Ahmad Mansour – Überlegungen eines Ex-Salafisten

"Einen Islam zeigen, der mit Radikalismus nichts zu tun hat"

BERLIN. (hpd) “Es gibt keine Alternative zu einer Reform des Islam.” Dies ist die Essenz der Überlegungen von Ahmad Mansour zum radikalen Islamismus. Der arabische Israeli, Diplom-Psychologe, einige Jahre verbandsunabhängiges Mitglied der Deutschen Islamkonferenz, in Jugendprojekten in Berlin-Neukölln tätig, ist keiner, der anderen nach dem Munde oder Probleme schönredet. Er redet Tacheles.

Seine Überlegungen dazu, wie man Jugendliche vom Islamismus und Salafismus, vom IS-Terrorismus fern hält, beruhen auf den Erkenntnissen aus der eigenen religiösen Entwicklung und seiner langjährigen praktischen Erfahrung im Umgang mit jungen Muslimen. Vor Jahren selbst radikaler Salafist, gelang es ihm aber, sich von dieser Ideologie zu verabschieden. Als “mein Glück” bezeichnet Mansour es, dass er aus der “verheerenden Ideologie komplett wieder herausfand.”

Mansour eckt an, wird beschimpft und bedroht, aber er geht seinen aufklärerischen Weg weiter. Vor wenigen Wochen wurde ihm vom Land Berlin der Moses-Mendelsohn-Preis verliehen. Mit diesem Preis ehrt der Senat von Berlin Menschen, deren Wirken auf die Förderung von Toleranz in der Gesellschaft gerichtet ist.

Islam wird durch Orthodoxie und Extremisten instrumentalisiert

Den Islam stellt Mansour, selbst bekennender Muslim, keineswegs in Frage, wohl aber die politische Instrumentalisierung des Islam durch Orthodoxe und Extremisten. Er kritisiert die orthodox-konservativen Islamverbände in Deutschland und sagt, diese Verbände “sprechen sich ja immer wieder gegen Radikalismus aus und erhalten für dessen Bekämpfung auch Unterstützung. Meiner Meinung nach sind es letztlich aber dieselben Vereine, die den Radikalismus begünstigen, weil sie bestimmte Inhalte partout nicht in Frage stellen. Sie unterhalten Kontakte im Ausland und sind meist gar nicht in der Lage, kritische Fragen zu stellen.”

Jugendliche müssten in die Lage versetzt werden, kritische Fragen selbst zu stellen. Doch dazu sei es erforderlich, dass sie in ihrer Nachbarschaft auch Muslime erleben, die die Religion anders – friedlich und humanistisch tolerant – zu leben wissen.

Islamverbände nicht zur Bekämpfung von Islamismus fähig

Die Islamverbände, die zur Bekämpfung des Radikalismus vor kurzem erhebliche finanzielle Zuwendungen aus dem Staatshaushalt gefordert haben, sind nach Mansours Auffassung zu einer Bekämpfung von islamistischem Radikalismus überhaupt nicht in der Lage. Denn die Verbände würden den Jugendlichen eine “islamische Angstpädagogik” lehren, die zum Extremismus führen könne: “Wir müssen dabei vor allem den Jugendlichen einen Islam zeigen, der mit Radikalismus nichts zu tun hat. Der Islam muss von Angst und von der Vorstellung eines ‘strafenden Gottes’ befreit werden. Wir müssen uns außerdem von der Tabuisierung der Sexualität befreien und unsere Religion nicht nur patriarchalisch verstehen, so wie unsere Väter, sondern wir müssen Zweifel und Fragen zulassen, um vom Glaubensdogma weg zu unterschiedlichen, individuellen Interpretationen zu kommen”, so die Erkenntnisse und Forderungen Mansours.

Nicht immer nur auf Diskriminierung verweisen

Wenn nach Ursachen der Radikalisierung junger Muslime gesucht werde, reiche es nicht aus, immer nur auf eine vermeintliche Diskriminierung durch die Mehrheitsgesellschaft zu verweisen. Mansours höchst aktuelle Forderung: “Wir Muslime müssen damit beginnen, die Ursachen auch bei uns zu suchen.”

“Der Islam ist reformierbar”

Und einschüchtern lassen werde er sich trotz Drohungen nicht, sagt Ahmad Mansour. Mit Leidenschaft sei er bei seiner Arbeit mit den Jugendlichen. Er bekennt: “Und es geht mir schon gar nicht darum zu behaupten, der Islam sei böse oder nicht reformierbar. Nein, ich bin ja selber Muslim.”

Mehr von den Überlegungen des aufgeklärten muslimischen Praktikers, der Menschenrechte zu schätzen und zu verteidigen weiß, findet sich in einem Interview, das die Deutsche Welle mit ihm geführt hat.

Werden die Multi-Kulti-Alles-Versteher umdenken können?

Die Überlegungen Mansours sind als Pflichtlektüre für alle Multi-Kulti-Apologeten zu empfehlen. Es wird immer deutlicher, dass diese Leute in ihrer politischen Undifferenziertheit der Segmentierung der Gesellschaft Vorschub leisten und einen orthodox-konservativen Islam protegieren.

Und vor allem diese Frage stellt sich mit großer Aktualität: Wann endlich werden die in allen Parteien zu findenden politischen Fürsprecher einer engen Kooperation mit den konservativ-orthodoxen Verbänden beginnen, mit liberalen Muslimen wie Ahmad Mansour zu reden und auf die liberal-freiheitlichen Stimmen zu hören?

 


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