Israelische Luftlinie weist Ultraorthodoxe in die Schranken

Flieg mit Gott, aber flieg!

Manche ultraorthodoxe Juden haben sich bislang geweigert, im Flugzeug neben Frauen zu sitzen – und trieben so die Vorschriften des 3. Buch Mose endgültig ins Groteske. Die israelische Fluglinie El-Al will den Zirkus jetzt endlich unterbinden.

Neulich ist es wieder einmal passiert: Religiöse Debatten an Bord haben dafür gesorgt, dass ein Flugzeug nicht losfliegen konnte. Von naturwissenschaftlicher Seite aus war alles geklärt: Auf der Grundlage von Aerodynamik entwickelt, von Düsen angetrieben, wäre das Flugzeug, anders als alle Engel und Heiligen, nachweislich und nachvollziehbar, jederzeit in der Lage gewesen, vom New Yorker Boden abzuheben, um dann, einige Zeit später, in Tel Aviv wieder zu landen. Zwischen den Istzustand auf dem Asphalt und dem planmäßigen Abflug hatte sich der Allmächtige geschoben, in diesem Fall die Gottesfigur, die ein Teil der ultraorthodoxen Juden sich zurechterfunden hat: Nicht zum ersten Mal weigerten sich Passagiere, den von ihnen gebuchten Sitzplatz im Flugzeug einzunehmen. Denn sie würden dort neben Frauen sitzen. Um die Frauen nicht einmal ansehen zu müssen, so heißt es, hatte einer der Männer die ganze Zeit seine Augen geschlossen.

Nun mag man das merkwürdig finden. Wir selber haben nichts gegen Frauen, einige unserer besten Freunde sind Frauen. Wir haben nicht einmal etwas gegen Gottisten, so lange sie sich freundlich, rücksichtsvoll und tolerant gegenüber dem Rest der Menschheit verhalten. Nur ist es leider so, dass genau das durch Religionen so unsäglich erschwert wird. Denn erstens unterscheiden die immer zwischen "uns" und "denen", also den Gläubigen ebendieser Religion und den Gläubigen anderer Religionen oder denjenigen Menschen, die ganz ohne unsichtbaren Zaubermeister im Himmel auskommen. Zweitens haben alle derzeit angesagten Religionen auf der Welt den Nachteil, dass sie selbst innerhalb ihrer Gemeinschaft wieder spalten, in Menschen erster und zweiter Klasse. Wobei der Clubausweis für die erste Klasse ein Penis ist.

Es ist leicht, sich darüber lustig zu machen, dass erwachsene Menschen sich unter Berufung auf ein dreitausend Jahre altes Buch zu bizarrem Verhalten aufgerufen fühlen. Doch liegt der Fall noch wesentlich absurder als das. Der Gott nämlich, welcher angeblich dem Kultgründer Moses diktierte, dieser Gott auf seiner Wolke hatte, bei aller Frauenverachtung, noch ein halbwegs pragmatisches Verhältnis zu den von ihm selbst erfundenen Dingen des Lebens: Lust zu zähmen und Sexualität zu regeln, schien er als eine wichtige Aufgabe zu sehen, ganz als sei ihm da beim Menschen-Entwerfen etwas gar zu Wildes rausgerutscht, was er nachträglich wieder in den Griff zu kriegen versuchte. Im so genannten 3. Buch Mose (Leviticus) hat er klare Handlungs- bzw. Vermeidungsanweisungen gegeben, die den Anschein erwecken, der von Gott designte Mann sei eine vollkommen wildgelaufene Vögelmaschine, die vor nichts und niemandem halt macht. Im Abschnitt, auf den sich die ultraorthodoxen Augenschließer berufen, findet sich eine gleichzeitig fantasievolle wie bürokratische Aufzählung, welchen Leuten man sich nicht nähern und ihre Nacktheit entblößen, sprich: Sex mit ihnen haben sollte.

Man soll nicht mit seiner Tochter schlafen. Man soll nicht mit seiner Schwiegertochter schlafen. Man soll nicht mit den Enkeltöchtern schlafen. Man soll nicht mit seinem Vater oder seiner Mutter schlafen. Männer sollen nicht mit anderen Männern Sex haben. Mit Tieren auch nicht. Viele Dinge davon erscheinen uns relativ nachvollziehbar, manche eher weniger. Dass Gott davon ausgeht, die Männer in dieser Richtung belehren zu müssen, sagt eine Menge über ihn: Der nach seinem Vorbild geschaffene Kerl kann offensichtlich keine, aber auch gar keine Frau anschauen, ohne an Sex zu denken.

So weit, so basal. Gott hat den Mann als einen zwanghaften Lustmolch erschaffen. Nur strengste Strafen können ihn davon abhalten, als marodierender Dauererektit über alle Mitglieder seiner Familie herzufallen. Was also der ultraorthodoxe Mann, der sich nur mit geschlossenen Augen durchs Flugzeug manövriert, ausdrückt, ist der Gedanke: "Ich bin ein Sexmonster! Ich bin ein Sexmonster! Mein Gott hat mich so geschaffen." Das allein wäre schon kurios und traurig genug. Gleicht man aber ab, auf welche Stellen im 3. Buch Mose sich hier berufen wird, so wird das Ganze nur noch abwegiger. Denn die Anweisung des Gottes lautet ja gar nicht: "Du sollst dich im Flugzeug neben keine Frau setzen." Sondern Leviticus 18.6 und 18.19, auf die man sich hier beruft, untersagen: Sex mit Blutsverwandten. Und Sex mit Menstruierenden. Die Urangst vor Frauen, die patriarchalischem Denken innewohnt, hat es in den vergangenen drei Jahrtausenden geschafft, diese Vorschriften durch originelle Auslegung noch viel weiter zu drehen: Bei vielen ultraorthodoxen Juden ist schon der Körperkontakt zwischen Mann und Frau verboten, ja, wie es scheint, genügt bereits ein Blickkontakt, um in Teufels Küche zu kommen. Was wäre das für ein Gott, der alle Freuden der Sexualität schafft, um seine Leute auf Schritt und Tritt mit der Versuchung zu quälen? Wie verquer und verbohrt muss ein Mann denken, um in der Frau die Konversationspartnerin, Freundin, Geschäftspartnerin, Bekannte, Verwandte etc. zu negieren, nur weil sie zufällig eine Vagina statt eines Penis hat?

Immerhin: El-Al, die betroffene Fluglinie, hat jetzt endlich Farbe bekannt und angekündigt, in Zukunft jeden von Bord zu werfen, der seinen Sitzplatz verweigert, weil er neben irgend jemandem nicht sitzen möchte. Halleluja! Bis es so weit kam, musste allerdings der Chef der israelischen Tech-Firma NICE, Barak Eilam, massiv drohen: Seine Firma werde bei keiner Fluglinie mehr buchen, die sexistisch, rassistisch oder religiös diskriminierend sei. Hier hat das Toleranzgebot einer aufgeklärten Moderne glücklicherweise einmal den Sieg davongetragen. Dass alle Menschen gleichberechtigt seien, gleich welchen Glaubens, welcher Hautfarbe oder welchen Geschlechts, gehört in dieser Moderne zu den zentralen Überzeugungen, und es sind gute Überzeugungen. Gott und Moses waren vor dreitausend Jahren eben noch nicht so weit, vielleicht sollten sie mal eine aktualisierte Version ihres Buchs vom Himmel fallen lassen.