„Wegbeten lässt es sich nicht mehr“

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Podium / Fotos: screenshots wien-konkret

WIEN. (hpd) Die Privilegien von Religionsgemeinschaften werden offenbar breiter abgelehnt als es selbst deren offizielle Kritiker erwartet hätten. Die Initiatoren des anlaufenden Volksbegehrens gegen Kirchenprivilegien zeigten sich bei einer Pressekonferenz über einen hohen Zuspruch erfreut. Unter großem medialen Interesse.

Mehrere Kamerateams verschiedener Sender, eine Redakteurin des öffentlich-rechtlichen Radiosenders Ö1, Vertreter diverser Printmedien und der Austria Presse Agentur. Auch die Diözesen Wien und St. Pölten haben Beobachter geschickt. Sie sitzen am Rand an einem Ecktisch um nicht zu stören. Auch sind die anderen Tische voll. Das kleine Zimmer des Cafe Leopold im Museumsquartier ist voll. Die Aufmerksamkeit überrascht die Initiatoren des Volksbegehrens gegen Kirchenprivilegien. „Mit so vielen Journalisten haben wir nicht gerechnet“, sagt ein Vertreter. Aus seiner Sicht sind es erfreuliche Neuigkeiten, die der Öffentlichkeit präsentiert werden. „Wir haben in den vergangenen Wochen 1.500 Unterschriften gesammelt“, erklärt Niko Alm, der auch für die Giordano-Bruno-Stiftung in Österreich tätig ist. Das ist ein knappes Fünftel der 8.032 Unterstützungserklärungen, die notwendig sind, um das Volksbegehren in Phase 2 zu heben – dann braucht man 100.000 Unterschriften, um die Gesetzesinitiative dem österreichischen Nationalrat vorzulegen. Das Gremium, das Äquivalent des deutschen Bundestages, muss in diesem Fall wenigstens über die Petition beraten. Annehmen muss er sie nicht.

Was überrascht, ist die Breite der Unterstützung. „Wir haben hunderte Zuschriften vor allem aus ländlichen Gegenden erhalten“, beschreibt Alm. „Dabei müssten uns die Leute ihre Unterstützungsunterschriften gar nicht selbst schicken sondern könnten sie bei der Gemeinde lassen. Aber sie vertrauen den Ämtern offenbar nicht.“ Erstaunlich auch insofern, als die Formulare bislang nur in den 200 größten Gemeinden aufgelegen waren. In allen anderen mussten sie die Bürger selbst besorgen um ihre Unterschrift leisten zu können. „Deshalb haben wir die Formulare jetzt an alle anderen Gemeindeämter geschickt“, kündigt Alm an. Und: „Auch übers Internet tut sich viel. Über Facebook etwa ruft eine Gruppe auf, am Donnerstag dieser Woche zu einem Ort in Wien zu kommen und dort gemeinsam auf das nächste magistratische Bezirksamt zu gehen, wo man in Wien unterschreiben kann. Um in der in Österreich gebräuchlichen Terminologie zu bleiben: Das ist der Gründonnerstag“.

Die Liste der Privilegien, die Alm präsentiert, wird immer länger, wie er auch selbst betont: „Viele Steuerbefreiungen und ähnliches verstecken sich in Landesgesetzen oder auf Gemeindeebene. Wir haben buchstäblich hunderte Mails erhalten, wo wir auf immer neues hingewiesen wurden.“ Reaktion der Initiatoren: Auf der Homepage gibt es seit kurzem eine offizielle Meldestelle für bisher unbekannte Kirchenprivilegien.

„Wie ein Doktor in Astrologie“

Studentenvertreterin und Mitinitiatorin Claudia Gamon von den Jungen Liberalen bezeichnet die Privilegien von Religionsgemeinschaften vor allem im Schul- und Unibereich als „unerträglich“. Die Religionsgemeinschaften würden sich die Rosinen herauspicken, der Staat dürfe zahlen. „Wir können davon ausgehen, dass Religionsunterricht und konfessionelle Privatschulen um die 600 Millionen Euro im Jahr kosten. Die Republik hat dafür keine Aufsichtsmöglichkeiten, die Religionen dürfen im wesentlichen tun und lassen, was sie wollen. Das sind Rechte, die sonst niemand hat. Wenn man sich ansieht, wie schwer es sonst ist, etwa eine Privatschule zu gründen und zu erhalten, kann man sehr wohl von einem Privileg sprechen. Das hat nichts mit Religionsfreiheit zu tun sondern ist reine staatliche und religiöse Bevormundung. Dafür kann ich als Liberale nicht stehen.“

Ein besonders Problem hat Gamon nach eigenen Aussagen mit den Zuständen an den theologischen Fakultäten. „Im wesentlichen sind das Privatangelegenheiten der jeweiligen Religionsgemeinschaft. Was dort passiert, hat mit Wissenschaft nicht das geringste zu tun. Die Religionsgemeinschaften dürfen jederzeit Lehrbefugnisse entziehen, wenn ein Professor oder eine Professorin es wagt, frei zu denken. Wissenschaft passiert an den staatlichen Instituten für Religionswissenschaft und sicher nicht an den theologischen Fakultäten. Genauso gut könnte man einen Doktortitel in Astrologie oder Homöopathie vergeben.“

Ein Vorwurf, den der Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät in Wien, Martin Jäggle zurückweist. Im Gespräch mit religion.orf.at meint er, die Kirche müsse die Lehrpläne zwar absegnen, erstellt würden sie allerdings von den Universitäten selbst. „Was ich an Änderungen bisher erlebt habe, bezog sich immer auf unwichtige Kleinigkeiten und einzelne Formulierungen“, erzählt Jäggle. Dass der Staat keine Kontrolle über die theologischen Fakultäten habe, bezeichnet er schlicht als Unwahrheit. „Wir werden genauso kontrolliert wie alle anderen Fakultäten auch“, sagt Jäggle. Die Vorstellung, es gäbe rechtsfreie Räume für die theologischen Einrichtungen, entspreche einfach nicht der Realität. Der Fall des Theologen Hans Küng, dem die Kirche die Lehrerlaubnis an der Uni Thübingen entzogen hatte, scheint auch im Gedächtnis der heutigen Uni-Theologen weit zurückzuliegen. In Österreich wäre ein derartige Fall – zumindest theoretisch – jederzeit möglich. Wie in Deutschland entscheiden die Religionsgemeinschaften bei der Besetzung der jeweiligen theologischen Fakultäten.