Meilenstein - 35 Jahre Fristenlösung

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Demonstrantin / Foto: Karl Linek

WIEN. (fdb/hpd) Frauen dürfen in Österreich bis zum Ende des dritten Schwangerschaftsmonats straffrei eine Abtreibung vornehmen lassen. Ein Verbrechen im Sinne des Strafgesetzbuches begehen sie trotzdem. Nach wie vor ist Abtreibung verboten, die Straffreistellung ist ein mehr oder weniger abgesicherter Gnadenakt des Gesetzgebers.

 

Ein unhaltbarer Zustand, wie Christian Fiala findet, Verhütungsexperte und Leiter des Ambulatoriums Gynmed. In Kanada etwa wurde der entsprechende Paragraf 1988 ersatzlos aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Es hatte verfassungsrechtliche Bedenken gegeben. Ähnliches gilt für Österreich: Ein Gesetzesverstoß ohne Strafe? Das ist so nicht vorgesehen. Wie viele ExpertInnen plädiert Fiala für eine echte Legalisierung der Fristenlösung. "Die Häufigkeit von Abbrüchen hängt von der Anwendung wirksamer Verhütungsmittel ab, nicht von Verboten oder Gesetzen", sagte Fiala bei einer Pressekonferenz im Verhütungsmuseum.

Fundis terrorisieren Frauen in Notlagen

Dass der Schwangerschaftsabbruch genau genommen nach wie vor illegal ist, engt den Spielraum der Politik auch bei diversen Begleitmaßnahmen ein. Bis heute werden Frauen am Zugang zu Ambulatorien für Schwangerschaftsabbruch gehindert: "Durch Einschüchterungen, Drohungen sowie moralischen und psychischen Druck werden Frauen attackiert", schildert Maggie Jansenberger, Unabhängige Frauenbeauftragte der Stadt Graz. Sie fordert Schutzzonen rund um Einrichtungen, in denen Abbrüche vorgenommen werden. Vorbild sei etwa Frankreich.

Aufklärung in Schulen mangelhaft

30.- bis 40.000 Abtreibungen gibt es jährlich in Österreich, schätzt Fiala. Umgelegt auf die Bevölkerung mehr als in den meisten europäischen Ländern. Das sei in erster Linie auf ineffizientes Verhütungsverhalten und mangelnde Information zurückzuführen. Der Sexualerziehung in Österreichs Schulen sei mangelhaft, kritisiert Fiala. Außerdem können sich vor allem Jugendliche Verhütungsmittel oft nicht leisten. Verhütung und Abtreibung müssen wie in anderen Ländern Westeuropas auf Krankenschein durchgeführt werden, fordert auch Monika Vana, Stadträtin und Frauensprecherin der Wiener Grünen.

Neuer Konservativismus untergräbt weibliche Selbstbestimmung

"Wir brave rote Parteifrauen haben damals gegen die Parteiväter aufbegehrt und die Einführung der Fristenlösung mittels Unterschriftensammlung und Öffentlichkeitsarbeit durchgesetzt", erinnert Bundesfrauenministerin a.D. Johanna Dohnal (SPÖ). Sie warnt vor dem konservativen Backslash des letzten Jahrzehnts, der die Selbstständigkeit von Frauen untergrabe. Abtreibungsgegner erhielten durch amerikanische Fundamentalisten heute neuen Auftrieb.

Auch sie fordert Schutzzonen um Kliniken und Ambulatorien und spricht einen Widerspruch an: "Um Frauen vor Gewalt zuhause zu schützen, dürfen Gewalttäter von der Polizei weggewiesen werden. Psycho-Terror gegen Patientinnen solcher Kliniken wird hingegen gesellschaftlich gebilligt."

 

Christoph Baumgarten