BERLIN. (hpd/hu) Die Humanistische Union fordert statt grenzenlosem Sicherheitsstreben mehr Freiheit zu schaffen und Bundespräsident Gauck zur öffentlichen Stellungnahme auf. Und: Der "Fritz-Bauer-Preis der Humanistischen Union" geht dieses Jahr für seine Verdienste an Edward Snowden.
In einem Schreiben an Bundespräsident Joachim Gauck hat die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union (HU) diesen aufgefordert, im aktuellen Überwachungsskandal öffentlich Stellung zu nehmen und einen orientierenden Debattenbeitrag zu leisten.
Seine Einsichten zum Leben in einer überwachten Gesellschaft sowie sein Verständnis für die Bedeutung, die dem Schutz der Freiheit und dem Schutz der Privatsphäre in einer freiheitlichen Gesellschaft zukommt, ließen die HU darauf hoffen, dass er deutlichere Worte als die Bundesregierung für die Tragweite der Ausspähung von deutschen Bürgerinnen und Bürgern durch ausländische und deutsche Geheimdienste für Demokratie und Rechtsstaat finde, heißt es in dem Schreiben an Gauck.
Der Schutz der Grundrechte der Bundesbürger sei offensichtlich nicht mehr gewährleistet. Mit Sorge betrachte die HU Entwicklungen auf Seiten der Nachrichtendienste, die die Bürger mit Generalverdacht überziehen und die Unschuldsvermutung als wesentliches Element des Rechtsstaates obsolet werden lassen, erklärte die HU im Schreiben an den Bundespräsidenten.
Fritz-Bauer Preis für Edward Snowden
Die Humanistische Union wird Edward Snowden, der den Überwachungsskandal der Öffentlichkeit bekannt gemacht hat, mit dem seit vielen Jahren verliehenen "Fritz-Bauer-Preis der Humanistischen Union" ehren.
Der frühere Generalstaatsanwalt Fritz Bauer hatte angesichts staatlichen Unrechts auf das Widerstandsrecht und die Widerstandspflicht eines jeden Bürgers hingewiesen. Die Humanistische Union ist der Auffassung, dass die vom ehemaligen NSA-Mitarbeiter Edward Snowden geleistete weltweite Aufklärung über die geheimdienstliche Parallelwelt eindeutig verdienstvoll ist. Transparenz und Öffentlichkeit sind die wirksamsten Mittel im Kampf gegen Machtmissbrauch. Sein "Weckruf" (EU- Justizkommissarin Viviane Reding) hat Praktiken, die seit Jahren für Experten in Umrissen bekannt waren, jetzt im Detail schockierend vor Augen geführt. Dabei sei er mit seinem Material verantwortlich umgegangen und habe niemanden in Gefahr gebracht - außer sich selbst. "Es ist beschämend, wie sich die Bundesregierung weggeduckt hat, als es um seinen Schutz durch Aufnahme in Deutschland ging. Will man ihm wirklich nur die Option auf eine Handvoll Staaten lassen, die für ihre Menschenrechtsverletzungen bekannt sind?", fragt der Vorsitzende der Humanistischen Union, Werner Koep-Kerstin.
Die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union wirft der Bundesregierung mangelnde Entschlossenheit bei der Aufklärung der anlasslosen Ausspähung von deutschen Bürgern durch US-Geheimdienste und bei der Offenlegung der Zusammenarbeit deutscher Geheimdienste mit diesen vor.
Die Bundeskanzlerin hat erklärt, erst durch Presse- Veröffentlichungen von den US-Spähprogrammen erfahren zu haben. Dies sei nicht glaubwürdig, erklärte Koep-Kerstin: "Politik-Floskeln der Bundeskanzlerin wie 'Deutschland ist kein Überwachungsstaat, Deutschland ist ein Land der Freiheit' werden durch jüngste Berichte in den deutschen Leitmedien in Frage gestellt, die auf die Nutzung von US-Programmen zur Abschöpfung der Internet-Kommunikation von Bundesbürgern auch durch den Verfassungsschutz hinweisen, selbst wenn dies angeblich nur testweise geschieht".
Für die Humanistische Union ist in ihrem seit Jahren intensiven Engagement für die Wahrung der Freiheitsrechte der Grundsatz leitend, den die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichtes, Jutta Limbach, auf die Formel gebracht hat: "Die Menschen- und Bürgerrechte sind noch immer die besten Garanten der Inneren Sicherheit - auch in gewalttätigen Zeiten". Ein von Bundesinnenminister Friedrich beschworenes "Super- Grundrecht Sicherheit" gibt es nicht. Es ist eine Gefahr für die Demokratie, wenn mit einem solchen Konstrukt der Abbau von Freiheitsrechten legitimiert wird. "Ein Verfassungsminister, der den Boden des Grundgesetzes löcherig macht, attackiert Bürgerrechte und nimmt Rechtssicherheit", meint der Vorsitzende der HU.
Statt die US-Praktiken der Überwachung deutscher Bürger zur angeblichen Terrorabwehr zu verteidigen, fordert die HU den Bundesinnenminister auf, deutsches Recht geltend zu machen und die anlasslose Überwachung deutscher Bürger durch amerikanische und deutsche Nachrichtendienste sofort zu beenden.
Es gehe im Kampf gegen organisierte Kriminalität oder gegen den Terrorismus im Kern auch nicht um die viel beschworene Balance zwischen Sicherheit und Freiheit. "Hier liegt ein Missverständnis vor. Grundrechte stehen grundsätzlich nicht zur Disposition des Gesetzgebers. Nur unter ganz bestimmten, genau definierten Voraussetzungen kann es Grundrechtseingriffe geben", erklärt das HU-Vorstandsmitglied, die Staatsrechtlerin Prof. Rosemarie Will.
Sven Lüders