Besorgte Frage aus Thüringen: Quo vadis, HVD?

WEIMAR. (hpd) Noch immer, gut 17 Jahre nach seiner Gründung, ist der HVD-Bundesverband keine bundesweite Organisation. In mehreren Bundesländern gibt es noch immer keinen Landesverband, die Mehrzahl der bestehenden Verbände haben nur minimale Mitgliederzahlen. Der Thüringer HVD-Landesvorsitzende Siegfried R. Krebs bezieht Stellung.

Und wenn jemand in der Bundesgeschäftsstelle anruft, dann ist größtenteils niemand am anderen Telefon. Das alles treibt Thüringer Humanisten um und lässt sie nicht ruhen. Sie möchten daher mit Blick auf die Bundesdelegiertenversammlung 2011 eine breite innerverbandliche Debatte anstoßen. Und in diese Debatte sollten ohne Wenn und Aber auch unsere Sympathisanten einbezogen werden.

Trotz der Verfalls- und Missbrauchserscheinungen in den beiden großen christlichen Kirchen erleben wir die vielfältigen Versuche eines maßgeblichen Teils der politischen "Eliten" in Deutschland, heutzutage Religion im staatlichen Raum noch stärker als bisher zu propagieren und zu privilegieren. Und das sind beileibe keine Einzeltaten irgendwie reaktionär-verwirrter Geister, so absonderlich auch manches von dort anmutet. Gefragt und öfter noch ungefragt melden sich Bischöfe, Pfarrer und Pastoren zu jedem zu Wort und gerieren sich nach wie vor als höchste moralische Instanz dieser Republik.

Und was macht der HVD? Was setzt er solchem Tun entgegen? Nichts! Nein, vom HVD ist seit dem Rücktritt des Präsidenten Horst Groschopp kaum (noch) etwas zu hören. Man schweigt sich aus oder debattiert nur in allerengstem Kreise hinter verschlossenen Türen. Das ist in meinen Augen kein gutes Zeichen für den Zustand einer innerverbandlichen Demokratie und für die notwendige Einbeziehung aller Mitglieder. Chancen werden so vertan! Chancen für ein Wachstum des Verbandes, Chancen aber auch für eine bessere Wahrnehmung des Bundes-HVD in der Öffentlichkeit. Dabei benötigen die Konfessionsfreien doch mehr denn je eine Interessenvertretung.

Der HVD Thüringen ist zwar noch ein sehr junger, ein noch kleiner Landesverband (nebenbei bemerkt: eine Gründung von unten). Das hindert ihn aber nicht, sich öffentlich zu Wort zu melden, zu den Themen, die seine Mitglieder und seine Sympathisanten bewegen. Vielleicht steigt gerade deshalb die Mitgliederzahl in Thüringen stetig an.

Die Landesmitgliederversammlung hat es im März bekräftigt: Die Thüringer Humanisten stehen für einen starken Bundesverband und für eine starke Bundesgeschäftsstelle ein und haben dazu bereits mehrfach entsprechende Vorschläge und Beschlussanträge an das Präsidium gerichtet. Das betrifft insbesondere eine effizientere Öffentlichkeitsarbeit, die Gründung neuer Landesverbände, die Stärkung der noch kleinen und jungen Verbände und nicht zuletzt die Neuordnung der Finanzierung des Bundesverbandes.

Ein starker HVD-Bundesverband, das bedeutet auch, dass alle Landesverbände chancengleich demokratisch auf Bundesebene mitwirken können – das verlangt nach einem Landesfinanzausgleich. Eigentlich gibt es dazu schon einen Beschluss der Bundesdelegiertenversammlung von 2008. Es kommt also nur noch darauf an, diesen Beschluss endlich zu realisieren!

Mitglieder gewinnen, die eigene Basis zu stärken, das können die "Kleinen" vor Ort nur selbst tun. Doch innerverbandliche Arbeit und die Öffentlichkeitsarbeit, das beste Mittel für die Mitgliedergewinnung, kosten Geld. Das aber können Verbände mit weniger als 100 Mitgliedern nicht schultern. Das verlangt nach solidarischem Handeln.

Humanismus will auch praktisch sein. Mit eigenen sozialen Angeboten und Einrichtungen. Hier gilt das oben gesagte nicht minder. Und auch hierzu gibt es einen Bundesbeschluss. Einen sehr deutlichen sogar, erst im Juni 2009 gefasst.

Wir alle haben als HVD nur dann eine Perspektive – gerade angesichts der politisch forcierten Missionierungsoffensiven der christlichen Großkirchen, wenn wir einen starken, einheitlich agierenden Bundesverband von Flensburg bis Garmisch-Partenkirchen, von Saarbrücken bis Görlitz schaffen können. Und wenn es gelingt, leider erkennbare Partikularinteressen einiger weniger Gliederungen überwinden!

Nicht zuletzt: Praktischer Humanismus muss auch politisch sein. Das heißt: Sich nicht einigeln, sondern über den eigenen Tellerrand schauen, sich unüberhörbar einmischen in die Gesellschaft, sich auch der sozialen Nöte von Menschen annehmen. Dass wir all das können, das haben doch die Berliner mit einem Volksentscheid im vorigen Jahr eindrucksvoll bewiesen.

Siegfried R. Krebs
Vorsitzender HVD Thüringen

(Diesem Text liegt der Bericht des Vorstandes an die Thüringer Landesmitgliederversammlung vom 27. März 2010 zugrunde.)