Ehret die Mütter?

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Scheinwerferlicht / Foto © Evelin Frerk

MÜNCHEN. (hpd) Immer am 2. Sonntag im Mai ist seit 1949 in der Bundesrepublik – aber nicht nur da - ein besonderer so genannter nicht gesetzlicher Feiertag, „Muttertag“ genannt. Ein Tag zu Ehren der „Mutter“ und der „Mutterschaft“.

Alle Kinder mit echten Müttern werden mindestens zwei Tage vorher nervös, weil der Vater und die Verwandtschaft erwarten, dass sie der Mama zumindest einen selbst gehäkelten Topflappen als Anerkennung für viele Jahre Betreuung zukommen lassen. Für die Übergabe eines Geschenkes an diesem Tag ist es tatsächlich unerheblich, ob die Betreuung des Nachwuchses durch die Mutter als gelungen bezeichnet werden kann oder nicht. Und zum Glück wissen der deutsche Floristen- und der deutsche Einzelhandelsverband um das generelle Geschenke-beschaffungsproblem. Per Gesetz ist sogar dafür Sorge getragen worden, dass an diesem Tag die Blumengeschäfte unabhängig sonstig geltender Feiertagsbestimmungen geöffnet haben als besondere uneigennützige Serviceleistung für diejenigen, die mit der Herstellung von Topflappen überfordert sind. Und ganz nebenbei zur Stärkung der auch „sozial“ genannten Marktwirtschaft.

Diese taggenau vorgeschriebene pauschale Ehrung eines Teils der biologischen Verwandtschaft ersten Grades („Du sollst Vater und Mutter ehren“) kommt ähnlich unpräzise daher wie das christliche Gebot der allgemeinen Nächstenliebe. Die Ursprünge des Muttertags scheinen tatsächlich auch religiös geprägt und führen zu einer US-amerikanischen Methodistin zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die nach dem Tod der eigenen sehr geliebten Mutter ganz allgemein die Bedeutung der Mütter für die Entwicklung der Menschheit unterstreichen wollte. Die ersten Blumen zur Ehrung wurden dann tatsächlich auch in einer Kirche verteilt.

Doch die Idee solch eines Lob- und Ehrentages kam und kommt scheinbar weiter zeit-, länder- und ideologieübergreifend gut an. Die Nazis zum Beispiel erklärten den Muttertag gleich 1933 zum gesetzlichen Feiertag zur Ehrung aller Mütter, die sich um den Fortbestand der arischen Rasse und das in absehbarer Zeit benötigte Kanonenfutter nachweislich erfolgreich bemühten. Dafür gab es dann auch das „Ehrenkreuz der Deutschen Mutter“, kurz „Mutterkreuz“ in Bronze, Silber und Gold. Nach dem Untergang des 1000-jährigen Reiches wurde der Muttertag 1949 wieder in den staatlich geregelten Feiertagskatalog der Bundesrepublik aufgenommen. Warum wohl?

Ehre, wem Ehre gebührt?

„Mutter“ ist eine meist über 40 Stunden/Woche ausgelegte Arbeit, erworben in der Regel in Folge einer biologischen Leistung, aber kein Lehrberuf. Eine Ausbildung ist nicht gefordert, die Eignung wird nicht geprüft, die fehlende Eignung selten geahndet... Daher ist eine Lohn- oder Gehaltszahlung mit Anspruch auf Krankengeld und Altersrente für den in der Regel jahrelangen Aufwand in keiner Gesellschaft vorgesehen.

Tatsächlich wird auch im 21. Jahrhundert die geregelte Entlohnung für Mütter ersetzt durch die meist mündlich geschlossene vertragsähnliche Absprache zwischen sich zu dem Zeitpunkt der „Vertragsschließung“ liebenden, gebärfähigen Frauen und Männern. Zur Abrundung der auf langfristige unbezahlte Arbeitsübernahme ausgelegten Verbindung ist für einen von 365 Tagen die staatlich angeordnete Achtungsbekundung durch die Kinder (und manchmal auch Väter) eingeführt.

Insgesamt heißt die Lebenskonstruktion meistens Ehe, ist ursprünglich nach den Vorgaben führender Religionsgemeinschaften begründet, wird von Kirche und Staat gesegnet, gelobt und steuerlich begünstigt, und geht dennoch – aufgrund sicherlich auch der o. g. Rahmenbedingungen – trotz aller Appelle gerade der Vertreter der Religionsgemeinschaften inzwischen auch nahezu jedes zweite Mal schief.
Wohl wissend um die Probleme wird auch in der großen Politik an einer Verbesserung des Lebensmodells „Mutter“ gearbeitet und versucht, die Väter zunehmend für die Übernahme der Mutter-Pflichten zu gewinnen durch Lockung mit Elternzeit, Elterngeld etc. Bislang wollen jedoch die wenigsten Väter ihre bezahlte Berufstätigkeit mit Kranken-, Urlaubs-, Weihnachtsgeld und zu erwartenden Rentenzahlungen tauschen gegen überwiegend entgeltlose Arbeit um und am eigenen Nachwuchs im eigenen Haus. Die Aussicht auf einmal jährliche Übergabe selbst gehäkelter Topflappen oder in Eile erworbener Blumenbuketts helfen da wenig. Wen wundert’s?

Humanisten aller Länder ...

Für die Humanisten unter den Vätern ist doch nahe liegend, dass die Zeit reif ist, alt hergebrachte Rollenmodelle wortreich zu hinterfragen und tatkräftig zu ändern. Meint frau ... Wer wenn nicht sie – die Humanisten - setzen sich künftig dafür ein, dass ihre Frauen nicht nur einmal im Jahr geachtet, sondern für tägliche Arbeit generell angesehen und somit auch für ihre Leistung angemessen bezahlt werden? Und gehen dafür – wie für andere Forderungen – mit gutem Beispiel voran? Zur Not von ihrem eigenen Gehalt; der Ruf nach dem Staat und staatlicher Regelung ist dafür noch gar nicht notwendig. Oder sie lernen Geschirr spülen, kochen, putzen usw., damit ihre Frauen zu den humanistischen Tagungen reisen können?

Noch verhält es sich bei den Humanisten allerdings wie bei allen anderen Zweibeinern; der Anteil der Frauen in den humanistischen Verbänden ist in etwa genauso gering wie in anderen politischen Vereinigungen. Bei den kleinen humanistischen Kindern bleiben humanistische Mütter, während humanistische Väter auf Tagungen gehen, Vorträge schreiben und vortragen und den humanistischen Standpunkt in den Medien wortgewaltig vertreten. Bei den humanistischen Tagungen und Versammlungen kümmern sich humanistische Frauen um das humanistische leibliche Wohl, um angenehme Arbeitsatmosphäre und um das Säubern und das Aufräumen des benutzten Geschirrs. Usw., usw., usw., ...

Der Unterschied zu den Nicht-Humanisten ist im Lebensalltag nicht wirklich erkennbar, zumindest noch nicht. Doch dieser „Muttertag“ wäre eine ganz gute Gelegenheit für sie, anzusetzen zur notwendigen Veränderung. Im ganz gewöhnlichen Alltag im Hier und Jetzt! Weil man schließlich auch sie – die Humanisten - an ihren Taten erkennen kann!

Assunta Tammelleo