Ach Gott! Die Kirchen und der Staat

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Deckblatt des RDH / Wikimedia Commons

BERLIN. (hpd) Ein politisches Magazin hat etwas Unpassendes zu den Staatsdotationen recherchiert und die evangelische Kirche geht in die Offensive. Die EKD lässt den im Kirchenamt zuständigen Oberkirchenrat etwas richtig stellen, was so grottenfalsch ist, dass es eigentlich nur noch amüsant ist.

Der Spiegel hatte in seinem spiegel-tv Magazin am vergangenen Sonntagabend einen Bericht gezeigt, „Spardebatte: Staat zahlt 442 Millionen Euro für Kirchengehälter“ in dem danach gefragt wurde, wieso eigentlich in Deutschland aktuell 442 Mio. im Jahr aus Steuergeldern als Gehälter und Personalzuschüsse an die Kirchen bezahlt werden.

In dem Beitrag selber versicherte dann der Regensburger Bischof Müller mit großer Gelassenheit, dass es damit alles seine Ordnung habe, denn die katholische Kirche sei ja 1803 enteignet worden und diese Zahlungen seien deshalb Gelder aus dem kirchlichen Vermögen, dass damals an die weltlichen Herrscher gefallen war.

In das gleiche Horn stößt prompt nun auch der Kirchensteuerreferent im Kirchenamt der EKD, Oberkirchenrat Jens Petersen, auf der ‚Jugendseite’ der EKD, in seinem Beitrag „ Die historische Entwicklung der Kirchensteuer“ der unter dem Stichwort „Religion“ fragt: „Rund 442 Millionen Euro an Kirchengehältern zahlt der Staat pro Jahr, rechnet der 'Spiegel' vor. Warum eigentlich? Eine kurze Geschichte der Kirchenfinanzierung.“

Die Einführung der Kirchensteuer wird, historisch völlig unzutreffend, mit dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 in Verbindung gebracht. Petersen fährt verbal schwere Geschütze auf, schreibt von „völker- und staatsrechtlicher Annexion“ sowie der „Enteignung von Territorien und Vermögen der (kath) Kirche, des gesamten bischöflichen und klösterlichen Grundbesitzes“. Gut katholisch gebrüllt. Aber leider auch so falsch.

Der Reichsdeputationshauptschluss war Teil einer Modernisierung des damaligen „Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation“, das von dem bis dahin bestehenden „Flickenteppich“ von mehreren hundert Herrschaften nur noch rund drei Dutzend große Territorien übrig ließ. Die Herrschaftsgebiete der Reichsritterschaft wurden auch aufgehoben – ebenso ohne eine Entschädigung, für die auch im Reichsdeputationshauptschluss nichts zu lesen steht. Das einzige, wozu die weltlichen Herrscher verpflichtet wurden, war der Erhalt der Domkirchen.

Die Funktionsgebundenheit dieser Entscheidung zeigt sich unter anderem darin, dass zwar 'alle' katholischen geistlichen Territorien aufgehoben wurden, das Fürstentum des Bischofs von Mainz erhalten blieb, als Fürstentum Aschaffenburg, verbunden mit der Würde eines Kur-Erzkanzlers für den vorherigen Mainzer Erzbischof und Erzkanzler des Reiches. Er wurde auch weiterhin gebraucht, um zukünftige Kaiser zu krönen. Nach 1806, mit dem Ende des Kaiserreiches, war es auch damit auch bald zu Ende.

Von einer Säkularisierung der katholischen Kirche zu schreiben ist zudem Unsinn, da alle Kirchengemeinden und Einrichtungen, die der Seelsorge oder der Wohlfahrt dienten, damals erhalten blieben und teilweise sogar ausgebaut wurden.

Die aufgehobenen geistlichen Territorien waren zudem überwiegend frühere königliche und kaiserliche Lehen, die jeweils nach Belieben gegeben und zurückgenommen wurden – ohne Entschädigung. Die katholische Kirche und ihre Fürstbischöfe waren nur die Besitzer und nicht die Eigentümer. Was sollte also enteignet worden sein? Nichts.

Dass die aus ihrer weltlichen Herrschaft ‚depossedierten’ Bischöfe bis zu ihrem Lebensende staatliche Apanagen erhielten, einschließlich Sommerresidenz und Tafelgeschirr, war nur Ausdruck des kollegialen Standesbewusstseins, denn schließlich waren diese abgesetzten Bischöfe auch Adelige. Die konnte man schließlich nicht einfach mittellos auf die Straßen betteln schicken, wie die Nonnen und Mönche, die nicht in der Seelsorge oder Wohlfahrt tätig waren. Mit dem Tod der Bischöfe war auch mit diesen Apanagen Schluss.

Es ist dann eine weitere Geschichte, wie sich dann in Deutschland Königreiche bildeten, deren Herrscher als „Wir von Gottes Gnaden“ wiederum die religiöse Legitimation eines „Herrgottes“ brauchten. Mit 1918/19 und der demokratischen Revolution war diese Phase dann auch beendet und ein Staat, bei dem die politische Herrschaft auf der „Volkssouveränität“ beruht, benötigt keine Religionen mehr zur Legitimation. Das „do ut des“ – ich gebe, damit du gibst – war beendet.

Warum dann wiederum die Absicht der Weimarer Nationalversammlung, das beendete „Bündnis von Thron und Altar“ einer Staatskirche konsequent zu einer Trennung von Staat und Kirche voranzubringen, sich beinahe ins Gegenteil verkehrt hat, zu einem „Bündnis von Demokratie und Altar“, ist eine Geschichte des überaus erfolgreichen politischen Lobbyismus der beiden großen Amtskirchen, ihrer politischen Verbündeten sowie der Okkupation des so genannten „Staatskirchenrechts“.

Wenn Oberkirchenrat Jens Petersen in seinem Beitrag schreibt, dass der „Staat durch die Verbindung mit der evangelischen Kirche seit der Reformation und durch die Säkularisation von Kirchenvermögen beider Kirchen finanziell für beide verantwortlich war“, ach Gott, dann kommen einem doch die Tränen und man kann diese beiden vermutlichen Hungerleider doch eigentlich nur bedauern. Oder man kann sie herrlich loben, weil sie in ihrem politischen Lobbyismus einiges Historische bewusst verdrehen und dabei ebenso unverschämt wie erfolgreich sind.

Carsten Frerk