Das "Neue Königreich Deutschland"

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Peter Fitzek
Peter Fitzek

BERLIN. (hpd) Man könnte an Rio Reiser denken, wenn man das erste Mal von einem “Königreich Deutschland” hört. Allerdings verbirgt sich dahinter eine krude Mischung aus gefährlichen, esoterischen und verfassungsfeindlichen Ideen. Die Autorin Julia Vogel hat eine Einführung geschrieben, die Einblicke in die Ideologie dahinter ermöglicht.

“Besserwisser haben wir eine Menge, Bessermacher nicht. Und dann habe ich mir gedacht, ich zeige den Leuten mal, wie man es besser macht.” So lautet das Credo von Peter Fitzek zur Gründung seines “Neuen Königreich Deutschland”: ein (Schein-)Staat mit (scheinbar) eigenem “Staatsvolk, Staatsgebiet und Staatsgewalt” auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland als Mikronation. Dabei ist sein “Königreich” weder rechtsfähige juristische Person, noch ein Staat im Sinne des Völkerrechts.

In den letzten Monaten sorgten Peter Fitzek und sein “Königreich Deutschland” in den Medien für einiges Aufsehen. Der Öffentlichkeit durch Razzien bekannt gewordener Steuerbetrug sowie unerlaubte Versicherungs- und Bankgeschäfte brachten ihn in die Verhandlungssäle der zuständigen Gerichte. Deshalb suchten Fitzek und seine Anhänger nach Wegen, um weiter diese Geschäfte des “Königreiches” betreiben zu können - so wurden eigene “Institutionen” umbenannt, neue Verträge ausgeschrieben, Firmen umgeändert, aufgelöst und unter anderem Namen neu gegründet.

Trotz juristischer und finanzieller Sanktionen - in diesen Tagen wurde der selbsternannte König am Amtsgericht Dessau-Roßlau zu einer Geldstrafe von 4.200 Euro in 120 Tagessätzen a. 35 Euro verurteilt - ist Fitzek scheinbar dennoch gewillt, sein “Königreich” fortzuführen, denn in seinem Neujahrsbrief an alle Mitglieder appellierte er weiterhin an einen umfangreicheren Ausbau der Regionen und Veranstaltungen des “Königreiches” in diesem Jahr.

Doch wer steht hinter dem Königreich und wie kam es zu dessen Gründung?

Wie alles begann

Die “bedrohten Systemstrukturen” der Bundesrepublik Deutschland zu ersetzen und eine neue Reform schaffen - das war das Ziel von Peter Fitzek, selbst ernannter Monarch des von ihm gegründeten “Königreich Deutschlands”, im vorherigen Leben Koch und Gaststätten/Hotelleiter. 1994 gab er an, mit einem Menschen in Berührung gekommen zu sein, welcher ihm magische Schriften zu lesen gab. Nach dem er diese “lange studiert hatte” begann sich scheinbar im Jahre 2006 seine Idee zu entwickeln. So eröffnete er den Laden “Engelswelten”, in welchem allerhand esoterischer Literatur und Materialien erhältlich waren. Neben dem Verkauf schien er auch Kontakt mit interessierten Kunden aufzunehmen. So schien es zu gelingen, seine in ihm blühende Idee einer neuen Staatsgründung einem “eingeweihten Kreis” näher zu bringen.

Durch wachsenden Zuspruch gründete er im Jahre 2009 den Verein “Neudeutschland”, welchem die Eintragung in das Vereinsregister allerdings untersagt wurde, da “die vom Beteiligten verfolgten Ziele mit dem Art. 9 Abs. 3 des GG nicht vereinbar sind” (Anm.: Vereine, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten, sind nach dieser Vorschrift verboten).

Aber das hielt Fitzek, der bereits Erfahrungen mit der Selbstständigkeit durch verschiedene eigene Geschäfte sammeln konnte, nicht davon ab, einen weiteren Versuch zu unternehmen. Nach langer Zeit der “Mitgliederanwerbung” und Interessenten des Vereins schien seine neue Staatsgründungsidee Anklang zu finden. Schließlich konnte die Gründung des “neuen Staates” am 16.09.2012 auf dem neun Hektar großen “Staatsgelände”, welches Fitzek dank einer Großspende erwerben konnte, in Wittenberg erfolgen. Mehrere tausend Menschen sollen sich auf dem Gelände zur “Gründungszeremonie” versammelt haben, welche allerdings zuvor eine Eintrittskarte in Höhe von mehreren hundert Euro erworben haben. Der Scheinstaat wurde mit acht Personen gegründet. Dies stellt laut Fitzek die Anzahl der Harmonie und des Gleichgewichtes dar. Fitzek selber hat sich zum “König” krönen lassen.

Ideologie

Fitzek sieht sich mit seinem Königreich in der Nachfolge des Deutschen Reiches ab 1945. Er akzeptiert weder die Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen DDR, noch die Wiedervereinigung. Auch die für alle deutschen Bürger geltenden Gesetze akzeptiert er nur dann, wenn sie für ihn einen Nutzen haben, bzw. es der einzige Weg ist, um etwas zu erreichen. Lieber greift er auf seine eigene Verfassung zurück, welche auch für seine Anhänger gilt. Diese rechtlich bedenkliche Auffassung manifestiert sich z.B. dadurch, dass Fitzek nur mit einem von ihm entworfenen Führerschein fährt oder eine Gerichtsverhandlung plötzlich verlässt mit der Begründung, der Richter könne für ihn als “Monarchen” gar nicht zuständig sein.

Fitzek wollte mit seiner Staatsidee durch Gelder seiner Anhänger “alle Ungerechtigkeiten auflösen” und ein “Leben ohne Probleme schaffen”. Das “Königreich” gewährleiste laut eines Flyers ein “freies Deutschland, Stabilität, eine friedliche Revolution, freie Schulen und Universitäten, ein neues Gesundheitssystem, ein sicheres Renten- und Bankensystem, eine neue Wirtschaftsordnung und eine dauerhaft friedliche Welt”.

Mitgliedschaft

Durch eine Antragstellung auf Mitgliedschaft kann man in das “Königreich” eintreten und “Staatsbürger” werden. Des Weiteren muss ein “Staatsbürgerseminar” besucht werden. In diesem lernen die potentiellen Neumitglieder die eigens für das “Königreich” entworfene “Verfassung” kennen und sollen sich mit dieser identifizieren. Eine anschließende Prüfung folgt, auch die “Verfassung” muss eigenhändig unterschrieben werden. Erst dann ist man “Staatsbürger” und kann als dieser eine eigene Firma im “Königreich” errichten und darin scheinbar steuerfrei tätig sein. Es gibt mehrere Räte zur Mitbestimmung, welche hierarchisch geordnet sind und nur einen Aufstieg nach entsprechenden Leistungen vorsehen.

561 Staatszugehörige, 59 Staatsangehörige “Volk”, 7 Staatsangehörige “Bürger” und 4 Staatsangehörige auf Probe sind derzeit auf der Internetseite verzeichnet. [1] Weiterhin sollen 6 Staatsbetriebe und 3 Einzelunternehmen (Reichs-Technologie-Zentrum, Online Markt Kadari, Akasha- Druck-Verlag) im “Königreich” wirtschaftlich tätig sein.

Institutionen des Königreiches

Fitzek erwarb im Zuge seiner Staatsgründung Immobilien, um Institutionen, wie z.B. die “Deutsche Gesundheit”, die “Königliche Reichsbank”, die “Königliche Universität”, den “Kindergarten Wald und Wiesen”, die “Deutsche Rente”, ein eigenes Krankenhaus, das “Lichtzentrum Wittenberg” und einige weitere Institutionen darin einzuquartieren und zu etablieren. Von dem Fortbestehen einiger dieser Projekte ist allerdings zum Teil wenig bekannt. Im Fitzek‘schen System scheinen die “Deutsche Gesundheit” sowie die “Königliche Reichsbank” die wichtigsten Einnahmequellen zu sein.

Mit dieser “Deutschen Gesundheit” - ehemals “Neudeutsche Gesundheitskasse” - gründete Fitzek eine eigene Krankenkasse, die jedoch behördlich nicht genehmigt wurde. Aufgrund “zunehmender Unzufriedenheit der Bürger bezüglich der Schulmedizin” sollte sich seine Krankenkasse durch Stärkung der Eigenverantwortung auszeichnen. Als Lokalität war das von Fitzek erworbene ehemalige Krankenhaus am Rande Wittenbergs hierfür bestimmt. Statt “ständig steigenden Beiträgen, einseitigen Behandlungsmöglichkeiten, fehlender Wissensvermittlung zur Unterstützung der Heilung von Krankheiten wie bei den normalen gesetzlichen Krankenkassen”, garantiere die “Fitzek’sche Kasse” kostenlose Gesundheitsseminare, keine Beitragserhöhung im Alter, mindestens 20 Prozent Kostenersparnis sowie Wissen über sich selbst und darüber hinaus “Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensfreude”. Durch den Abschluss der Versicherung wird wahrheitswidrig vorgegeben, dass die Menschen einer gesetzlichen Verpflichtung zur Absicherung nachgekommen sind. Es sei daher auch keine andere Krankenkasse nötig. Mitglieder des Königreiches sollten gleichzeitig Mitglieder in der eigenen Krankenkasse sein.

In dem alten Krankenhaus sollte eine “Klinik für ganzheitliche Medizin” entstehen. Es ist davon auszugehen, dass sich diese an der “Neuen germanischen Medizin” nach Ryke Haamer ausgerichtet hätte, für die sich Fitzek interessiert und welche er zum Teil selbst auf Seminaren angepriesen hat. Die “Neue germanische Medizin” versteht sich als alternative, ganzheitliche Ursachenbekämpfung bei Krankheiten im Gegensatz zur Schulmedizin, welche in den Augen der Anhänger nur die Symptome bekämpft.

Demzufolge sollten auch die Operationsräume des alten Krankenhauses nicht wieder hergerichtet werden, da diese von den Anhängern nicht benötigt werden würden.

Es zeichneten sich bereits von Anfang an Probleme ab: so beobachteten die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), der Spitzenverband der GKV sowie das Bundesministerium für Gesundheit Fitzeks Vorgehen und gingen dagegen vor. Nach mehrmaligem Briefwechsel zwischen Fitzek und der BaFin wurde ihm der Betrieb der “sogenannten Krankenkasse” untersagt, da er keine hierfür erforderliche Erlaubnis nach § 5 Abs. 1 des Gesetzes über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (VAG) hatte. Fitzek wurde daher aufgetragen, sämtliche bestehende “Mitgliedsverträge” aufzuheben. Um die gesetzlichen Vorschriften zu umgehen, konstruierte Fitzek die Verträge neu und änderte den Namen der Krankenkasse. Deshalb trug sie schon mehrere Namen (“Neudeutsche Gesundheitskasse”, “Neudeutsche Unterstützerkasse” sowie “Deutsche Gesundheit”). Des Weiteren wurde inzwischen mehrfach die “Verantwortlichkeit” für die Krankenkasse von Fitzek auf seine Vorstandsmitglieder abgewälzt.

Fazit

Fitzek bietet vermeintlich ein neues Gesellschaftssystem, welches sich am Gemeinwohl orientieren soll. Er propagiert eine vermeintliche Alternative zum Gesellschaftssystem in mehreren Belangen: ein Gesundheitssystem, in dem der Mensch lernen soll, sich selbst zu heilen; ein Finanzsystem, welches für das Gemeinwohl da sei soll; eine Universität, in der alles gelehrt werde, was man für den Aufbau eines Staates braucht; eine eigene Garde, die für die Sicherheit innerhalb des Königreiches verantwortlich ist; eine Schule, in der Lernen ohne Zwang möglich ist und vieles mehr.

Die Intention dahinter scheint offenkundig das Anwerbern weiterer Anhänger darzustellen, um den (Schein)-Staat so weit wie möglich ausbauen zu können und damit gleichzeitig auch persönlich eine finanziell attraktive Einnahmequelle zu unterhalten.

Die Aktivitäten Fitzeks werden vom Verfassungsschutz beobachtet und als verfassungsfeindlich eingeschätzt. Als absolutistischer Herrscher, der sich als gottgesandt versteht, postuliert Fitzek totalitäre Ansprüche. Mit seinen Inszenierungen und monetären Veranstaltungen nutzt er seine Anhänger und Unterstützer finanziell aus. “Zudem wird der antisemitische Grundgehalt der von Fitzek propagierten gesundheitlichen Auffassungen hervorgehoben.” Die wissenschaftliche Unhaltbarkeit der von Fitzek propagierten “Alternativmedizin” sowie auch die Nähe zur “Reichsbürgerbewegung” tun ein Übriges.

Wie es nach dem oben erwähnten Urteil des Amtsgerichts Dessau-Roßlau mit dem “Königreich” weitergeht, bleibt abzuwarten. Fitzek scheint allerdings auch ein Anwesen in Paraguay zu besitzen. Vielleicht entsteht dann irgendwann ein “Königreich Paraguay”.

 


Siehe dazu auch:
“Reichsapfel, Zepter und Krone - Peter Fitzek und sein Königreich”,
Fernsehbeitrag Exakt Screenshot aus einem Video, in dem Fitzek seine Weltsicht erklärt.