Mehr als 70 Jahre nach dem Ende der Nazi-Diktatur, in die der Zoo Berlin weit tiefer verstrickt war, als er je zuzugeben bereit war, findet eine erste ernsthaftere Auseinandersetzung mit diesem Kapitel der Berliner Zoogeschichte statt.
Unter großer Medienaufmerksamkeit eröffnete Zoodirektor Andreas Knieriem am 30.11.2016 eine im Foyer des sogenannten Antilopenhauses eingerichtete Dauerausstellung, die auf rund 130 Quadratmetern "Berliner Zoo-Geschichte(n) in Zeiten von Monarchie, Diktatur und Demokratie" zeigt. Schwerpunktmäßig geht es dabei um die Rolle des Zoos und insbesondere des seinerzeitigen Direktors Lutz Heck während der NS-Zeit.
Es gibt eine Reihe an Dokumenten zu sehen, die die enge Verbindung des Zoos mit den Nazis belegen. Unterlagen etwa darüber, dass und wie der seinerzeitige Aufsichtsrat sich sämtlicher jüdischer Mitglieder entledigte und sie durch SS-Angehörige ersetzte. Belegt findet sich auch die (noch bis in jüngste Vergangenheit abgestrittene Enteignung) jüdischer Aktionäre und das ab 1939 geltende Verbot für jüdische Bürger, den Zoo zu betreten. Lutz Hecks Ehrennadel als Fördermitglied der SS ist zu sehen, auch seine Karteikarte als Mitglied der NSDAP. Auf einem Foto ist zu sehen, wie er seine Mitarbeiter zum 1. Mai 1933 mit Hakenkreuz-Binden antreten ließ. Auch seine engen Kontakte zu Hermann Göring sind dokumentiert, mit dem er gerne auf Großwildjagd ging; desgleichen die besondere Förderung, die er und der Zoo von Göring erhielen.
Es ist die nunmehr eröffnete Dauerausstellung unzweifelhaft ein begrüßenswerter erster Schritt, die Verstrickung des Berliner Zoos in den Nationalsozialismus aufzuarbeiten, ein, wie Zoodirektor Knieriem betonte, "Ausdruck von Transparenz und Geschichtsfindung". Gleichwohl ist es eben nur ein erster Schritt. Die Frage nach dem besonderen Interesse, das die Nazis gerade am Berliner Zoo hatten - Mitglieder von SA, SS und Wehrsportgruppen bekamen schon ab 1933 ermäßigten Eintritt -, bleibt weiterhin völlig ausgeklammert. Die Erklärung Knieriems, der Zoo sei eben zwischen 1933 und 1945 zum "Spielball politischer Machthaber" geworden, greift zu kurz und vertuscht eher die Rolle, die der Zoo selbst - und das Zoowesen an sich - spielte und spielt.
Zoodirektor Knieriem läßt sich von den Medien ausgiebig belobigen, die Archive des Zoos (die sich witzigerweise im Keller seiner Dienstwohnung befinden) für eine unabhängige Historikerkommission geöffnet zu haben. Vor einem Jahr schon habe er das Ausstellungsprojekt angekündigt und den Wunsch nach einer schnellen und professionellen Aufarbeitung der Nazi-Geschichte deutlich gemacht. Zudem habe er Ende letzten Jahres schon an eine im Zoo aufgestellt Ehrenbüste Lutz Hecks eine Tafel anbringen lassen, die über Hecks Mitgliedschaft in SS und NSDAP informiert. Dass er diese Tafel erst hatte anbringen lassen, nachdem er unter massiven öffentlichen Druck geraten war, wird tunlichst verschwiegen: Zwei Beiratsmitglieder der Giordano Bruno-Stiftung hatten über einen "Offenen Brief" an die Direktion des Zoos, der wortgleich auch an den Regierenden Bürgermeister Berlins, den zuständigen Innensenator sowie die Fraktionen von SPD, B90/Die Grünen, Piraten, Linke und CDU versandt wurde, dazu an ausgewählte Medien, die Forderung nach ebensolcher Hinweistafel erhoben. Zudem hatten sie gefordert, dass der mit öffentlichen Mitteln geförderte Zoo Berlin sich entschieden von den Verflechtungen seines ehemaligen Direktors in das verbrecherische NS-Regime distanziert.
Aber erst nachdem die Sache von zahlreichen Medien aufgegriffen worden war und über eine online-Petition Unterstützung namhafter Persönlichkeiten des öffentlichen Berliner Lebens gefunden hatte, beeilte sich die zuständige Senatsverwaltung mitzuteilen, man nehme das Anliegen sehr ernst. Gleichwohl die Büste lediglich der "Ehrung von Herrn Professor Dr. Heck in seiner Position als Zoodirektor" diene, sei der Zoo "sehr daran interessiert, die Aufarbeitung der eigenen Geschichte voranzutreiben." Kurze Zeit später ließ Zoodirektor Knieriem wissen, die Büste werde mit einer Informationstafel versehen, die über die "Beziehung zur Ideologie und Führerschaft des Nationalsozialismus von Lutz Heck informiert". Zugleich kündigte er eine Ausstellung zur Geschichte des Zoos an, in der die Zeit zwischen 1933 und 1945 beleuchtet werde.
Weder die Hinweistafel an der Ehrenbüste für Lutz Heck noch die Ausstellung über die Verwicklung des Zoos in den Nationalsozialismus kamen auf eigenen Antrieb der Zooverantwortlichen hin zustande: keiner der Direktoren der Nach-Heck-Zeit - von Heimroth, Klös und Lange hin zu Blaskiewitz und Knieriem - hat sich je darum gekümmert. Und in anderen Zoos ist das bis heute nicht anders: eine wirkliche Aufarbeitung der Verstrickung in den Nationalsozialismus wurde bislang nirgendwo vorgenommen. In den Verlautbarungen heutiger Zoos und Zooverbände wird die Geschichte zwischen 1933 und 1945 entweder komplett verschwiegen oder aber kaschiert und beschönigt. Die NSDAP-Mitgliedschaften der seinerzeitigen Direktoren, Verwaltungsräte und Geldgeber bleiben bis auf wenige Ausnahmen unerwähnt. Der Berliner Zoo hat, wenngleich viel zu spät und keineswegs freiwillig, jetzt einen ersten Schritt gemacht. In dutzenden anderer Zoos - Köln, München, Dresden, Leipzig, Osnabrück, Hamburg u.v.a. - steht dies noch an.
PS: Wie Ausstellungskurator Clemens Maier-Wolthausen mitteilt, sei es ihm wichtig gewesen, sich nicht auf die NS-Zeit allein zu beschränken: "Weil ich mich von Anfang an dafür ausgesprochen habe, dass wir die Vorgeschichte des Nationalsozialismus (…) unbedingt mit reinbringen müssen", werden auch die sogenannten "Völkerschauen" thematisiert, die es bis 1920 im Berliner Zoo gab. Die Präsentation "wilder Menschen" war darauf angelegt, die Überlegenheit des zivilisierten und christianisierten "weißen Mannes" herauszustellen. Nicht deutlich benannt wird der Verantwortliche für die kulturchauvinistischen und unverhohlen rassistischen "Völkerschauen" im Berliner Zoo: Ludwig Heck, Vater von Lutz Heck, der den Zoo von 1888 bis 1931 leitete. Auch Ludwig Heck war überzeugter Nazi gewesen. In seiner 1936 vorgelegten Autobiographie rühmte er sich, schon Nationalsozialist gewesen zu sein lange bevor man das Wort überhaupt erfunden habe. Anlässlich seines 80. Geburtstages wurde er vom "Führer" höchstpersönlich mit der "Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft", der höchsten "Kulturauszeichnung" des NS-Staates, geehrt. Auch von Ludwig Heck steht eine - bis heute unkommentierte - "Ehrenbüste" im Zoo herum. Und bis heute ist in Berlin eine Grundschule nach ihm benannt.
10 Kommentare
Kommentare
Claudia am Permanenter Link
Vor mehr als zwei Jahren , kurz nachdem Andreas Knieriem die Geschäftsführung des Berliner Zoos von dem insofern komplett resistenten Bernhard Blaszkiewitz übernommen hatte, wurde dem Zoo von der Universität Kassel ei
Zeitler am Permanenter Link
s. mein Kommentar unten
Berlina am Permanenter Link
Es geht wohl eher um die Person Ludwick Heck, der "zufällig" Direktor des Zoologischen Gartens gewesen ist. In einem anderen Betrieb wäre er wohl gleichartig vorgegangen.
Zeitler am Permanenter Link
Manchen kann man es nie recht machen.
Claudia am Permanenter Link
Soso, Andreas Knieriem hatte "sofort nach seinem Amtsantritt angekündigt, das Thema (=NS-Verwicklung des Zoos) aufarbeiten zu wollen". Wo und wie und wann hat er das denn gemacht?
Sie schreiben: "Nur, es gab damals (?) noch gar keinen Zoo in Osnabrück, nur einen winzigen Heimattierpark, der erst 1936 öffnete." Tatsache ist: Der Zoo Osnabrück wurde 1935 mit ausdrücklicher Unterstützung und Förderung durch die Nazis begründet, auch wenn er da zeitgeistig noch "Heimat-Tiergarten" hieß. Die Behauptung, es habe während der Nazi-Diktatur keinen Zoo in Osnabrück gegeben, nur weil er von den Nazis anders bezeichnet wurde, ist lächerlich. siehe: http://hpd.de/artikel/80-jahre-osnabruecker-zoo-13358
Zeitler am Permanenter Link
Dr. Knieriem war erst ein paar Tage im Amt, als der Brief glecih als offener Brief und in massiv forderndem und unverschämten Ton direkt an die Presse ging, statt ihn erstmal direkt zu kontaktieren.
Danke für den Link zur Osnabrück-Seite, der zweierlei bestätigt: Erstens, dass die Ihre Behauptungen im abgebildeten Dokument in keinster Weise bestätigt werden (im Gegenteil, in der damaligen Zeit lediglich die übliche und vorgeschriebene Floskel drunterzusetzun und das NS-Regieme eben gerade nicht in der Urkunde herauszuheben, ist damals schon fast ein Protest gewesen - Sie werden keinen einzigen offiziellen Brief aus der damaligen Zeit finden ohne entsprechende Heil- und Lobformulierungen). Zudem wurde Ihre Polemik dort von diversen anderen Lesern bereits widerlegt und Sie haben dann ja auch aus guten Gründen nicht mehr darauf geantwortet.
Mein Fazit aus all dem: Hier wird ein buntes Sammelsurium aus NS-Zeiten instrumentalisiert, um gezielt Zoos schlecht zu machen. Das wird nicht nur den Opfern nicht gerecht und wirkt fast wie eine Verharmlosung. Zudem wäre es ein Leichtes, ebenso absurd zu argumentieren, das Vetegarismus, Tierschutz, Naturschutz und die Einrichtung von Naturschutzgebieten zutiefst nazionalsozialistisch wäre, da sich einige NS-Größen darin hervorgetan haben, allen voran mal wieder Göring. Das ist beides genauso albern wie das uralte Autobahn-Argument. Die Nazis haben weder die Autobahnen noch die Zoos erfunden, sie haben beides wie fast alles für ihre Zwecke benutzt und ebenso Vereine (hier: Zooverein OS) und Künstler gleichgeschaltet (oder wahlweise vernichtet). Im übrigen: Die Nazis haben auch die Völkerschauen abgeschafft und verboten. Sie werfen den Zoos doch immer vor, "Wilde" zur Schau gestellt zu haben (was nicht so war), also war das im Umkehrschluss Ihrer eigenen Argumentation doch etwas Positives??
Claudia am Permanenter Link
@Zeitler: Ihre Behauptung, Andreas Knieriem sei "erst ein paar Tage im Amt" gewesen, als der "Brief glecih als offener Brief (...) direkt an die Presse ging", ist, mit Verlaub, hanebüchener Unsinn:
Und ob der Ton und die Forderung des "Offenen Briefes" angemessen waren oder "unverschämt"? Es ging um die jahrzehntelange Ehrung eines führenden Nazis in einem mit öffentlichen Mitteln subventionierten Zoo, das jahrzehntelange Abstreiten der Enteignung jüdischer Aktionäre u.v.a.: da darf schon mal anders aufgetreten werden als nur bittstellerisch.
Von dem erwähnten Clip über die Nazi-Verbrechen in Ostpolen, an denen an führender Stelle auch Lutz Heck beteiligt war (Elke/6.12.), gibt es übrigens auch eine Langfassung: https://www.youtube.com/watch?v=ojNm-WUcqe4
Auf Ihr wirr-apologetisches "Fazit" will ich weiter nicht eingehen (was Sie interpretieren können, wie Sie wollen: ich jedenfalls bin aus weiterem Diskurs mit Ihnen raus).
Elke am Permanenter Link
Die Verstrickungen Lutz Hecks und des Berliner Zoos in die Verbrechen der Nazis in Ostpolen sind noch nicht einmal ansatzweise aufgeklärt, geschweige denn: aufgearbeitet: http://www.natgeotv.com/de/hitlers-jurassic-pa
Zeitler am Permanenter Link
Noch so eine unseriöse Quelle. Diese US-Doku, schlecht recherchiert und noch schlechter übersetzt, hat ja nicht einmal Erhaltungszuchten (Wisent) und Rückzuchten (Auerochse) unterschieden und begriffen.
struppi am Permanenter Link
Lächerlich!
Hier wird das Thema Nationalsozialismus genutzt, um eine Abneigung gegen Zoos zu transportieren.
Warum ausgerechnet Zoos in irgendeiner Form herausgehoben werden sollten, weiß vermutlich nur der oder die Autor-in. Wie schon bei dem Artikel zum "Zoo" Osnabrück geschrieben, auch damals dienten Tierparks in erster Linie dazu Kindern die Tierwelt (beim Zoo Osnabrück vor allem die heimische - oh wie Böse!) nahe zu bringen. Sie waren und sind also durchaus nichts verwerfliches, selbst bei den Nazis nicht.
Das dort Nazis tätig waren ist nicht weiter verwunderlich und warum diese aber besonders gewürdigt werden sollte, ist wohl dem Umstand zu schulden, dass jemand glaubt dadurch würden Zoos in einem schlechteren Licht da stehen.
Die SA hat ermäßigten Eintritt bekommen - wie empörend.
Im Grunde eine Instrumentalisierung der Opfer für einen Zweck der nichts, mit dem Gewaltapparat der Nazis zu tun hat. Da springen einfach Tierschützer auf den AntiFa Zug auf, auf dem sie nichts verloren haben.
(Wer den Begriff "Wehrsportgruppe" im Kontext mit dem 3. Reich nutzt, zeigt wie wenig er oder sie von der Geschichte weiss. Man nannte es damals Wehrertüchtigung https://de.wikipedia.org/wiki/Wehrert%C3%BCchtigungslager - die Grupen waren eine Erfindung der 70'er und haben sicher keinen ermäßigenden Eintritt im Zoo bekommen)
Das der Berliner Zoo eine geschichtliche Aufarbeitung gemacht hat ehrt ihn, hat aber auch etwas damit zu tun, dass im Umfeld konkret menschliches Unrecht getan wurde. Die Enteignung von Juden und das Zwangsarbeiter genutzt wurden, ist für eine so populäre Anstalt wie den Berliner Zoo durchaus eine kritikwürdige Geschichte.
Aber was hat das ganze mit dem Zoo Heute zu tun?
Müssen wir uns vor den Schildkröten fürchten, die damals vielleicht schon lebten und unter dem Einfluss von Heck standen?