Kommentar

Homöopathie: Der Boom ist vorbei

Der Absatz der Homöopathie geht zurück. Das freut nicht nur das Informationsnetzwerk Homöopathie (INH) und die Skeptiker der Gesellschaft zur Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP). Aber klar ist auch, dass auch diese nicht Korrelation mit Kausalität verwechseln dürfen; ob es nun wirklich an deren Arbeit liegt, dass Menschen sich weniger für die Homöopathie begeistern, bleibt natürlich erstmal offen.

Auch ist bisher völlig unklar, ob es sich eher um ein zufälliges Ereignis handelt, das nach jahrelangem Anstieg der Verkaufszahlen eben natürlicherweise kommen muss (Regression zur Mitte). Ich weiß das und bleiben wir wirklich skeptisch, dann müssen wir das auch erstmal so ungewiss stehen lassen.

Aber nehmen wir mal für einen Moment an, es stimmt. Unsere Aufklärungsarbeit überzeugt mehr und mehr Menschen davon, was die Homöopathie wirklich ist, oder vielmehr, was sie eben nicht ist. Dass sie zum Beispiel gar keine Naturheilkunde ist, dass das Attribut "sanft" nicht mehr passt, wenn man statt Antibiotikum und Schmerzmittel bei einer bakteriellen Blasenentzündung auf Globuli setzt und dass es nicht ok ist, wenn das Solidargeld der gesetzlichen Krankenkassen für ein Verfahren ausgegeben wird, das in den 200 Jahre seiner Erforschung weder glaubhaft nachweisen konnte, wie es wirkt, noch dass es besser wirkt als ein Placebo. Dass das mit der Ganzheitlichkeit so eine Frage ist, wenn man im Quickfinder ein paar Symtome nachschlägt und dann doch immer wieder bei Nux vomica, Arnica und – ganz ausgefallen – Ignatia und Sepia landet. Und dass mehr und mehr Menschen verstehen, dass wir uns zwar vielleicht wirklich eine Alternative zur Medizin wünschen, dass wir aber vor allem wollen, dass diese Alternative ebenfalls wirksam ist – sonst ist sie ja auch eigentlich gar keine Alternative.

Nehmen wir also mal an, dass dieses neue Verständnis dazu führt, dass Menschen nicht mehr so sehr an die Homöopathie glauben und ihr weniger und weniger vertrauen. Nehmen wir – ganz vermessen und optimistisch – auch an, die Politik versteht das Problem auch und kommt unseren in der Freiburger Erklärung geforderten Änderungen nach: Entzieht der Homöopathie den Status einer Arzneitherapie, sorgt dafür, dass sie aus der Apothekenpflicht entlassen wird und verhilft Krankenkassen zu der Entscheidung, nicht mehr für homöopathische Behandlungen und Globuli zu erstatten. Wenn wir dann noch die Homöopathie von den Unis, als Blüten der Wissenschaft, verweisen und Ärzten nicht mehr ermöglichen, ihre Patienten homöopathisch zu behandeln und in Homöopathie ausgebildet zu werden (sofern es um eine therapeutische und nicht medizingeschichtliche Ausbildung geht), – ja, was dann?

Wir Skeptiker und Kritiker freuen uns natürlich, keine Frage. Aber freuen wir uns nur – und warum? Das wichtigste ist sicherlich, dass wir dann das Gefühl hätten, wirklich etwas für Patienten getan zu haben. Sicherlich werden nicht alle Patienten das erstmal auch so empfinden, so weit ist die Aufklärung dann doch noch nicht. Es haben sich allerdings auch Menschen aufgeregt, als in den 70er Jahren die Gurtpflicht im Auto eingeführt wurde. Beschränkung der Freiheit!, hieß es damals. Das kann auch hier so wahrgenommen werden. Und ja, Freiheit bedeutet eben auch, sich selbst in Gefahr bringen zu dürfen. Allerdings endet die Freiheit da, wo sie anderen schadet. Und man muss Gefährliches auch nicht staatlich und universitär protegieren. Klar, die Homöopathie wird nie verboten werden! Wer auf seine homöopathische Freiheit besteht, kann und wird Globuli immer nehmen können. Er wird das aber auf eigene Verantwortung tun und selbst dafür bezahlen – z. B. im Supermarkt. Das ist in Ordnung. Wir sind zum Glück ein freies Land und letztlich kann jeder tun und glauben, was er möchte. Manche glauben an einen Gott, manche an Homöopathie, manche an die heilende Kraft eines ausgedehnten Waldspaziergangs. Es freut uns Kritiker allerdings, wenn der Glaube als Glaube erkannt und eingeordnet wird und nicht die Basis der Medizin von heute ist.

Es freut uns sicherlich auch, dass mit der Aufmerksamkeit für die Homöopathie vielleicht auch andere Pseudomethoden angezählt werden und in einen kritischeren Fokus geraten (siehe aktuell den Spirit of Health Kongress).

Was mich persönlich jedoch nicht freut, ist dass diese Veränderungen eine Gefahr und Bedrohung für die berufliche Existenz einiger Homöopathen sein wird. Ich weiß selbst wohl am allerbesten wie das ist, wenn einem das Einkommen – und mehr noch, die bisherige Weltanschauung – entzogen und weggenommen wird. Ja, das ist schrecklich und es hat weitreichende Folgen. Aber erstens können wir sicher sein, dass es Übergangsfristen geben wird, zweitens dass Politik immer auch Kompromissbildung heißt und dass man letztlich auch mit guter Medizin seine Brötchen verdienen kann.

Insofern, ja, wird würden uns freuen, wenn es hier wirklich zu einer Trendwende käme. Wenn Medizin wieder rationaler und doch auch menschlich-wärmer würde, wenn wir sie so verbessern, dass die Homöopathie nicht einfach nur auf "bösartige" Art und Weise hinausgekickt wird, sondern letztlich selbst einsieht, dass ihr Platz nicht innerhalb der Medizin, sondern im Bereich von Wellness und Placebo-Therapie liegt. Das ist nicht nichts, aber das sind endlich – nach über 200 Jahren – die richtigen Attribute!