Zürcher Gericht bestätigt: Grundlegende Kritik an Jehovas Zeugen ist berechtigt

Wegweisendes Urteil gegen Zeugen Jehovas rechtskräftig

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Bezirksgericht Zürich, Haupteingang
Bezirksgericht Zürich, Haupteingang

Im Juli 2019 hat das Bezirksgericht Zürich eine Sektenexpertin und ehemalige Mitarbeiterin der Fachstelle infoSekta in allen Anklagepunkten freigesprochen. Sie war von der Vereinigung der Jehovas Zeugen der Schweiz infolge eines Interviews im Tages-Anzeiger (2015) sowie einer Medienmitteilung (2015) wegen übler Nachrede angezeigt worden. Seit Frühling 2020 ist klar: Die Jehovas Zeugen Schweiz verzichten auf Berufung. Damit ist das Urteil, das für die Jehovas Zeugen vernichtend ausgefallen ist, rechtskräftig.

Das Urteil ist nach unserem Wissen in seiner Art weltweit einzigartig: Anhand von umfangreichem Beweismaterial prüfte das Gericht die Aussagen der Sektenexpertin zu zentralen Kritikpunkten der Lehre der Zeugen Jehovas eingehend. Es kam zum Schluss, dass die Kritik berechtigt war: Die Praxis der Jehovas Zeugen verstößt gegen elementare Rechte der Mitglieder und ihrer Angehörigen. Das Urteil ist wichtig für die Aufklärung – denn die Lehre der Jehovas Zeugen ist weltweit gleich. Das Urteil ist aber auch von Bedeutung, weil es Fragen rund um die Körperschaftsanerkennung der Jehovas Zeugen in Deutschland aufwirft.

Worum es im Prozess ging

Die Sektenexpertin Dr. phil. Regina Spiess war wegen sogenannter übler Nachrede, einem Ehrverletzungsdelikt (Artikel 173 des Strafgesetzbuches) angeklagt. Weil wahre ehrverletzende Behauptungen in der Regel straflos sind, ging es im Gerichtsverfahren darum darzulegen, dass die Behauptungen der Wahrheit entsprechen.

Der Expertin gelang der sogenannte Entlastungsbeweis in sämtlichen angeklagten Punkten: Sie konnte zeigen, dass die Äußerungen wahr sind (Wahrheitsbeweis) beziehungsweise dass sie in guten Treuen für wahr gehalten werden konnten (Gutglaubensbeweis). Die Äußerungen erfolgten zudem in Wahrung öffentlicher Interessen. Es wurden 24 Zeug*innen benannt. Das Gericht verzichtete jedoch auf ihre Einvernahme, weil der Entlastungsbeweis bereits durch das umfangreiche schriftliche Beweismaterial erbracht worden sei.

Der Sektenexpertin wurde eine für Schweizer Verhältnisse enorme Prozess-Entschädigung von 20.500 Franken für Anwaltskosten sowie zusätzlich eine persönliche Umtriebsentschädigung von 4.000 Franken aus der Gerichtskasse zugesprochen.

Zunächst hatten die Jehovas Zeugen Schweiz Berufung angekündigt. Nach Vorliegen des schriftlichen Urteils im Januar ließen sie dann aber die Frist, Berufungsanträge zu stellen und diese zu begründen, ungenutzt verstreichen.

Weshalb dieses Urteil so wichtig ist

Bisher wurden in der Schweiz die kritisierten religiösen Vorgaben, welche die psychische und körperliche Integrität von Kindern und Erwachsenen innerhalb der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas gefährden, toleriert. Nach diesem Urteil sind Schweizer Politiker*innen gefordert, aktiv zu werden und die Gesetzgebung zu überprüfen und zu entscheiden, welche politischen Maßnahmen zu ergreifen sind.

Deutschland und Österreich müssen erklären, weshalb sie als Staaten ein Religionsrecht billigen,

  • das von (sexueller) Gewalt betroffene Kinder und Frauen zum Schweigen bringt,
  • das Eltern auffordert, ihre minderjährigen Kinder zu ächten und
  • das Menschen in Lebensgefahr im Stich lässt.

Das Urteil macht außerdem deutlich, dass die Zeugen Jehovas beim Anerkennungsverfahren um die Körperschaft des öffentlichen Rechts dem Staat offensichtlich nicht die Wahrheit gesagt haben, denn Ächtung betrifft auch die Kernfamilie: Eltern-Kind-, Geschwister- und Paar-Beziehungen, sie trifft sogar Kinder und Jugendliche. Ächtung reißt Familien auseinander – in Deutschland und Österreich mit staatlicher Billigung.

Dieses Urteil ist aber auch deshalb wichtig, weil die Religionsgemeinschaft weltweit versucht, Sektenexpert*innen, Journalist*innen oder Aktivist*innen mit Klagen einzuschüchtern.

Mehr Informationen zu diesem Gerichtsurteil finden Sie auf der Webseite des Vereines JW Opfer Hilfe e. V..

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