Die abgewählte Regierung in Österreich möchte den wenigen engagierten Sexualpädagogen verbieten, Jugendlichen verlässliche Informationen rund um Sex und Aufklärung vermitteln, damit sie ihr sexuelles Leben verantwortungsvoll nach ihren eigenen Bedürfnissen gestalten können.
Die Aufklärung über dieses tabubehaftete Thema sollen ab jetzt Lehrer übernehmen, die selbst keine qualitätsorientierte Ausbildung bekommen haben und denen vom Ministerium wenig brauchbare Unterrichtsmaterialien zur Seite gestellt werden. Dagegen wehrt sich nun DDr. Christian Fiala, Gynäkologe und Direktor des Verhütungsmuseums.
Ein Museum, das aufklärt
Jedes Jahr besuchen ca. 4.000 SchülerInnen das Wiener Verhütungs-Museum und jene Lehrpersonen, die schon seit Jahren die Workshops in Anspruch nehmen, betonen, wie notwendig eine zusätzliche, außerschulische sexualpädagogische Arbeit ist. Gerade das außerschulische Setting und die Möglichkeit, Fragen an Personen zu stellen, die keine autoritäre Stellung innehaben, stellt den besonderen Mehrwert sexualpädagogischer Expertenarbeit dar.
"Erst letztes Jahr haben wir die derzeit einzige Verhütungsbroschüre für Jugendliche in Österreich veröffentlicht, die nicht nur bei der Zielgruppe sehr gut ankommt, sondern auch von LehrerInnen häufig nachgefragt und teilweise im Unterricht eingesetzt wird", erzählt Fiala.
Österreich beklagt eine der höchsten Raten an Schwangerschaftsabbrüchen in Westeuropa, etwa 8 Prozent davon sind Jugendliche. Das hat mit der skandalös schlechten Aufklärungspolitik zu tun (Daten: Landesklinik Salzburg). Die Situation sei an Absurdität kaum zu überbieten: die prüde Gesinnung der christlich-inspirierten Politik hat verhindert, dass sich im sogenannten "Sex-Koffer" auch nur eine einzige Abbildung von nackten Menschen findet. "Die einzigen Aufklärungs-Filme sind Cartoons/Zeichentrickfilme", kritisiert Fiala. Während also die Jugendlichen von den Erwachsenen aufgrund deren Prüderie lediglich limitierte Information bekommen, holen sie sich die fehlenden Informationen barrierefrei über Pornos in ihre Smartphones.
Zunahme von Teenie-Schwangerschaften befürchtet
"Sexualpädagogische Arbeit darf nicht auf die Schule beschränkt bleiben, da es bereits jetzt große Defizite gibt, die durch die Abschaffung außerschulischer sexualpädagogischer ExpertInnen noch vergrößert werden", warnt Fiala. Vielmehr würde es einheitliche Standards brauchen, damit es Fälle wie Teenstar nicht mehr geben kann. "Es braucht sexualpädagogische Arbeit, die an die Lebenswelt der Jugendlichen anknüpft. Nur so kann die notwendige Aufklärung stattfinden und die Anzahl ungewollter Schwangerschaften verringert werden. Unsere Teenies haben ein Recht auf eine religions- und ideologiefreie Aufklärung auf aktuellem zivilisatorischen Stand. Wenn der Antrag auf Enthebung der Sexualpädagogen durchgehen sollte, würde dies erwartbar zu schlechterer Verhütung und damit zu mehr Abtreibungen führen", warnt Fiala. Dies könne nicht im Interesse der Regierung liegen.
8 Kommentare
Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Ich kenne diese Debatte bereits aus den 70er-Jahren in Deutschland und ich kann mich noch gut erinnern, wie unsicher und auch falsch meine Mutter damit umgegangen ist. Hat sich seitdem nichts verbessert?
2.600 Jahre monotheistischer Sexualkrampf hat Spuren hinterlassen. John Harvey Kellogg empfahl im vorletzten Jahrhundert Eltern ihren Jungs die Vorhaut zu amputieren und die Klitoris ihrer Töchter mit unverdünnter Karbolsäure zu "behandeln" - zur Prävention der Masturbation.
Die katholische Sexualmoral lehnt bis heute Masturbation und vorehelichen Geschlechtsverkehr ab. Ginge es nach ihrem Willen, gäbe es deutlich mehr Sexzombies, die in der Kirche Zuflucht finden und dort ihre zerstörte und zerstörerische Sexualität an Kindern auslassen.
Warum will man nicht den Zusammenhang zwischen ungezwungener - vom fragenden Kind gesteuerten - Aufklärung und freier, fairer und partnerschaftlicher Sexualität später verstehen? Oder zwischen dem Gegenmodell der verklemmten, verhuschten Aufklärung und den späteren verkorksten Menschen, die entweder mehr oder weniger leiden oder zu Tätern werden?
Ich habe das Thema in den letzten Jahrzehnten aus dem Auge verloren und dachte, dass es hier gute Entwicklungen gäbe, da der Mief der 50er überwunden schien. Wie man sich täuschen kann...
A.S. am Permanenter Link
Naja, Herr Kammermeier, wir erleben seit Jahren eine konservativ-religiösen Restauration, die uns zunächst lehrte, wie schön doch Religion sei, dann, dass wir Religion tolerieren müssten, und nun kommt die alte Sexual
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Und Kinder darf man nach dem aktuellen Papst auch wieder schlagen - aber würdevoll...
G.B. am Permanenter Link
Ist eben Religion, was auf Deutsch soviel heisst wie Rückbindung.
René am Permanenter Link
Hm... ist es wirklich so generalisierbar? Ich genoss zum Beispiel eine sehr gute Sexualaufklärung in den 70er und 80er Jahren, sowohl seitens meiner Mutter, als auch in der Schule.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Die individuelle Bandbreite gibt es natürlich, die gibt es immer. Es geht um die Gewichtung. Konservativ vs. liberal. Mir ist kein Mitschüler aus meiner Schulzeit bekannt, der sexuell liberal aufgeklärt wurde.
Und dann laufen an einem reinen Jungengymnasium auch nicht sonderlich viele "Anschauungsobjekte" herum. So war das halt und es kam mir (uns damals?) normal vor. Sexualität ging uns wohl nix an...
René am Permanenter Link
Mag sein, dass wir beide "nur" individuelle Einzelwahrnehmungen unseres damaligen Umfeldes schildern. Vielleicht liegen unsere Erfahrungen auch nicht exakt in der selben Region - geografisch und zeitlich.
Emmerich Lakatha am Permanenter Link
Die gefährlichste Linie ist die Christliche Ethik. Christliche Ethiker gehen vom gottgeschaffenen Menschenbild aus. Dann treten sie als Ethiker auf und sitzen in Ethikkommissionen und pädagogischen Foren.
Näheres siehe https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20190129_OTS0125/alle-fuer-ethik-ethik-fuer-alle