Marslandung! Die größte Show im gesamten Sonnensystem. Made by USA, dem Land der größten Träume und gigantischsten Inszenierungen. Was haben wir uns auf den Abend gefreut, die Tochter, die Frau und ich. Die Hündin nicht ganz so, aber jetzt, kurz vorm Landeanflug, ist sie doch sichtlich fasziniert: Da ist nämlich immer mal wieder ein kreisrundes Objekt in der Mitte des Bildschirms zu sehen, und kreisrunde Objekte liebt sie, denen jagt sie nach über alle Wiesen und durch die Küche und durch den Flur. Kreisrunde Objekte sind ihr Höchstes, und das haben die Leute von der NASA wirklich toll hinbekommen, nicht nur die gesamte Menschheit mit einzubeziehen, sondern eben auch andere, nahestehende Spezies.
Und jetzt geht es los! Die größte Show des Sonnensystems eskaliert vor unseren Augen: Das kreisrunde Dingens dreht sich etwas, gibt sich jetzt als Landekapsel zu erkennen! Gebannt starren wir auf das Objekt, das natürlich kein Objekt ist, sondern nur eine Animation von bezaubernder Bodenständigkeit. Kann sich jemand noch an Second Life erinnern, jene ruckelige 3D-Aufbewahrungsanalage für hässliche Avatare, von der im Jahr 2007 sämtliche Medien überzeugt waren, sie sei vollkommen faszinierend und eine Wende der Menschheitsgeschichte? So ähnlich sieht diese NASA-Animation aus. Man sieht eine klotzige Landekapsel, man sieht Tacho und Höhenanzeiger, und das ist alles so irrsinnig faszinierend. Oft sieht man auch Leute, die in einem Kontrollraum sitzen, alle mit der gleichen Maske auf, und die auf ihre Bildschirme starren. Manchmal kommt es zu dramatischen Höhepunkten, wenn etwa ein Maskenmann sich seitwärts zu einer Kollegin beugt, um ihr etwas zu sagen, und die Kollegin einen Moment lang überrascht aussieht ... besorgt vielleicht sogar? Hat sich auf den Bildschirmen in dem halbdunklen Kontrollraum etwas Schlimmes gezeigt? Ist die ganze Mission in Gefahr? Eben war ja noch so ein netter Dicker zu sehen, hinter seiner Missionsmaske, und der nette Dicke hatte minutenlang erzählt, was alles schief gehen kann bei so einer Marslandung. Da kommen Dutzende Prozesse zusammen, die allesamt einhundert Prozent perfekt ablaufen müssen!
Das mit der Spannung haben sie drauf, die Amis, wir sagen kaum noch ein Wort, Daumen fest drückend, in unsere Sessel geklemmt, von hinten gibt die Tochter ab und zu Kommentare zu ihren Matheaufgaben ab, die sie nebenher bearbeitet. Oh! Jetzt! Beifall rauscht durch den schummrigen Kontrollraum. Der Landefallschirm hat sich geöffnet! Woher wir das wissen? Das wissen wir nicht. Irgendjemand da muss das anhand irgendwelcher Daten auf seinem Bildschirm erkannt haben, und jetzt jubeln sie alle, und als Kenner amerikanischer Produktionen wissen wir genau: Das kann nur eine Falle sein. Viel zu einfach ging das. Gleich taucht das Endmonster auf – übermenschliche, unvorhergesehene Probleme, die binnen Sekunden gelöst werden müssen von den Heldinnen und Helden im Kontrollraum, und während wir noch hektisch überlegen, was das sein könnte, zeigen die NASA-Grafikanimateure ein wahres Feuerwerk ihres Könnens: Mit einem Ruck verändert die Landeeinheit ihre Stellung, und man sieht plötzlich einen Landefallschirm, hier werden auch Techniknerds mit ins Boot geholt, die vor 30 Jahren zuletzt ein Computerspiel gesehen haben, bald gehen auch noch die Landedüsen an! Es ist der Wahnsinn. Wir verstehen, was hier gespielt wird: Die dramatische Zuspitzung der Lage ist überhaupt nicht nötig, so überwältigend sind die Bilder. Jetzt noch die letzten zwei, drei Minuten überstehen. Man sieht die Grafik des Landeanflugs, man kann die Geschwindigkeit und die Entfernung von der Marsoberfläche vom Bildschirm ablesen, während gleichzeitig die Geschwindigkeit und die Entfernung von der Marsoberfläche von einer Frau mit einer Missionsmaske vorgelesen werden. Näher ... immer näher ...
Check! Es ist geschehen. Perseverance hat eingeparkt. Wir jubeln. Die Tochter grinst. Als Perseverance kurz darauf ihr erstes Bild übermittelt, ein staubiges, zwielichtiges Schwarzweißfoto von einer weit entfernten Wüste, sind wir regelrecht gerührt. Percy! Sie lebt! Was für ein überwältigendes Erlebnis, und auch die stursten Verschwörungsmystiker werden da nicht dran rütteln können, so sehr waren die gezeigten Animationen über jeden Zweifel erhaben.
2 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
Und dann lass dort mal erst Menschen landen; dann wird kein Halten mehr sein. Obwohl - steigt da nicht bereits jemand ... dieser Schatten ... links unterhalb der Bildmitte, mein' ich ...
Tyto Alba am Permanenter Link
Warum sollte man in dieser endlosen Ödnis leben und forschen wollen? Da sind diese Roboter einfach viel besser.