Zentralrat der Ex-Muslime in Österreich

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Cahit Kaya. Foto: Karl Linek

(hpd) Am kommenden Freitag, 26. Februar 2010, wird in Wien der Zentralrat der Ex-Muslime Österreich gegründet. Der hpd führte vorab mit dem designierten Vorsitzenden, Cahit Kaya, ein Interview.

 

hpd: Was ist der Anlass für die Gründung des Zentralrats der Ex- Muslime in Österreich?

Cahit Kaya: Mina Ahadi war die Gründerin des ersten Zentralrats der Ex-Muslime in Deutschland. Sie war im Iran lange Zeit politisch aktiv. Ihr Mann und viele ihrer Mitstreiter wurden vom Mullahregime ermordet. Die Anklage lautete hier, wie in vielen anderen Fällen auch: "Feinde Allahs", oder "Abfall vom Glauben". Kritiker und die "Opposition" haben hier kaum eine Chance dagegen zu argumentieren. Denn jede politische Tätigkeit die der Führung eines islamischen Gottesstaat zuwiderläuft, kann so beseitigt werden. Der Islam als Ganzes gilt als unantastbar. Wer die Macht hat, den Islam für sich zu nutzen, wird dies auch tun. Zu sehr ist hier die Religion mit der Staatsführung verbandelt und zu schwer ist der Islam von der Gesetzgebung zu trennen. Der Iran und sämtliche arabische Staaten haben die Scharia daher als umfassende Rechtssprechung eingeführt. Der politische Islam durchdringt den gesamten Alltag der Menschen und lässt keinen Spielraum für Modernisierung zu. Ein aktuelles Beispiel aus Saudi Arabien: Ein Islamgelehrter bezeichnete den Kampf für Frauenrechte als Sünde, als Abfall vom Glauben. Dies sei daher mit dem Tode zu bestrafen.
 

hpd: Inwiefern besteht Bedarf für den Zentralrat der Ex-Muslime?

Kaya: Es gilt zu verhindern, dem politischen Islam zu viel Macht zuzugestehen, um die für alle gleichermassen geltenden universellen Menschenrechte zu erhalten. Es gibt bereits Einzelfälle, in welchen auf die Religion mit falscher Toleranz Rücksicht genommen wurde. Die Strafen fielen vergleichsweise sanft aus, da dies unter der Scharia als teilweise erlaubt galt. Wir lehnen diese Form der Scharia-light ab, wie sie sich manch Islamgelehrter oder Kulturrelativist auch hier wünscht. Innerhalb der islamischen Communitys leben sehr viele, die mit der Eigendefinition der Islamverbände, was Islam ist, nicht viel anfangen können. Durch Ablehnung eines "islamischen Lifestyles" haben sie diesem bereits eine Absage erteilt. Doch sagen dürfen sie dies nicht offen. Ich selbst mache die Erfahrung, als Verräter bezeichet zu werden, wenn ich mich als Ungläubiger oder Konfessionsreier bezeichne. Die Angst vor einer Ächtung ist hier gross. Wir wollen Mut machen, sich für seine Entscheidung ein freies Leben führen wollen nicht mehr schämen zu müssen.
 

hpd: Wie viele Ex-Muslime gibt es schätzungsweise in Österreich? Wie viele Muslime?

Das ist sehr schwer zu sagen. Bisher war es unüblich, sich als Nicht-Muslim, oder Ungläubiger unter Muslimen zu outen. Genau dies wird zum Problem, da die Protagonisten und Unterstützer der Re-Islamisierung dieses Schweigen öffentlich als Zustimmung werten, um ihre Eigeninteressen durchzusetzen. Eine Abwehrhaltung mussten sie aus eigenen Reihen bisher nicht erwarten, da Kritik am Islam nicht toleriert wurde. Wer sich also vom Islam stillschweigend verabschiedet, der ist nicht sicher davor, für einen Zweck, den er selbst ablehnt, eingespannt zu werden. Es wird notwendig, das hinter sich Gelassene kritisieren zu dürfen, bevor diese verlassene Welt einen wieder einholt und die neu gewonnene Freiheit wieder zunichte macht. Meinungsfreiheit darf nichts Fremdes bleiben.
 

hpd: Wie setzt sich der Zentralrat der Ex- Muslime zusammen?

Kaya: Aus dem Vorstand und vielen Einzelpersonen, die unser Anliegen unterstützen. Wir achten darauf, Menschen aus unterschiedlichen Ländern an unseren Entscheidungen teilhaben zu lassen. Kooperationen mit humanistischen Organisationen bestehen bereits.
 

hpd: Was wollt ihr erreichen? Welche Aktivitäten stehen als erste an?

Kaya: Zu allererst wollen wir den Menschen durch unser offenes Auftreten zeigen: Uns gibt es! Wir erschaffen dadurch eine neue Realität. Wir erwarten, den Populisten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Islamische Verbände, aber auch Politiker rücken Menschen aus islamischen Ländern abstammend pauschal an eine fixe Position. Diese Menschen werden für unmündig erklärt und es wird ihnen das freie Denken erschwert. Wir wollen mit unserem offenen Auftreten zeigen: Jeder Mensch hat das Recht, sich frei zu entscheiden, wie er sein Leben führen möchte. Es sollte um den einzelnen Menschen gehen, nicht um die Interessen diverser islamischer Vereine, die nun Schwierigkeiten damit haben dürften, ihren Vertretungsanspruch aufrecht zu halten.

Wir wollen diesen Menschen beratend zur Seite stehen, wenn sie sich mit den von anderen vordefinierten Organisationen und Parteien nicht identifizieren können. Wir zeigen ihnen eine Alternative auf. Menschen die andauerndem psychischem Druck ausgesetzt sind, wollen wir unterstützen.