Rassisten in den Reihen der Verfechter der Menschenrechte von Kindern und für deren genitale Selbstbestimmung kein Platz ist: jüdisches und muslimisches Leben in Deutschland wird im Aufruf zur Demonstration ausdrücklich begrüßt und gewürdigt als Bereicherung des Zusammenlebens.

Die aufrufenden Organisationen wenden sich mit klaren Worten gegen solche Kräfte. Ausdrücklich heißt es in dem Aufruf: “Wir verwahren uns dagegen, dass unser Einsatz für die Rechte aller Kinder auf genitale Selbstbestimmung von einigen wenigen genutzt wird, um ihren Hass auf religiöse und kulturelle Minderheiten auszuleben.”

Die Demonstration beginnt am 7. Mai 2014 mit einer Auftaktkundgebung um 11:00 am Landgericht Köln (Luxemburger Str. 101) und endet mit einer Zentralen Kundgebung gegen 12.30 auf dem Roncalliplatz am Kölner Dom.

Köln: Wissenschaftliches Symposium am 6.Mai

Bereits am Tag zuvor (am 6. Mai) findet in den Räumen der Universität zu Köln ein Wissenschaftliches Symposium “Genitale Autonomie: Körperliche Unversehrtheit, Religionsfreiheit und sexuelle Selbstbestimmung – von der Theorie zur Praxis” statt, veranstaltet von den beiden Organisationen MOGiS e.V. – Eine Stimme für Betroffene und pro familia NRW.

Schon die Liste der ReferentInnen zeigt, dass hier auf hohem wissenschaftlichem Niveau in hochkarätiger Besetzung über die Thematik umfassend informiert und debattiert werden wird. MOGiS e.V. und pro familia NRW haben zum Symposium mitgeteilt: “Nach einem Grußwort der 1. Bürgermeisterin der Stadt Köln, Elfi Scho-Antwerpes, werden Referentinnen und Referenten zu folgenden Themen sprechen:

  • ‘Eltern als beste Garanten der Kindesinteressen?’, Prof. Dr. Jörg Fegert, Ärztlicher Direktor der Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie der Universität Ulm, Präsident Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e.V. (DGKJP)
  • ‘Zur medizinischen Tragweite einer Zirkumzision’, Prof. Dr. Maximilian Stehr, Chefarzt der Kinderchirurgie- und Urologie Klinikum Hallerwiese Nürnberg, Vorsitzender der AG Kinderurologie der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH)
  • ‘Psychotraumatologische und psychoanalytische Aspekte der Jungenbeschneidung’, Prof. Dr. Matthias Franz, Professor für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Stellvertretender Direktor des klinischen Institutes Psychosomatische Medizin und Psychotherapie (UKD)
  • ‘In angsterfüllten Symmetrien: Essays und Augenzeugenberichte zur weiblichen Genitalverstümmelung und der männlichen Beschneidung’, Prof. Dr. Tobe Levin, University of Maryland in Europe, Associate W. E. B. Du Bois Institute for African and African American Research – Harvard University, President FORWARD – Germany
  • ‘Männliche Beschneidung als sexualisierte Gewalt: Verdeckung der männlichen Verletzungsoffenheit in der Mehrheitsgesellschaft und in rituellen Kontexten - Einblicke aus der Gewaltgeschlechterforschung’, Hans-Joachim Lenz, Sozialwissenschaftler, Lehrbeauftragter für Männlichkeitsforschung an Hochschulen in Freiburg i.Br., Federführung der Pilotstudie ‘Gewalt gegen Männer’ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in den Jahren 2002–2004, früher: Vorstandsmitglied bei Gender Diversity – bundesweiter Fachverband für genderkompetente Bildung und Beratung e.V.
  • Beschneidungserlaubnis und Verfassungsrecht’, Dr. Jörg Scheinfeld, Dozent für Straf- und Medizinstrafrecht Universität Mainz
  • ‘Innere und äußere An- und Einsichten bzgl. der Beschneidung von Männern, oder: wie ich Gegner der genitalen Beschneidung und Befürworter der ‘Beschneidung des Herzens’ geworden bin’, Michael Ingber, Judaist, Akademie für politische Bildung Tutzing, Lehrbeauftragter an Universitäten in Marburg und Passau
  • ‘Die Beschneidung aus jüdisch-humanistischer Perspektive’, Dr. Jérôme Segal, Koordinator eines Doktoratskollegs an der Universität Wien und Assistenzprofessor an der Universität Paris-Sorbonne, Mitglied der israelitischen Kultusgemeinde Wien.”

Mit den ReferentInnen. Prof. Dr. Tobe Levin, Michael Ingber und Dr. Jérôme Segal sind auch drei profilierte Persönlichkeiten aus der jüdischen Community am Symposium beteiligt.

Deutsche Liga für das Kind nimmt Stellung gegen Jungenbeschneidung

Im Vorfeld des Jahrestages des Kölner Landgerichtsurteils hat sich jetzt die Deutsche Liga für das Kind in Familie Gesellschaft e.V. eindeutig gegen die Beschneidung minderjähriger männlicher Kinder positioniert und fordert die Streichung des die Beschneidung erlaubenden § 1631 d BGB. Als Kompromisslösung wird, um einen – wie es heißt – “für zahlreiche vor allem jüdische und muslimische Eltern … unlösbaren Gewissenskonflikt” zu vermeiden, vorgeschlagen, eine Beschneidung Minderjähriger auf Veranlassung ihrer (religiösen) Eltern unter bestimmten Bedingungen straffrei zu stellen.

Es zeigt sich: die Debatte des Jahres 2012 geht weiter – ein “Rechtsfrieden” kann erst einkehren, wenn den Belangen der minderjährigen Betroffenen in menschenrechtlicher Hinsicht Genüge getan ist.

Walter Otte