Kommentar

Der Feind meines Feindes ist nicht mein Freund

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Der Kölner Bahnhofsvorplatz
Der Kölner Bahnhofsvorplatz (im Schatten des Doms)

BERLIN. (hpd) Zum kommenden Wochenende haben dem rechten Rand der Gesellschaft zuzuordnende Gruppen in Köln zu einer Demonstration aufgerufen. Unter dem “Label Hooligans gegen Salafisten (HoGeSa)” soll gegen den “Islamischen Staat (IS)” und gegen politischen Islam protestiert werden. Auch zu einer Gegendemonstration wurde bereits aufgerufen.

Es werden mehr als 1.000 rechtsextreme Hooligans aus ganz Deutschland erwartet, die sich am Sonntag unter dem Motto “Gemeinsam sind wir stark” auf dem Kölner Bahnhofsvorplatz treffen wollen. Die Gruppierung HoGeSa steht jedoch seit Wochen wegen Verbindungen in die Neonaziszene in der Kritik. So wundert es nicht, dass antifaschistische Gruppen bereits zu Gegenprotesten aufgerufen haben.

“Die noch junge HoGeSa-Bewegung trat im Spätsommer dieses Jahres zunächst in sozialen Netzwerken auf. Staat und Polizei hätten die Salafisten nicht im Griff, nun würde man selber aktiv werden, lautete dabei der Tenor. Kurze Zeit später versuchten dann knapp 80 Hooligans in Essen zu demonstrieren. Die Polizei löste die Versammlung jedoch auf. Eine weitere Kundgebung fand in Dortmund statt, knapp 350 Teilnehmer fanden sich dort ein. Viele von ihnen trugen Klamotten der Bekleidungsmarke Thor Steinar, die beliebt bei Rechtsextremem ist.” Der Störungsmelder, aus dem hier zitiert wurde, geht in seinem Artikel noch genauer auf Entstehung und Hintergründe dieser “Bewegung” ein.

Erschreckend ist vor allem, dass einige der populistischen Parolen, mit denen die Hooligans auftreten, bereits längst in der Mitte der Gesellschaft anerkannt sind und kaum noch Aufmerksamkeit erregen. Es “werden Ängste aus der Bevölkerung aufgegriffen und die Bewegung stilisiert sich … als letzte Bastion gegen eine angeblich kurz bevorstehende ‘Islamisierung’ Deutschlands.”

Diese vorgebliche “Islamisierung” Deutschlands bewegt nicht nur Hooligans, die sich gegen einen gemeinsamen “Feind” ausrichten, anstatt sich gegenseitig auf Fußballplätzen die Köpfe einzuschlagen. Diese - auch medial immer wieder gern genommenen - Vorurteile sind Grund dafür, dass Autoren wie Akif Pirinçci und Tilo Sarrazin auf den Bestsellerlisten landen.

Auf der einen Seite stehen hier also Islamisten und Salafisten, auf der anderen Rechtspopulisten, denen Menschenrechte ebenso wenig wert sind wie denen, gegen die sie demonstrieren wollen.

Und so ist richtig, was die Antifa im (Gegen)Aufruf schreibt: dass nämlich “sowohl Dschihadisten als auch Rechte … einem autoritären, reaktionären Weltbild [folgen], das Menschen aufgrund ihrer Herkunft und Kultur einen unterschiedlichen Wert zuschreibt. Wer nicht in ihr menschenverachtendes Weltbild passt, dem droht die Vernichtung.”

Das Versagen der Politik

Es soll nicht unterstellt werden, dass die Regierungen seit Jahrzehnten absichtlich die Augen vor der Tatsache verschlossen haben (und verschließen), dass ein Einwanderungsland wie Deutschland es - trotz gegenteiligen Beteuerungen - nun einmal ist, auch dazu verpflichtet ist, sich mit den Kulturen der Einwanderer zu befassen. Das heißt nicht: sie zu fördern oder zu unterstützen; aber es bedeutet: sie anzuerkennen. Das jedoch ist nie gelungen und erst, als die Integration in den Brunnen gefallen und die Multi-Kulti-Idee gescheitert war, wurde hektisch Schadensbegrenzung versucht.

“Doch [die Politik] agiert entweder hilflos oder sogar kontra­punktiv. Über Partei­grenzen hinweg ist es derzeit Konsens, dass man ausge­rechnet das Gespräch mit den konservativen Islam­verbänden wie dem DITIB oder dem Zentralrat der Muslime sucht, in der irrigen Annahme, damit ließen sich die Probleme in den Griff kriegen. Liberale Muslime oder gar säkulare Menschen aus muslimisch geprägten Ländern bleiben dagegen außen vor” schrieb Frank Welker dazu in der letzten MIZ.

Auch die Ex-Muslime wiesen auf dieses grundlegende Versagen der deutschen Integrationspolitik, die diesen Namen nicht verdient, hin: “Die Wahrheit ist, dass die Mehrheit der Muslime in Deutschland sich überhaupt nicht mit solchen islamischen Organisationen identifiziert. Viele von ihnen waren noch nicht einmal in einer Moschee. Aber leider wird die Deutsche Islamkonferenz (DIK) damit begründet, dass die beteiligten islamischen Verbände in der DIK alle Muslime in Deutschland vertreten und somit dürfen sie für alle Muslime sprechen und für sie entscheiden, sowie für alle, welche als Muslime gelabelt werden, aber definitiv keine sein wollen.”

Dieses Versagen, das darin besteht, dass eben nicht mit liberalen und säkularen Muslimen gesprochen wird, sondern mit den Konservativsten unter ihnen; ja, das nicht einmal begriffen wird, dass es Menschen aus sog. “islamischen Ländern” gibt, die mit der Religion nichts mehr zu tun haben (wollen), bringt nicht nur das Bild eines “bedrohlichen Islam” in die Gesellschaft - es stärkt die rechten Gruppen, die nun meinen, “Volkes Wille” zu repräsentieren, wenn sie zu einer Kundgebung gegen die Islamisten aufrufen. Und damit - dessen bin ich gewiss - auch den Einen oder Anderen von denen, die sich ungern die Finger schmutzig machen, heimlich begeistern.

Die 2. Kritische Islamkonferenz hat einen Weg aufgezeigt, wie sich Humanisten in dieser Frage stellen können: “Transkulturalisten hingegen akzeptieren, dass Kulturen einem steten Wandel unterliegen, weshalb es unsinnig wäre, Menschen auf eine bestimmte kulturelle Norm festzulegen, die sie nicht überschreiten dürften. Daher sollte es in der politischen Debatte nicht darum gehen, zwischen den vermeintlich homogenen Kulturen der ‘Einheimischen’ und der ‘Zuwanderer’ zu vermitteln. Stattdessen sollten wir es als gemeinsame kulturelle Aufgabe aller hier lebenden Menschen begreifen, diese Gesellschaft im Sinne der universellen Menschenrechte weiterzuentwickeln.”

Damit wird deutlich: rechtspopulistische Parolen können nicht dazu dienen, mit diesem gesellschaftlichen Problem angemessen umzugehen. Sie sind kein Weg, um einen politischen Islam zu bekämpfen. Und deshalb können diese rechtspopulistischen oder gar rechtsextremen “Feinde” der Islamisten nicht unsere “Freunde” sein.