Sterbehilfe - Bundestagsmehrheit für Verbot von Sterbehilfevereinen?

Ausnahmeregelungen nur für ärztlich assistierten Suizid

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Vorstellung des Positionspapiers in der Bundespressekonferenz
Vorstellung des Positionspapiers in der Bundespressekonferenz

BERLIN. (hpd) Allmählich nehmen die im Bundestag vertretenen Positionen zur Sterbehilfe deutlichere Konturen an. Positive Signale für eine liberale Regelung der Beihilfe zum Suizid lassen sich daraus allerdings nicht entnehmen. Einzig Renate Künast steht für die Zulässigkeit auch von gemeinnützigen Sterbehilfevereinen, allerdings unter den Bundestagsabgeordneten weitgehend allein mit ihrer eindeutigen Ablehnung der Einführung eines Strafverbotes für Sterbehilfe.

Am vergangenen Donnerstag legte eine Gruppe von Abgeordneten um den CDU-Politiker Hintze und den SPD-Politiker Lauterbach das erste parlamentarische Positionspapier zur Regelung der Sterbehilfe vor.

Diese Initiative war bislang als Alternative zu den Gröhe-Plänen zur Kriminalisierung von Suizidbeihilfe gehandelt worden. Doch jetzt steht aufgrund der Äußerungen der beteiligten Abgeordneten fest, dass eine solche Bewertung falsch ist.

Regelungen nur für den ärztlich assistierten Suizid

Die Bundestagsabgeordneten Peter Hintze, Katherina Reiche (beide CDU), Carola Reimann, Karl Lauterbach, Burkhard Lischka (sämtlich SPD) und Dagmar Wöhrl (CSU) wollen die Zulässigkeit eines ärztlich assistierten Suizids ausdrücklich gesetzlich – im Bürgerlichen Gesetzbuch - geregelt haben. Nur zu dieser Thematik äußern sie sich in ihrem Vorschlag.

Mit ihrer Forderung setzen sie sich allerdings in Widerspruch zu den langjährigen Bemühungen von Ärztekammerpräsident Montgomery und auch der Zielsetzung der Initiative von Bundesgesundheitsminister Gröhe (CDU), Ärzten generell Hilfeleistungen beim Suizid ausdrücklich zu verbieten. Montgomery hat auch bereits am vergangenen Freitag seine kategorische Ablehnung dieses Vorschlags mitgeteilt.

Das Zentralkomitee der Katholiken hat ebenfalls bereits einen Tag nach dem Hintze-Vorschlag seine ablehnende Haltung zum ärztlich assistierten Suizid bekräftigt. Andere Signale kommen hingegen aus der EKD: dort soll nun doch die bisherige Position, die einen ärztlich assistierten Suizid strikt abgelehnt hat, überdacht werden.

Sollte die Position von Hintze und Kollegen eine Mehrheit im Bundestag erhalten, wäre künftig die ärztliche Assistenz beim Suizid gesetzlich ausdrücklich erlaubt – allerdings nur unter äußerst engen Voraussetzungen im allerletzten Lebensstadium.

Der wesentliche Inhalt des Hintze-Vorschlags

In dem Positionspapier wird für “ein Sterben in Würde” plädiert. Es wird darin anerkannt, dass “Palliativmedizin bei zum sicheren Tod führenden Erkrankungen an ihre Grenzen stößt”, so dass “schwerstkranke Menschen oftmals eine große Not” leiden. Die sechs Abgeordneten “wollen das Selbstbestimmungsrecht der Patienten stärken” und bezeichnen es “einen Verstoß gegen die Menschenwürde, wenn aus dem Schutz menschlichen Lebens ein staatlicher Zwang zum Leiden wird”. Sie formulieren: “Wir halten es für ein Gebot der Menschenwürde, leidenden Menschen an ihrem Lebensende zu helfen.”

Hintze-Vorschlag: keine liberale Regelung von Sterbehilfe

Allerdings sind diese Abgeordneten mit ihrem Vorschlag weit von den Positionen einer liberalen Regelung entfernt, wie sie von humanistischer Seite und im Bundestag von Renate Künast gefordert werden. Denn ausschließlich in äußerst eng umgrenzten Fällen soll ärztliche Unterstützung beim Suizid zulässig sein. Vorliegen müssen “irreversibel zum Tode führende Erkrankungen und schweres Leiden”, somit eine “unheilbare Erkrankung”, die “unumkehrbar zum Tode führt”.

Das schwere Leiden des Patienten müsse objektiv bewertet werden, so dass es nicht nur auf dessen subjektives Empfinden ankomme. Letztlich, so dieses Positionspapier, sollen Ärzte nur bei einer “extremen Leidenssituation des Patienten” Unterstützung leisten dürfen, nicht aber bei “einem anderweitig verursachten Wunsch nach Beendigung des eigenen Lebens”.

Sind die Sorgfaltskriterien, die der Vorschlag an die ärztliche Tätigkeit anlegt (umfassende Beratung der Patienten über Alternativen zur Selbsttötung, über Palliativmedizin, Hinzuziehung eines zweiten Arztes und mehr) durchaus noch in Übereinstimmung mit humanistischen Positionen, so ist die Einschränkung der Zulässigkeit ärztlicher Sterbehilfe auf Fälle schwersterkrankter Menschen im letzten Lebensstadium nicht mit dem Menschenrecht auf Selbstbestimmung vereinbar.

Ärztliche Assistenz bei Bilanz-Suiziden soll verboten sein

Auf keinen Fall wäre es dem Hintze-Vorschlag zufolge zulässig, in einem vorher gehenden Lebensstadium, wenn die schwersten Folgen einer Erkrankung noch nicht eingetreten, sondern lediglich vorhersehbar sind, ärztliche Sterbehilfe zu leisten.

Einem Hans Küng etwa, der an Parkinson und einer Makula-Degeneration leidet und mit ärztlicher Hilfe zu einem Zeitpunkt aus dem Leben scheiden möchte, den er selbst bestimmt, bevor er völlig bewegungs- und artikulationsunfähig, völlig erblindet ist – einem Hans Küng dürften Ärzte nach dem Hintze-Vorschlag keine Hilfe zu Suizid leisten.

Vorschlag wertet Selbstbestimmungsrecht ab

Dem Recht auf Selbstbestimmung eines jeden Menschen über sein Leben und auch sein Lebensende wird der vorgelegte Vorschlag somit nicht gerecht.

Das am Donnerstag vorgelegte Papier formuliert ausdrücklich, dass “Rechtssicherheit für Ärzte” gewollt und dafür eine gesetzliche Regelung im Zivilrecht angestrebt wird. Die sechs Abgeordneten lehnen, wie sie schreiben, “eine weitergehende Regulierung ärztlichen Handelns mit den Mitteln des Strafrechts ab”. Ausschließlich auf die Tätigkeit von Ärzten beziehe sich ihr Vorschlag. Weitergehende Aussagen zu einem strafrechtlichen Verbot von Sterbehilfe, wie von Gröhe, Kauder u.a. gefordert, machen diese sechs Abgeordneten in ihrem Vorschlag nicht. Dies wurde bisweilen so interpretiert, dass sie keine Schaffung einer neuen Strafnorm wünschen; sie wurden als liberale Gegenspieler zu Gröhe gehandelt.

Hintze und Kollegen: für strafrechtliches Verbot organisierter Sterbehilfe

Bei der Vorstellung des Positionpapiers am vergangenen Donnerstag kam dann jedoch anderes zutage. Hintze und Lischka erklärten ausdrücklich, dass andere Formen von Suizidbeihilfe als die ärztliche unter ein Strafverbot fallen würden.

Ein Strafgesetz würden andere Abgeordnete erarbeiten, sie selbst würden lediglich Bedingungen festlegen wollen, unter denen Ärzte straffrei bei einem Suizid assistieren dürfen. Hintze wird in der Presse mit der Bemerkung zitiert, er könne sich gut vorstellen, dass sich die von ihm vorgeschlagene Regelung und ein grundsätzliches strafrechtliches Verbot von Sterbehilfe “nebeneinander vertragen” würden.

Karl Lauterbach hat am Wochenende ausdrücklich dem Unions-Fraktionsvorsitzenden Kauder zugestimmt, dass im nächsten Jahr im Bundestag ein Verbot der organisierten Sterbehilfe verabschiedet werden soll.

Sterbehilfedebatte: Streit nur noch um ärztlich assistierten Suizid

In einem Artikel in der WELT ist eine wohl zutreffende Bewertung der Situation vorgenommen worden, wenn notiert wird: “Faktisch also arbeitet die Gruppe (um Hintze) an dem Plan, auf der Basis eines von anderen eingebrachten Verbots geregelte Ausnahmen für Ärzte zu schaffen. Sodass man es im Bundestag mit einer vermutlich sehr großen Verbotsmehrheit zu tun haben wird, in der nur darüber gestritten werden dürfte, wie weit die Ausnahmen gehen sollen.”

Wird es im Bundestag überhaupt noch liberale Vorschläge geben?

Der Bundestag wird im November eine “Orientierungsdebatte” zur gesetzlichen Regelung von Sterbehilfe führen, das Gesetzgebungsverfahren soll dann Anfang 2015 eingeleitet werden.

Gegenwärtig zeichnen sich drei Gruppen von Abgeordneten aus den Reihen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90 / Die Grünen ab, die Sterbehilfe grundsätzlich kriminalisieren wollen. Ausnahmeregelungen für enge Angehörige und für Ärzte wollen nur einige der Strafbarkeitsbefürworter zulassen – keinesfalls aber organisierte Sterbehilfe irgendwelcher Art. Ähnlich verhält es sich mit dem Vorschlag von Hintze und Lauterbach.

Von der Linken ist kaum etwas in dieser Debatte zu vernehmen, jedenfalls keine Äußerung, die das Selbstbestimmungsrecht betont. Der gesundheitspolitischer Sprecher der Linken Bundestagsfraktion, Harald Weinberg, hat im März erklärt, dass es bei diesem Thema vieles zu bedenken gäbe und eine Evaluation vorgeschlagen. Seitdem herrscht Funkstille.

Die beiden LINKEN-Bundestagsabgeordneten Kathrin Vogler und Kersten Steinke haben sich eindeutig für ein strafrechtliches Verbot von organisierter Sterbehilfe ausgesprochen.

Bislang einzige Stimme für liberale Regelung - Renate Künast

Bislang ist Renate Künast die einzige unter den Bundestagsabgeordneten, die für eine liberale Regelung plädiert, wie sie auch von humanistischer Seite gefordert wird. Sämtliche bisherigen Äußerungen aus dem Bundestag stehen bis auf die der früheren Grünen-Fraktionsvorsitzenden im absoluten Gegensatz zu dem, was die große Mehrheit der Bevölkerung wünscht.

Was momentan aus dem Parlament zu hören ist, lässt nicht auf eine Beachtung des Selbstbestimmungsrechts hoffen – eher muss mit einer flagranten Verletzung dieses Menschenrechts gerechnet werden.