Selbsternannte "Lebensschützer" wollen durchmarschieren

Strafrechtliches Verbot organisierter Sterbehilfe unausweichlich?

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Haltende Hände
Haltende Hände, Maik Meid, Flikr CC BY-ND 2.0

BERLIN. (hpd) Es vergeht mittlerweile kaum ein Tag, an dem in den Medien nicht über Sterbehilfe und die verschiedenen Positionen dazu berichtet und debattiert wird. Dabei kommen auch die Befürworter einer liberalen am Selbstbestimmungsrecht orientierten Regelung deutlich zu Wort. Es entsteht der Eindruck einer offenen gesellschaftlichen Debatte, deren Ausgang noch nicht absehbar ist. Tatsächlich aber verhält es sich anders. An den Bundestagsabgeordneten prallen diese Debatten ebenso wie die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung völlig ab.

Fast täglich bekommen jetzt die Pläne verschiedener Abgeordnetengruppen im Bundestag zur Sterbehilfe deutlichere Konturen. Aber je mehr Informationen aus dem Parlament dringen, umso größer werden die Sorgen von Humanisten und sämtlichen Befürwortern einer Selbstbestimmung bis an das Lebensende. Es beginnt sich abzuzeichnen, dass diejenigen, deren ideologischer Hintergrund die verquere These von der “Unverfügbarkeit des Lebens” ist, im Bundestag auf deutliche Mehrheiten rechnen können.

Kriminalisierung von Sterbehilfe im nächsten Jahr sehr wahrscheinlich

Nachdem sich in der letzten Woche die vermeintliche “Mittelposition” um Hintze, Lauterbach und Kollegen als keine “mittlere”, erst recht nicht als eine liberale Position – wie vorher vielfach gemutmaßt – entpuppt hat, gelangen Beobachter des Parlamentsbetriebs zu dem Schluss: ein Strafgesetz zur Kriminalisierung von organisierter Sterbehilfe wird im Jahr 2015 kommen – und es wird (nur) eng begrenzte Ausnahmen von der Strafbarkeit für nahe Angehörige der Betroffenen und für Ärzte (unter äußerst restriktiven Bedingungen für Schwersterkrankte kurz vor dem Eintritt des Todes) geben.

Der hpd hatte bereits am 20. Oktober über diese besorgniserregende politische Entwicklung berichtet.

Humanisten befürchten große Mehrheit im Bundestag für Kriminalisierung

Auch die mit dieser Thematik seit Jahren intensiv befassten PraktikerInnen vom Humanistischen Verband Deutschlands (HVD) äußern die Befürchtung, dass eine drastische Verschärfung der Rechtslage bevorsteht: “Suizidhilfebestrafung jetzt wahrscheinlich”, titeln sie eine aktuelle Mitteilung auf der HVD-Website und weisen darauf hin, dass immer mehr PolitikerInnen Auffassungen äußerten, denen zufolge sie die BürgerInnen vor sich selbst oder organisierten Suizidhelfern schützen müssten. “Im Bundestag zeichnet sich eine große Mehrheit für den Plan ab, die bisher straffreie Beihilfe bei der freiverantwortlichen Selbsttötung mit Gefängnis zu bestrafen, wenn sie organisiert (”geschäftsmäßig“) geleistet wird. Betroffen wären die derzeit erlaubten Sterbehilfe-Vereine sowie Ärzte oder andere Einzelpersonen, die öfters tödlich wirkende Medikamente für Menschen beschaffen, welche sich damit selbst töten….” wird in der Stellungnahme betont.

Weiteres Positionspapier gegen Selbstbestimmung

Neben CDU/CSU, großen Teilen der SPD und der Linken, die für eine Kriminalisierung der Sterbehilfe streiten, haben mittlerweile zwei grüne Abgeordnete ihre Unterstützung dieses Vorhabens bekräftigt und ein Positionspapier vorgelegt. Überschrieben haben die grünen Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg und Harald Terpe ihr Papier, das das Selbstbestimmungsrecht vollständig ignoriert ausgerechnet mit “Vorschlag für eine moderate strafrechtliche Regelung der Suizidbeihilfe”.

Den beiden gehen selbst die Vorschläge von Hintze und Lauterbach zu weit, denn dabei drohe aufgrund der “Institutionalisierung der ärztlichen Suizidbeihilfe”  ein Dammbruch, der zu immer mehr Suiziden führen werde. Ihre grobgestrickten Behauptungen begründen sie nicht. Für die Dammbruchhypothese sprechen bekanntlich keinerlei belastbare Daten und auch nicht die langjährigen Erfahrungen aus Ländern, in denen Sterbehilfe zulässig ist. Die beiden Abgeordneten setzen auf Angsterzeugung und Panikmache, wenn sie formulieren: “Der assistierte Suizid darf aber nicht zu einer alltäglichen ‘Dienstleistung’ im gesundheitlich-pflegerischen Versorgungsgeschehen werden. Der Druck auf Menschen, diese Option in Anspruch zu nehmen, wird dann unweigerlich steigen.” Ihr erklärtes Ziel: “Daher wollen wir die Suizidbeihilfe im Strafgesetzbuch unter Strafe stellen, soweit sie als regelmäßige, auf Wiederholung angelegte ‘Dienstleistung’ angeboten wird (‘geschäftsmäßig’) …”.

“Humanistisches Bündnis” - was nun?

Der HVD setzt gegen die sich abzeichnende Tendenz zur Kriminalisierung von Sterbehilfe auf ein “humanistisches Bündnis” und verweist auf das im Frühjahr ins Leben gerufene Bündnis für Selbstbestimmung am Lebensende “Mein Ende gehört mir” das mit verschiedenen Aktionen an die Öffentlichkeit getreten ist.

Klar ist eines: wer jetzt etwa auf weitere Aktivitäten verzichtet, hat schon aufgegeben.

Die Pläne, die aus dem Bundestag bekannt werden, ignorieren den Wunsch der großen Mehrheit der Bevölkerung nach einer liberalen Regelung der Sterbehilfe. Um dieser Volksmeinung bei den Abgeordneten Gehör zu verschaffen, reicht es nicht aus, lediglich einen Kongress durchzuführen und ein paar Tage lang Autos mit Plakaten durch die Gegend fahren zu lassen. Das darf nur der Auftakt gewesen sein.

Denn – trotz der Äußerungen aus dem Parlament: noch ist eine Entscheidung nicht gefallen, und die große Mehrheit der Bevölkerung wünscht die Zulässigkeit von Sterbehilfe.