Finanzierung der Kirchen: Wir zahlen alle!

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Vortragsraum / Fotos: Dennis Merbach

FRANKFURT. (hpd) Vortrag von Dr. Carsten Frerk am 16. April 2010 im Saalbau Bornheim / Frankfurt am Main, im Rahmen der vierten Vortragsreihe der Säkularen Humanisten – Regionalgruppe Rhein-Main des Förderkreises der Giordano Bruno Stiftung (GBS) - in Zusammenarbeit mit DiKOM e.V.

Bericht und Kommentar von Jochen Beck

Auch der zweite Referent der vierten Staffel der inzwischen schon routiniert betriebenen Vortragsreihe der Säkularen Humanisten gehört zum inneren Zirkel der Giordano Bruno Stiftung. Diesmal war es der Kurator Dr. Carsten Frerk, der über die Finanzierungsstruktur der Großkirchen informierte und damit ein Thema abdeckte, welches wie nur wenig andere als Quelle für jedes Lexikon populärer Irrtümer geeignet ist. Der promovierte Sozialwissenschaftler ist als Autor der Bücher „Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland“ und „Caritas und Diakonie“ ein ausgewiesener Experte zu diesem Sachgebiet, zumal die Kirchen offenkundig an seiner Darstellung nichts auszusetzen haben. Vielen deutschen Humanisten ist er vor allem durch die Buskampagne des Jahres 2009 bekannt.

Dr. Frerk ging zunächst auf die Ursprünge der heutigen deutschen Finanzierungsarchitektur der Großkirchen ein, die in der Populärallgemeinbildung mit dem Jahr 1803 und dem Namen Napoleons verbunden ist. Auch mir wurde 1980 im Religionsunterricht beigebracht, dass die Kirchensteuer von der Säkularisation herrührt, „als man der Kirche ihren Besitz geklaut habe“. Tatsächlich aber hat man damals die geistlichen Fürstentümer abgeschafft, also Landesfürstentümer, in denen ein Bischof oder ein Abt auch weltlicher Herrscher war. Der Referent nannte als Beispiel die Kurfürsterzbistümer Köln, Mainz und Trier. Die Ausführungen des Referenten gerieten hier etwas knapp, so dass dem Publikum vielleicht nicht die ganze Tragweite der Information klar wurde. Deshalb sei hierzu eine kurze Einschaltung vorgenommen:

Um 1790 wurde etwa ein Viertel Deutschlands von geistlichen Fürsten regiert. Da das erste deutsche Kaiserreich sich eher zum lockeren Staatenbund entwickelt hatte, waren für die meisten Deutschen die Landesfürsten die eigentlichen Herrscher, und nicht der Kaiser (zuletzt in Wien). Die oben erwähnten Kurfürsterzbistümer machten einen beträchtlichen Teil des heutigen Nordrhein-Westfalens und von Rheinland-Pfalz aus. Die katholischen Gebiete des heutigen Hessens sind überwiegend das ehemalige Fürstbistum Fulda und ein Kurtrierer Außenposten an der Lahn. Das katholische Eichsfeld war ein Kurmainzer Außenposten. Auch die fränkischen und schwäbischen Gebiete des heutigen Bayern sind oft ehemalige geistliche Territorien, nämlich der Fürst(erz)bischöfe von Bamberg, Würzburg, Eichstätt, Augsburg und Regensburg. Die Einwohner waren, wie so oft im damaligen Kontinentaleuropa, nach heutigen Maßstäben fast rechtlose Untertanen, manchmal obendrein noch Hörige oder Leibeigene. Der Ursprung dieser weltlichen Machtfülle des Höheren Klerus liegt in dem Bedarf des „frühdeutschen“ Kaisers Otto des Großen (936 – 973), sich zuverlässigere Vasallen zu schaffen, als es die analphabetischen, in ihrem Sippschaftsdenken befangenen adeligen „Warlords“ damaliger Zeit erwarten ließen. Um die Kontrolle über diese Lehensträger zu sichern, mussten die Kaiser Bischofswahlen bzw. -ernennungen und sogar die Papstwahl unter ihre Botmäßigkeit bringen. Im Gegenzug verlangte das Papsttum im Dictatus Papae von 1075 die Oberherrschaft über alle christlichen Monarchen, da das Wort Gottes das fürstliche Schwert lenken müsse. Darüber entbrannten die großen kriegerischen Konflikte im Europa des 11., 12. und 13. Jahrhunderts. Da Bischöfe und Äbte keine legitimen Nachkommen hatten, hätten die Kaiser die geistlichen Lehen (theoretisch) nach jedem Amtswechsel wieder einziehen können, was aber fast nie vorkam. Weltliche Lehen galten dagegen erst bei Aussterben der landesfürstlichen Dynastie als neu verfügbar.

Der Säkularisationsbeschluss der geistlichen Lehen von 1803 hat den Kirchen nicht die Kirchensteuer zugestanden, sondern diverse abfindungsartige Leistungen, so genannte „Dotationen“ zu Lebzeiten der ihrer weltlichen Macht entkleideten Bischöfe. Die Gehälter der Bischöfe wurden also keineswegs aus Kirchensteuermitteln finanziert, sondern aus der herkömmlichen Staatskasse. Das Gehalt des Erzbischofs von Köln (Kardinal Meissner) beträgt rund 11.000 Euro im Monat, bayerische Bischöfe beziehen 9.000 Euro. Aber alle diese Rechtsansprüche stammen nicht aus dem Jahr 1803. Manches wurde für die linksrheinischen Gebiete durch das napoleonische Konkordat von 1801 festgelegt, welches übrigens in Frankreich 1905 von Seiten des Staates gekündigt wurde. Andere Bestimmungen beruhen auf Verträgen der deutschen Teilstaaten mit den Kirchen. Sie waren jedoch nicht der Ausgleich für angebliche „Enteignungen“, sondern entsprangen der königlichen Fürsorge für die Kirche, die er als „von Gottes Gnaden“ zur Legitimation brauchte. Mit der Novemberrevolution und der Weimarer Republik waren diese Zwecküberlegungen überflüssig geworden und so wurden im Bayern-Konkordat 1924 diese angeblichen längerfristigen staatlichen Zahlungsverpflichtungen erfunden und seitdem ungeprüft fort geschrieben.

Dr. Frerk bezifferte diese Staatsleistungen der „Zwischensumme 19. Jahrhundert“ für das Jahr 2000 auf knapp eine halbe Milliarde Euro. Aus den damaligen Rechtsquellen geht laut den Ausführungen des Referenten hervor, dass diese Leistungen nur für die Lebenszeit der ihrer weltlichen Macht beraubten Kirchenfürsten gewährt werden sollten. Zur Überraschung des Publikums zitierte er eine Brockhaus-Ausgabe von 1824, welche von einem aufklärerisch-demokratischen Standpunkt her diese Dotationen verurteilte, da sie zur Entschädigung einer abgesetzten, nicht demokratisch legitimierten Obrigkeit dienten.