Mit 94 Prozent Zustimmung:

SPD-Parteitag beschließt baldige Gründung von säkularem Arbeitskreis

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Der SPD-Parteitag fand am 11. Dezember digital statt
Online-Abstimmung auf dem SPD-Bundesparteitag am vergangenen Wochenende

Bisher gibt es noch keinen entsprechenden AK auf Bundesebene, das soll sich in Folge des Parteitags am vergangenen Wochenende nun ändern. Mitglieder des Netzwerks der Säkularen Sozis äußern sich erfreut. Die abschließende Entscheidung liegt nun beim Parteivorstand.

Der SPD-Parteitag am 11. Dezember hat bei nur wenigen Gegenstimmen und Enthaltungen mit 94 Prozent und 470 Stimmen als Auftrag an den Vorstand folgenden Antrag beschlossen:

"Der Parteivorstand richtet entsprechend § 10 Absatz 2 des Organisationsstatuts einen Arbeitskreis 'Säkulare Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten' ein."

Ein Initiativkreis bestehend aus Mitgliedern des Parteipräsidiums, den Säkularen Sozis und Humanistischen Verbänden bereitet zur Zeit die Einsetzung eines Bundesarbeitskreises vor, der sich um die Anliegen konfessionsfreier Parteimitglieder kümmern wird. Wörtlich heißt es dazu im Geschäftsbericht des Parteivorstands, der dem Bundesparteitag am Wochenende vorlag:

"Lange schon gibt es informelle Arbeitszusammenhänge, in denen sich Säkulare Sozialdemokrat*innen und Humanist*innen in der SPD austauschen und arbeiten. Den Wunsch, daraus eine Struktur, wie beispielweise einen Arbeitskreis, zu machen, hat das Präsidium aufgegriffen. Auf Bitte des Generalsekretärs gab es einen intensiven Austausch zwischen den Aktiven dieser beiden Gruppen sowie Kevin Kühnert, Klara Geywitz, Dietmar Nietan und Katarina Barley. Die weiteren Schritte wird der neugewählte Parteivorstand gemeinsam mit den Aktiven im Initiativarbeitskreis gehen."

Für die weitere Arbeit hat sich der Initiativkreis auf zwölf inhaltliche Fragestellungen verständigt, die in einem möglichen Arbeitskreis diskutiert werden und zu denen gegebenenfalls positionierende Beiträge oder Empfehlungen erarbeitet werden. Darüber hinaus soll der Arbeitskreis für parteiinterne sowie externe Foren offene Diskussionen anbieten. Eine Zusammenarbeit mit den religiösen Arbeitskreisen in der SPD ist ausdrücklich erwünscht.

Mühsam, aber erfolgreich?

Mitglieder der Säkularen Sozis, die bisher nur in Berlin einen offiziellen Arbeitskreis einrichten konnten, reagierten hocherfreut. Uli Bieler, Co-Vorsitzender eben jenes Berliner AKs "Säkulare und humanistische Sozialdemokrat*innen in Berlin" äußerte sich gegenüber dem hpd in einem ausführlichen Statement, in dem er auch noch einmal auf die über zehnjährige Phase eingeht, die der jetzt beschlossenen Gründung vorausgegangen war:

"Ein langer Weg ist bald zu Ende: Denn schon am 27. Oktober 2010 wurde an den Parteivorstand der SPD ein Antrag gestellt auf Einrichtung eines Arbeitskreises 'Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten für die Trennung von Staat und Religion', unterzeichnet von Doris Barnett und Rolf Schwanitz, beide damals MdBs. Denn – wie unter anderem im Schreiben begründet wurde – sei es 'angesichts unserer weltanschaulich und religiös immer vielfältigeren Gesellschaft … dringend angezeigt, dass die SPD diese weltanschauliche Pluralität auch in ihren Arbeitsstrukturen abbildet.'

Bekanntermaßen wurde dieser Antrag abgelehnt, und weitere Streitigkeiten über die Bezeichnung des informellen Bündnisses führten auch innerhalb der Mitwirkenden zu heftigen Diskussionen; nach der Umbenennung von 'laizistische' in 'säkulare Sozialdemokrat*innen' haben sich einige nicht nur von der säkularen Gruppe abgewandt, sondern sind leider auch sehr enttäuscht aus der SPD ausgetreten.

Dr. Uli Bieler

Dr. Uli Bieler
(Foto: © Evelin Frerk)

Diejenigen, die sich von diversen Streitigkeiten mit der Parteispitze nicht entmutigen ließen, hatten sich in einem 'Bundesweiten Netzwerk der Säkularen in der Sozialdemokratie' zusammengeschlossen, mit regionalen Untergruppen, Jahrestagungen, Stellungnahmen zu wichtigen politischen Fragen mit säkularem Bezug, aber auch weiterhin mit Kontakten zur Parteispitze, um gemäß dem Motto 'steter Tropfen höhlt den Stein' doch noch die Anerkennung als offizieller AK der SPD zu bekommen.

Inzwischen hatte die innerparteiliche Diskussion dazu an Fahrt aufgenommen; immer mehr Ortsvereine, Unterbezirke und AGs unterstützten das Anliegen der Säkularen. Denn wenn es einen AK der Christen, der Muslime und der Juden in der SPD gibt, war schon aus Gründen der innerparteilichen Toleranz eine Gleichstellung der Säkularen angemessen. Hinzu kam, dass in Berlin auf Beschluss des Landesverbandes ein AK 'Säkulare und humanistische Sozialdemokrat*innen in Berlin' offiziell gegründet wurde, der also die Humanisten mit einschloss, aber insofern auch beispielgebend wirkte. Deshalb hatte sich ein Initiativkreis von Säkularen, Humanisten und Mitgliedern des Parteivorstandes gebildet, der in mehreren Sitzungen ausgelotet hat, mit welchen Fragestellungen sich ein solcher AK erfolgreich an der innerparteilichen Diskussion beteiligen kann.

Beim letzten ordentlichen Parteitag der SPD am 11. Dezember, der coronabedingt nur digital stattfand und deshalb keine Zeit für eine ausführliche Debatte der zahlreichen Anträge bot, wurden aber die zahlreichen Anträge (u. a. auch der 'AG 60+') zur Einrichtung eines 'AK Säkulare Sozialdemokrat*innen' pauschal mit großer Mehrheit angenommen und an den Parteivorstand überwiesen. Der wird sich nun demnächst damit befassen müssen. Dabei dürfte es nur noch um das 'wie und wo' der Organisationsstruktur eines solchen AK gehen und nicht mehr um das ob! Dafür haben auch schon zu viele Mitglieder des Parteivorstands eine positive Rückmeldung zum AK gegeben, auch etliche MdBs, vor allem die neuen und jungen im Bundestag. So kann man doch jetzt feststellen: Der elfjährige, manchmal etwas steinige Weg vom ersten Antrag in 2010 bis heute war mühsam, aber erfolgreich!"

Norbert Reitz, Mitglied im Bundessprecherkreis der Säkularen Sozis, ergänzte:

Norbert Reitz
Norbert Reitz
(Foto: © Evelin Frerk)

"Säkularität ist die Basis der Demokratie, der alle Bürgerinnen und Bürger verpflichtet sind. Deshalb war man in der SPD bisher wohl eher der Meinung, dass es kein eigenes Gremium dafür geben muss. Mit unserer Arbeit der letzten Jahre haben wir aber deutlich gemacht, wie viele Defizite es in der Verfassungswirklichkeit noch gibt. Deshalb waren wir hoch erfreut darüber, dass der Parteitag so eindeutig und mit nur wenigen Gegenstimmen und Enthaltungen den Auftrag an den Parteivorstand erteilt hat, diesen Arbeitskreis nun zu schaffen."

Johannes Schwill
Johannes Schwill
(Foto: © Evelin Frerk)

Auch Johannes Schwill, Mitglied des Sprecherkreises der Säkularen Sozis NRW, freut sich, "dass sich die alte Tante SPD auf ihre säkularen Wurzeln besonnen hat und die religiös-weltanschauliche Pluralisierung der Gesellschaft endlich auch in der Partei abbilden will. Konfessionsfreie sind nicht Genoss*innen zweiter Klasse! Als Präsident des HVD NRW ist mir dabei besonders wichtig, dass in dem Arbeitskreis nicht nur liberal-demokratische, sondern auch humanistische, sozial-integrative Positionen vertreten und erarbeitet werden sollen."

Sabrina Seidler
Sabrina Seidler (Foto: © privat)

Sabrina Seidler, ein weiteres Mitglied im Bundessprecherkreis der Säkularen Sozis, ist etwas zurückhaltender als ihre Parteikollegen: "Das sind großartige Nachrichten. Wer hätte das noch Anfang des Jahres gedacht? Doch meine Sektkorken knallen erst, wenn's offiziell ist. Die Flaschen sind jedenfalls schon einmal kaltgestellt."

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