Lukas Hermsmeiers "Uprising"

Berichte über die neue Linke in den USA

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Washington DC
Washington DC

Der Journalist Lukas Hermsmeier legt mit "Uprising. Amerikas neue Linke" eine reportageartige Überblicksdarstellung vor, worin die diversen Erscheinungsformen einer neuen Linken in den USA thematisiert werden. So erhält man einen locker geschriebenen Einstieg ins Thema, allerdings häufig ohne kritische Erörterungen und eine formale Struktur.

Während die mediale Aufmerksamkeit für einen Rechtsruck etwa bei den Republikanern in den USA relativ groß ist, lösen neuere Entwicklungen auf der politischen Linken hierzulande nur gelegentlich breitere Wahrnehmungen aus. Dafür standen die relativen Erfolge von Bernie Sanders, der die demokratische Nominierung als Präsidentschaftskandidat als erklärter demokratischer Sozialist zweimal anstrebte. Auch der Aufstieg der Democratic Socialists of America ist ein Indiz für diesen gesellschaftspolitischen Prozess. So sieht dies auch Lukas Hermsmeier, der als deutscher Journalist seit 2014 in New York lebt und von dort aus für unterschiedliche Publikationsorgane schreibt. Dies sind etwa für Deutschland der Tagesspiegel oder die taz und die New York Times oder The Nation für die USA. Was sich nun in seinem Gastland so auf der politischen Linken tut, das behandelt er in einer eigenen Monographie zum Thema: "Uprising. Amerikas neue Linke". Gleichzeitig will der Autor danach fragen, inwieweit es von dort Inspirationen für die deutsche Situation geben könne.

Cover

Seine Darstellung und Erörterung ist kein strukturiertes Sachbuch. Eher nimmt Hermsmeier seine Leser mit auf eine Reise durch die USA. Jedes der zehn Kapitel ist einem Phänomen gewidmet. Der Autor schildert eigene Beobachtungen, stellt linke Protagonisten vor und präsentiert freie Reflexionen zu dem. Diese Besonderheiten müssen klar sein, wenn keine falschen Erwartungen aufkommen sollen. Ausgangspunkt seiner Betrachtungen ist die Enttäuschung über Obama, der als Hoffnungsträger gehandelt wurde und viele Probleme doch nicht lösen konnte. Wie angemessen diese Einschätzung ist, wird nicht in einem breiteren Kontext erörtert. Hier geht es nur um den Ansatz einer Erklärung dafür, dass an der gesellschaftlichen Basis neue Formen einer kollektiven Organisierung entstanden. Dies erklärt auch die geringere Aufmerksamkeit in Deutschland, erfolgten die gemeinten Entwicklungen doch nicht in der "großen Politik", sieht man einmal von den erwähnten Kandidaturen von Bernie Sanders und ihrer starken medialen Wahrnehmung ab.

Bei der gemeinten neuen Linken geht es nicht um ein homogenes Phänomen, worauf bereits zu Beginn von Hermsmeier aufmerksam gemacht wird. Es handelt sich durchaus um unterschiedliche soziale Gruppen mit verschiedenen Themen. Am Beginn steht die Occupy-Bewegung mit ihren Platzbesetzungen, dann geht es um die Black Lives Matter-Proteste, den Aufstieg der Democratic Socialists of America und von Jacobin als sozialistischem Theorieorgan. Dem folgen Ausführungen zu den indigenen Protesten gegen räumliche Verdrängung, den Abolismus-Forderungen nach einer Gesellschaft ohne Polizei oder der Arbeiterinnenbewegung von Frauen of Color. Und schließlich stehen die dortige Klimabewegung mit dem Green Deal-Konzept, die Proteste gegen faschistische Strukturen und das Engagement junger linker Kandidaten bei regionalen Wahlen im Zentrum. Damit werden in der Bilanz die unterschiedlichsten Facetten einer neuen Linken in den USA thematisiert. Der Autor geht aber nur selten über eine Beschreibung hinaus.

Und genau in dieser Besonderheit besteht auch das Problem, denn das Buch liefert zwar einen gut lesbaren Einblick in die gegenwärtige Linke in den USA. Es werden auch immer wieder analytische Einschätzungen eingestreut, aber nur selten erfolgt eine intensivere Erörterung. Dies geschieht in Ansätzen bezüglich den Forderungen nach einer Gesellschaft ohne Polizei, wo dann aber eine potentielle Abschaffung und eine wünschenswerte Reform nicht realistisch abgewogen werden. Bei der Darstellung der Green Deal-Konzepte wird von Hermsmeier berechtigt problematisiert, dass hier blinde Flecken hinsichtlich der sozialen Fragen bestehen, was auch mit dem innerlinken Red Deal in den USA selbst so gesehen wird. Durch das Buch hindurch zieht sich eine sympathisierende Einstellung gegenüber den jeweiligen Protagonisten, was mit die Existenz mancher analytischer Leerstellen erklärt. Denn bedenkliche Dimensionen der dortigen Linken machen deren eher geringe Resonanz mit verständlich. Auch davon könnte in Deutschland eine demokratische Linke lernen.

Lukas Hermsmeier, Uprising. Amerikas neue Linke, Stuttgart 2022 (Klett-Cotta), 319 S., 22,00 Euro

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