Sterben ist heutzutage mit umfangreicher medizinischer Versorgung und Altenpflege verbunden. Das fand Marcus Ebeling vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung gemeinsam mit Kolleginnen in Schweden durch eine neuartige Verknüpfung schwedischer Registerdaten für die Gesamtbevölkerung des Landes heraus. Nach Ansicht der Forschenden deuten die Ergebnisse auf einen verlängerten Sterbeprozess hin.
Die meisten Sterbefälle heute entsprechen nicht dem, was wir in der Regel als "guten" Tod bezeichnen – etwa mit Kontrolle über den eigenen Körper und Geist und wenig Pflegebedarf. Das zeigt die neue Studie von Marcus Ebeling, Demograf am Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock und seinen beiden Kolleginnen vom Karolinska Institut in Stockholm. "Unsere Ergebnisse legen die Hypothese nahe, dass die steigende Lebenserwartung gerade in höheren Altersstufen teilweise auf einen verlängerten Sterbeprozess zurückzuführen ist", sagt Ebeling. Die demografische Forschung weltweit geht schon seit Jahrzehnten der Frage nach, ob die steigende Lebenserwartung auch mehr Lebensjahre in guter Gesundheit oder doch eher längere Krankheitsphasen bringt. Die vorliegende Studie, die im Fachjournal American Journal of Public Health veröffentlicht wurde, ist ein Beitrag zu diesem Diskurs.
Anhand aller Todesfälle in Schweden zwischen 2018 und 2020 untersuchten die Forschenden erstmals das letzte Lebensjahr von Menschen über 70 Jahren. Mithilfe eines neuartigen Studiendesigns identifizierte das Team sechs verschiedene Typen von Verläufen bis zum Tod, je nachdem, ob und wie viel medizinische Versorgung und Altenpflege im letzten Lebensjahr benötigt wurde.
"Unsere Ergebnisse zeigen, dass die meisten älteren Menschen in Schweden im letzten Lebensjahr in Langzeitpflege sind", sagt Marcus Ebeling. Die Datenauswertung ergab zudem eine Häufung von Verläufen mit besonders hohem Pflege- und Versorgungsbedarf bei Todesfällen über 83 Jahren (der derzeitigen durchschnittlichen Lebenserwartung in Schweden). Wie die Forschenden anmerken, sind gerade diese Sterbeverlaufsarten vermutlich relativ teuer für das Gesundheitssystem.
Erste Studie mit Aussagekraft für die gesamte Bevölkerung
"Soweit wir wissen, ist unsere Studie eine der ersten mit einer umfassenden Datenbasis aller Sterbefälle über 70 Jahre, die zeigt, unter welchen Umständen die Menschen sterben", sagt Marcus Ebeling. Bisherige Studien konzentrierten sich vor allem auf bestimmte Teilaspekte der Gesundheitsversorgung vor dem Tod oder des sozialen Umfelds der Sterbenden und stützten sich meist auf kleinere Stichproben von Daten, etwa aus Krankenhäusern oder Hospizen. "Unser Ansatz bezieht alle Bevölkerungsgruppen ein, also auch die, die traditionell schwer zu erreichen sind, wie etwa Menschen in Pflegeheimen. Dadurch können wir einen direkten Zusammenhang zwischen den unterschiedlichen Verläufen bis zum Tod, dem Sterbealter und der Mortalität der Gesamtbevölkerung ziehen", sagt Marcus Ebeling.
Nur mit Erkenntnissen, wie Menschen das Lebensende erleben, lässt sich in alternden Gesellschaften eine Debatte über die Bedeutung des Todes und über "gutes" Sterben führen. "So eine Debatte ist längst überfällig und wir liefern mit unserer Studie eine Grundlage", sagt Marcus Ebeling. (mpg)