Kirchenprivilegien in Österreich

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Carsten Frerk, Heinz Oberhummer / Fotos © Evelin Frerk

Wien. (hpd) Das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien in Österreich hatte vergangenen Freitag am Vormittag zu einem Pressefrühstück eingeladen und am Abend zu einem Vortrag über die finanziellen Transfers von Steuergeldern zugunsten der Kirchen mit Daten aus Deutschland und Österreich.

Im Café Prückl, im hinteren abgegrenzten Nichtrauchbereich und dort in der hinteren Hälfte, durch einem dreigliedrigen Paravent abgetrennt, fand, so doppelt abgeschirmt, anscheinend etwas Geheimnisvolles statt. Auf einem roten Plüschsofa saßen zwei ältere Herren unter Bilderrahmen mit gestickten Deckchen und trugen der recht komplett versammelten österreichischen Presse ihr Anliegen vor: der Stand der Unterschriften zugunsten des Volksbegehrens gegen Kirchenprivilegien und die Planung für das nächste Jahr. Dem Kirchenvolksbegehren fehlen noch rund 800, oder zehn Prozent, der benötigten Unterschriften, und im nächsten Jahr wird es voraussichtlich ein „Violettbuch Österreich“ geben.

Prof. Dr. Heinz Oberhummer, der das Kirchenvolksbegehren vertrat, ist zuversichtlich, dass die notwendigen Unterschriften noch zusammenkommen werden. Mit den sehr begrenzten finanziellen Mitteln der Initiative habe man doch schon einiges an Aufmerksamkeit erreicht und die Situation auf dem flachen Land sei für die Initiative oft schwierig. In manchen Gemeinden würde sich kaum einer der Sympathisanten wagen, seine Unterstützung für die Initiative durch eine Unterschrift im Amt zu bekunden. Das sei dann gleich herum und könnte erhebliche Nachteile mit sich bringen. Man habe aber noch einige Zeit, da die Frist, bis zu der die Unterschriften zusammen sein müssen, damit die zweite Phase beginnt, erst am 31.12.2012 endet. Allerdings sei es bisher nicht gut gelungen, die Mauer des Schweigens und Verdrehens zu durchdringen. Die Amtskirche hätte sich zu dem Volksbegehren nicht geäußert und nach einer ersten Phase der korrekten Berichterstattung habe sich medial ein Tenor durchgesetzt, der die bestehenden Kirchenprivilegien als bloße Behauptungen darstellen würde. Daher bestehe also Nachbesserungsbedarf bei den Informationen.

Beispielbild
Sepp Rothwangl
Ein weiteres Informationsdefizit sieht die Initiative in den nicht systematisch aufbereiteten Informationen zu den Finanzen und dem Vermögen der katholischen Kirche. Die Initiative war auch begründet worden, da die katholische Kirche in den Diskussionen um mögliche Entschädigungen für Missbrauchsopfer in katholischen Einrichtungen sich stets als nicht vermögend dargestellt hatte. Sepp Rothwangl, selber ein Opfer sexueller Gewalt und einer der Initiatoren des Volksbegehrens, ist Forstbesitzer und hat einmal im Forsthandbuch nachgeschaut. In einem Vorgespräch stellte er dazu fest, dass in diesem Buch, das allerdings nur Forstbesitzer mit mehr als 500 ha erfasst, der Wert dieses kirchlichen Fortbesitzes nach aktuellen Preisen einen Vermögenswert von rund 1,2 Mrd. Euro darstelle.

Auf Einladung der Initiatoren des Volksbegehrens, sowie den Freidenkern und der Regionalgruppe der Giordano Bruno Stiftung, war Dr. Carsten Frerk nach Wien gekommen. Sein aktuelles Buch zu den finanziellen Transfers zwischen Staat und Kirche und Deutschland, das „Violettbuch Kirchenfinanzen - Wie der Staat die Kirchen finanziert“ war auch in Österreich aufmerksam wahrgenommen worden. Die Initiative und die säkularen Organisationen waren zu der Auffassung gekommen, dass für eine derartige Recherche nun auch die Zeit in Österreich gekommen sei.

Demokratiedefizite auch in Österreich

Nach Ansicht von Frerk sei eine derartige Recherche auch hilfreich, um über ein Demokratiedefizit, auch in Österreich, aufzuklären. Dabei wurde er von Heinz Oberhummer unterstützt, der bekräftigte, dass man 1919 in Österreich zwar den Adel entmachtet, dies bei den Kirchen aber verschlampt habe. Beide Referenten verstehen sich jedoch ausdrücklich nicht als Kirchenfeinde, jeder solle nach seiner Façon selig werden dürfen, es gehe ihnen um die weltanschauliche Neutralität des Staates, der in allen Fällen, in denen er Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften fördere, dies ausdrücklich aus der jetzigen säkularen Verfassungsordnung zu begründen habe. Im Unterschied zu einem Feudalstaat brauche eine Demokratie keinerlei religiöse Begründung, da alle Staatsgewalt vom Volke ausgehe.

Ein wesentlicher Beitrag wird nun darin gesehen, über die finanziellen Transfers zugunsten der Kirchen zu informieren, was in Bezug auf Österreich vor allem die katholische Kirche meint, um zukünftige Diskussionen auf eine verlässliche Datengrundlage zu stellen. Ein Vergleich der Zustände in Deutschland und der in Österreich erlaube zudem erste Bewertungen des jeweiligen Umfangs der Leistungen.

Bildungsbereich

Als ein erstes Beispiel nannten Oberhummer und Frerk den Bildungsbereich. In Österreich werden für Konfessionsschulen (224 Mio. Euro), den Religionsunterricht (336 Mio.), konfessionelle Kindertageseinrichtungen 300 Mio.), Theologische Fakultäten (53 Mio.), konfessionelle Pädagogische Hochschulen (22 Mio.), Pensionen von Religionslehrern (rund 70 Mio.), insgesamt rund eine Mrd. Euro an die Kirchen transferiert. In Deutschland sind es für den gleichen Bildungsbereich 8,5 Mrd. Euro. Bezogen auf die jeweilige Bevölkerungszahl wären in Österreich ein Zehntel der deutschen Zahlen bzw. in Österreich zehn Prozent der deutschen Zahlen zu erwarten. Statt der zu erwarteten 850 Mio. Euro in Österreich, ist die eine Milliarde ein erster Hinweis darauf, dass die katholische Kirche sich im Bildungsbereich noch besser mit Steuergeldern positioniert hat, als die Kirchen in Deutschland. In Österreich gibt jeder Erwerbstätige somit nur den konfessionellen Bildungsbereich jährlich 224 Euro, egal ob Katholik oder konfessionsfrei.

Kirchenbeitrag / Kirchensteuer

Das gegenteilige Beispiel zeigt der Vergleich des Kirchenbeitrags (in Österreich) mit dem Kirchensteueraufkommen (in Deutschland). Den Einnahmen des Kirchenbeitrags von rund 380 Mio. Euro, den die Kirchen in Österreich formal selber organisieren müssen, würden in Deutschland rund 3,8 Mrd. Euro Kirchensteueraufkommen entsprechen. Der tatsächliche Betrag des Kirchensteueraufkommens in Deutschland von rund 9,3 Mrd. Euro verweist auf die bemerkenswerte Effizienz des staatlichen Inkassos der Kirchensteuer in Deutschland.

Der Vortrag von Carsten Frerk am Abend in der Technischen Universität brachte dann einige der interessierten Säkularen verschiedener Verbände zusammen, die alle eine gemeinsames Interesse daran haben, die Informationen zur Finanzierung der Kirchen in Österreich und zu den Kirchenfinanzen in gemeinsamer Arbeit zusammenzutragen. Die in einer Stunde frei vorgetragen Zahlen mit den entsprechenden Hintergrundinformationen aus Deutschland fanden ihre Korrespondenz in Beiträgen einiger Zuhörer, die Parallelen und Unterschiede zu Österreich verdeutlichten. Man darf gespannt sein, was daraus entstehen wird.

Michael Stiller

 

Dazu ein Interview: