Petition fordert Humanistische Schule

BREMEN. (wissenrockt/hpd) Auch nach einem Gerichtsverfahren, in dem das Gericht die Weigerung der Bildungssenatorin, eine humanistische Schule zu genehmigen, verurteilt hatte, lässt die Senatorin nicht locker, diese Schule zu blockieren. Der HVD in Bremen versucht nun, das Verfahren durch eine Petition an die Bürgerschaft zu beschleunigen.

“In einer Welt, in der viele Toleranz mit Beliebigkeit verwechseln; in einer Welt, in der es nur erfüllbare Wünsche geben soll und Menschen als „Blockierer“ gelten, wenn sie nein sagen, ist es manchmal notwendig, inne zu halten und zu fragen, woher wir kommen, in welchen Zusammenhängen wir leben und für welche Werte wir stehen.” Das erklärte die Bremer Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper in einer Aktuellen Stunde der Bremer Bürgerschaft am 17. März 2010. Sie plädierte erneut dafür, “zu verhindern, dass die Trennung unserer Kinder wie in vordemokratischer Zeit schon mit der Einschulung beginnt.”

Gerichtet waren diese Worte gegen die Zulassung zweier Schulen in freier Trägerschaft, einer Humanistischen Schule und einer Freien Schule Bremen. Vorausgegangen war ein jahrelanger Rechtsstreit, in dem die Senatorin mit allen Mitteln versucht hatte, die Gründung dieser Schulen zu verhindern. Sogar ein 46-seitiges juristisches Gutachten gab das Bildungsministerium der Hansestadt in Auftrag, das schließlich zu dem Schluss kam, dem weltlichen Humanismus des Humanistischen Verbandes fehlten typische Eigenschaften einer Weltanschauung, da dieser keinen Ausschließlichkeitsanspruch stelle. Auch Walter Henschen vom Bremen Bildungsministerium erklärte, er sei „einigermaßen verwirrt.” Der seines Wissen nach dem 18. Jahrhundert entstammende Humanismus wäre Grundlage für Verfassung, Staat und Gesellschaft. “Alles ist davon durchdrungen”, so Henschen laut einem Bericht des Weserkurier. Folglich würden Humanisten keine eigene Weltanschauung vertreten, die vom gesellschaftlichen Grundkonsens abweicht.

“Wieso eine Weltanschauung keine Weltanschauung mehr sein soll, nur weil sie sich durchgesetzt hat, leuchtet mir nicht ein”, sagte die Verwaltungsrichterin Silke Benjes in der Verhandlung am 24. Februar 2010. Der HVD Bremen hatte gegen den ablehnenden Bescheid der Bremer Senatorin geklagt und gewonnen. “In den (…) Grundsätzen des HVD vermag die Kammer sehr wohl eine weltanschauliche Orientierung zu erkennen”, führte das entscheidende Richterkollegium in der Begründung vom 25. Februar 2010 aus. Es stellte auch fest: “Nach dem Schulkonzept der Kläger steht die Schule grundsätzlich allen Kindern offen.” Auf diesen Rückschlag hin erklärte die Bildungssenatorin Jürgens-Pieper, man wolle nun “alle Rechtsmittel ausschöpfen”, um die geplanten Schulen zu verhindern. Das “Beluga College” in Bremen hingegen nahm als staatlich genehmigte Ersatzschule im letzten Jahr seine Arbeit auf.

Und die Freie Evangelische Bekenntnisschule Bremen (FEBB) erhielt am 11. März 2009 das “Qualitätssiegel für vorbildliche Berufsorientierung”, verliehen durch Renate Jürgens-Pieper, welche Schirmherrin des Qualitätssiegels ist. Die FEBB erhielt das Siegel zum zweiten Mal.

Zur Frage, wie Renate Jürgens-Pieper zur FEBB stünde, erklärte der Bürgerbeauftragte der Bildungssenatorin, Manfred Ruberg, dass die FEBB nachgewiesen hätte, sie könne “gute Arbeit abliefern.” Warum aber trotz der positiven Erfahrungen mit einer christlichen Bekenntnisschule die Bremer Senatorin weiterhin bis zum Äußersten gegen die Gründung einer humanistischen Schule in Bremen vorgeht, konnte er dagegen nicht sagen und verwies auf die derzeit beurlaubte Pressesprecherin der Bildungsministerin. Die FEBB ist als Initiative Mitglied in der evangelikalen Organisation “Evangelische Allianz”.

In der Aktuellen Stunde im Bremer Parlament erklärte Jürgens-Pieper: “In dieser Welt ist es manchmal notwendig, historisches Bewusstsein in politischem Handeln deutlich werden zu lassen.” Aber steht hier sozialdemokratische Politik im Vordergrund der Arbeit von SPD-Politikerin Renate Jürgens-Piepers oder geht es bei dem Widerstand durch die Bildungssenatorin eigentlich um die Abwehr einer weltanschaulichen Konkurrenz?

“Es muss einen staatlich abgesicherten und allgemeinpädagogisch begründeten Religionsunterricht unter Mitwirkung der Religionsgemeinschaften geben. Religiöse Bildung gehört zum Menschen”, stellte der Oberkirchenrat Prof. Dr. Dietmar Pohlmann im März 2001 in einem Appell fest, welcher von der damaligen niedersächsischen Kultusministerin ausging und mehr Religionsunterricht forderte. Der gemeinsame Brief war unterzeichnet von der evangelischen Landesbischöfin Margot Käßmann, dem katholischen Bischof Josef Homeyer und der ehemaligen Kultusministerin Niedersachsens, Renate Jürgens-Pieper.

Es war nicht das einzige Engagement der jetzigen Bildungssenatorin Bremens zur Verteidigung christlich-religiöser Errungenschaften, welche ihren in keinster Weise ergebnisoffenen Widerstand gegen die humanistische Schule Bremens immer mehr in einem sehr fragwürdigen Licht erscheinen lassen. Denn auch zu Tagungen der Evangelischen Akademie Loccum finden sich weitere Fakten über das Engagement von Renate Jürgens-Pieper.

“Die Bürgerschaft möge beschließen, die Bildungssenatorin aufzufordern, die Gründung der Humanistischen Schule und der Freien Schule Bremen zu unterstützen und auf weitere Rechtsmittel zu verzichten.” Gegen die zweifelhaft motivierte Blockade setzen der Humanistische Verband Bremen und der Verein “Freie Schule Bremen” nun darauf, dass die Bildungssenatorin auf Druck ihrer Parlamentskolleginnen und -kollegen von der Ausschöpfung aller Rechtsmittel absieht. Den Gang bis zum Bundesverfassungsgericht hat die Bildungssenatorin bereits in Aussicht gestellt. Darum wurde eine elektronische Petition an die Bremer Bürgerschaft eingeleitet, die sich seit wenigen Tagen in der Mitzeichnungsphase befindet. Die HVD e.V. in Bremen und Freie Schulen e.V. bitten darum, “der Verhinderungspolitik der Bildungssenatorin ein Ende zu setzen.”

Die Mitzeichnungsfrist läuft bis zum 3. Mai 2010.

Mehr Informationen:
Petition an die Bremer Bürgerschaft zur Zulassung zweier Schulen in freier Trägerschaft

Arik Platzek
für www.wissenrockt.de