„Tigerente“ trifft „Urmel“

Janosch ist jetzt Mitglied des Beirates der Giordano-Bruno-Stiftung (GBS) geworden und befindet sich dort in guter Gesellschaft

- unter anderen auch mit Max Kruse.

Beide Autoren sind mit ihren („Kinderbuch“)Figuren „Tigerente“ (Janosch) und „Urmel“ (Kruse) sehr bekannt geworden.

Der Pressedienst nimmt den Beitritt von Janosch zum Beirat der GBS als Anlass, den Brief von Janosch an die Redaktion des „diesseits“ - in dem er seine Einstellungen zur katholischen Kirche und zum christlichen Glauben explizit darstellt - noch einmal zu veröffentlichen.

 

 

 

 

Janosch

Katholisch geboren zu sein: Der größte Unfall meines Lebens

Zornige Gedanken des Kinderbuchautors

Wer Kinder hat, kennt den Zeichner und Autor Janosch. Seine „Tigerente“ ist zum Markenzeichen geworden. Anlässlich seines 70. Geburtstages bat diesseits den beliebten Künstler um ein Interview - obwohl er bekannt dafür ist, dass er sich den Fragen von Journalisten grundsätzlich nicht stellt. Auch unseren Wunsch lehnte er ab, schickte aber stattdessen ein langes Antwortschreiben und drei Zeichnungen.

„Ihr Brief ist hier gelandet und Sie haben Recht: vor Interviews graust es mich, weil ich mich lieber verberge, weil ich nichts weiß. Aber „katholisch“ ist das Reizwort, dann gerate ich in eine unerträgliche Wut.

Katholisch geboren worden zu sein, war für mich der größte Unfall meines bisherigen Lebens. Meinen religiösen Lebenslauf schrieb ich in ein Theaterstück „Zurück nach Uskow“. Da könnte man genauer lesen, falls es interessiert. Ich bin so im Zorn über das Unheil, dass ich wahrlich nichts darüber sagen sollte. Sie wissen, der Zornige hat Unrecht. Aber es treibt mich.

Eine Anweisung der Kirchenoberen an die Kirchenunteren heißt: „Nehmt ihnen die Kinder, bevor sie sieben sind und gebt sie uns.“ Und Sie wissen vielleicht, was bis zum siebten Jahr an Programm eingeschlagen wird, das ist kaum noch zu löschen. Ein Freund von mir, Psychiater, hat es bei sich selbst bis zum Lebensende nicht löschen können. Er erzählte, dass es dafür in Amerika eine gesonderte Ausbildungsrichtung in der Psychiatrie gibt. Dort weiß man, dass ein katholischer Schaden noch nie geheilt wurde.

 

Alles beruht auf Furcht

Was ist also der katholische Schaden? Die Urfurcht. Gottesfurcht ist ein katholisches Wort. Einmal die Furcht eingepflanzt, bleibt sie Furcht und das dann vor allem, was kommen wird. Das sitzt ein Gott und wartet, dass du Kind von sechs Jahren eine der 89 Verfehlungen begehst und dann schlägt er zu. Erst mit einer unerträglich peinlichen Beichte (weil das Kind glaubt, der Pfarrer hört ihm zu). Bald lehrt man dich: Die Vergebung gilt nur den Sünden, nicht aber der Strafe, diese nämlich bleibt erhalten. Ist nur durch einen Ablass zu beseitigen. Diesen holt sich aber keiner, denn dieser ist... aber lassen Sie uns diesen bestialischen Blödsinn unterbrechen.

Nein, doch nicht, hier ein wenig persönliches kindliches Unglück. Ich (6) liebte Traudi (5). Dies war nach meiner religiösen Unterweisung ein Begehren und ich litt und beichtete. Ich litt wahrhaftig und ein Kind leidet nicht gerade wenig. Das sind Wunden. Es gab noch andere Qualen. Ich lief schweißgebadet bei jedem Wetter um 6 Uhr los, kniete in der Kirche auf kaltem Stein und leierte Gebete herunter, weil „Gott das verlangte“. (Der an sich herzensgute Pfarrer gab mit geschlossenen Augen nur das ungeprüft weiter, was er auf seiner Pfarrersausbildung auswendig lernen musste, nehme ich mal an.)

Gut kam weg, wer diesen Blödsinn nicht einmal bis ans Ohr heranließ, aber das ist wieder Veranlagung. Die hatte ich nicht. Zumal zu Hause eine Lederpeitsche meines Vaters ständig über mir schwebte - na gut, das passiert auch nicht jedem und ich hatte extremes Pech.

Aber es gibt genügend, was abgesehen von meiner Person in der Kirche anstand. Da gibt es den Zwang zu glauben. Wer nicht ungeprüft alles glaubt, was die heilige Kirche ihn lehrt, hat freilich die Todsünde auf ewig. Dem Ungläubigen steht unwiderruflich die Hölle offen. Man fand Speisekarten, aus denen ersichtlich ist, was sich die Kardinäle bei einem der letzten Konzile in drei Monaten „zurückgezogener Beratungen“ im Vatikan zuführten. Da fraßen sie zum Beispiel Nachtigallenzungen in Mengen, für ein Kilogramm muss man Zehntausende Vögel töten. Das Ergebnis des Konzils war, dass die „Muttergottes als zweiter Mensch mit dem Leib in den Himmel fuhr, der andere Mensch war Jesus.“ Was für ein Blödsinn und wozu? Da stellt sich dann die Frage: Dann wäre sie also auch sichtbar? Und wenn das, in Bekleidung oder nackt? Beide nackt, denn Kleider werden ja wohl nicht in den Himmel aufgenommen. Das nicht zu glauben, wäre wieder eine Todsünde. Aber das sieht nach Realsatire aus.

 

Ein gewichtiges Goethewort

Johann Wolfgang von Goethe schrieb an einen Freund, er habe nie größere Scheiße vernommen, als die katholische Glaubenslehre (wörtlich). Der Brief wurde wohlweislich zurückgehalten, aber im Goethejahr doch hervorgeholt (im Weimarer Archiv anzufordern). Scheiße warum?

Ein allwissender Gott erschafft den Menschen, von dem er weiß, dass er sich nicht so betragen wird, wie er muss, schafft ihn aber doch so und bestraft ihn danach entsetzlich. Er gibt zum Beispiel seinen Nachkommen durch direkte Ansprache den Auftrag „ihre Nachbarvölker zu ermorden, die Weiber und die Kinder in die Sklaverei zu führen und keinen Stein auf dem anderen zu lassen“. Alles zu lesen in Gottes wunderbarer Bibel. Dann aber will er den Menschen doch noch erlösen, schickt seinen Sohn in die Welt, um dort geschlachtet zu werden (was er auch wusste), wiederum vom Menschen, wodurch der Mensch aber weitere Schuld auf sich lädt. Nun lässt Gott aber (zu), bei der Geburt seines Sohnes alle Kinder wiederum (zu) schlachten, ein Blutfest, welches der Christ heute als Fest der Liebe feiert (Weihnachten). Ich meine, das ist an Unfug nicht zu überbieten. Und über alles das nachzudenken ist dem Katholiken unter Androhung der Hölle verboten.

Die Taufe ist für die Eltern ein Zwang unter Androhung der ewigen Hölle, denn hier wird das Kind in die Kirche eingeschrieben. Geboren zu werden ist bereits die erste (Erb)Sünde. Hier wird vom Kind ein Treueid auf die Kirche geschworen. Ein „Pate“ vertritt das Kind, sozusagen ein Vertrag auf Lebenszeit im Zustand der Handlungsunfähigkeit - wie unter Narkose.

 

Das Sammeln von irdischen Gütern

Die letzte Ölung sammelt die noch vorhandenen irdischen Güter ihrer „Kinder“ ein gegen das Versprechen, „Gott wird es ihnen lohnen“. Den größten Teil ihrer Besitztümer holte sich die Kirche auf den Sterbebetten. Mit den anderen Sakramenten ist es genauso.

Die Beichte: Der Priester erfragt alle Informationen, die er über „seine“ Kinder braucht und gibt seine Anweisungen. Lech Walesa war „Beichtkind“ seines Bischofs. Als die Gefahr bestand, er könnte die Pille freigeben, nahm ihn der Bischof in die Zange - keine Freigabe.

Ehe: Nur unter Katholiken - ein andersgläubiger könnte der Kirche die Kinder entziehen. Keine Taufen, keine Zwangsmitglieder, keine Steuern. Keine Macht.

Klar gibt es in der Kirche heilige Menschen. Die Kranke pflegen, Arme versorgen, aber die wären auch heilige Menschen, wenn sie nicht katholisch wären. Und sie wissen nichts über ihren Glauben, sie sind nur gute Menschen - ich habe hier den allergrößten Respekt. Ich wollte, ich wäre ein solcher.

Mutter Theresa: ein ganz verdammter und erbärmlicher Fall! Nach ihrem Tode kam auf, dass sie nicht eine einzige Mark aus den Spenden für die Kranken verwendet hat. Sie war so sehr Sklave ihres katholischen Glaubens, dass sie das gesamte Geld auf das Konto ihres Ordens sammelte, dort beließ und das Geld gehört am Ende dem Vatikan. Nachzulesen im Archiv des „Stern“, man hat genau recherchiert.

 

„Auch ich war ein Soldat Christi“

Ich war in einer jesuitischen Jungengruppe, wir wurden als „Soldaten Christi“ für den (Nazi)Krieg vorbereitet. Zeitthemen kamen auf den Tisch, draußen wurden Juden und Kriegsgefangene in unsagbarem Elend vorbeigetrieben. Unser Jesuit also darüber: „Wie steh’n wir dazu, Jungs? So: Gott lässt es geschehen. Wenn er es nicht wollte, ließe er es nicht zu. Der Mensch soll sich nicht einmischen...“ Oder zum Krieg: „Christus hat gesagt: ‚Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist.‘ Wenn also nun der Kaiser sein Volk zum Krieg ruft, haben wir nach dem Willen Gottes dem Kaiser zu gehorchen. Der gute Soldat Christi ist auch ein guter Soldat des Führers.“ Wenn einer von den Jungs (er fordert von uns die äußerste Leistung) das Ritterkreuz bekam, wurde das als großer Sieg gefeiert. Am Ritterkreuz klebte immer viel Menschenblut.

Und was war mit Christus wirklich? Ein Rebell, ein „Fresser, Säufer, Weiberfreund“, nachzulesen bei Matthäus (11). Möglicherweise ein wunderbarer Wahnsinnsmensch, der das Leben lehrte und die Welt hätte erlösen können. Von diesem angeblichen Gott, der keine Spur von Güte erkennen lässt. Und der in seinen vorgeblichen Botschaften, die er über „Propheten“ kundtat, Völker ermorden lässt. Wie machte man das? Da gibt der Herrscher eines Volkes über einen sogenannten Propheten bekannt, dass Gott seinem Volk befohlen habe, das Nachbarvolk niederzumetzeln.

 

Das ist meine zornige Meinung über die Bibel.

Und die Evangelisten? Unterscheiden sich in ihren wesentlichen Aussagen so konträr voneinander, dass man sie gar nicht mehr beachten sollte. Nachlesen, wer es wissen will! Wahrscheinlich war das Schreiben von Jesusevangelien eine literarische Mode dieser Zeit. Schon allein das erste Gebot: „Du sollst dir kein Bild von Gott machen, noch sollst du seinen Namen aussprechen...“ Wer macht denn die albernsten Bilder von Gott? Und redet ohne Pause über ihn und seine Eigenschaften? Das ist absurd und unerträglich.

Ich gerate hier in Zorn, pardon. Der Zorn schadet vielmehr dem Erzürnten, als der, dem er gilt. Da soll sich ein gütiger Gott Lebewesen geschaffen haben, damit sie sich vor ihm niederknien und ihn anbeten. Eine solche Erbärmlichkeit kann es bei Göttern nicht geben.

Es gibt ihn nicht, er würde mich längst zermalmt haben. (Da feixen die Katholiken. Na, warte nur du Ketzer, er wird es schon noch tun. Denn er ist ein Gott der Rache.)

Das beste was ich über Gott erfuhr, sagte Leonardo da Vinci: „Wahrscheinlich ist Gott so etwas Ähnliches wie die Schwerkraft.“ Leicht nachzuvollziehen: Lässt du dich auf sie ein, kannst du fliegen. Machst du einen Fehler (gegen sie), brichst du dir den Hals!

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Zuerst veröffentlicht in: diesseits (Zeitschrift des Humanistischen Verbandes) 15. Jg. Nr. 55 / 2001.