Identität, Islam, Ignoranz

WEIMAR. (hpd) Die Zeitschrift MIZ - Politisches Magazin für Konfessions­lose und AtheistInnen - widmet sich in ihrer jetzt erschienenen Ausgabe 2/14 dem Schwerpunkt­thema “Identität, Islam, Ignoranz”, also der unentwegten und ideologisch aufgeladene Debatte über Muslime in Europa. Breiten Raum wird im Heft auch dem zweiten Schwerpunkt “Staat und Kirche” eingeräumt.

Im Editorial von Gunnar Schedel geht es um die “Beantwortung der Frage, ob der Islam zu Europa gehört”. Schedel vermag es, seine Antwort auf nur zwei Seiten auf den Punkt zu bringen und schluss­folgert – auf Religionen allgemein sich beziehend: “Der Islam, wie ihn beispiels­weise der [bundesdeutsche; SRK] Zentralrat der Muslime oder DITIB vertreten, gehört so wenig zu Europa wie das Christentum eines Karol Wojtyla oder eines Joseph Ratzinger.” (S. 2)

“Die identitäre Bewegung” hat Bernard Schmid seinen Artikel über­schrieben. Er setzt sich darin mit einer mittlerweile europaweit auftretenden geistigen Strömung ausein­ander, die vor allem durch anti­muslimische Aktionen auffällt. Nicht zuletzt durch das Stellen “zahlloser manipulierter Bilder und Falsch­behauptungen ins Internet.” (S. 3) Obwohl Frankreichs identitäre Bewegung hier im Mittel­punkt steht, geht Schmid auch auf entsprechende bundes­deutsche “rechts­intellektuelle” Publikationen sowie Aktionen des IBD (Identitäre Bewegung Deutschland) ein. Der Autor stellt ferner kurz die wider­sprüchlichen Religions­vor­stellungen der Identitären vor.

Kritisch setzt sich dann Frank Welker in “Ein Autor von Sinnen” mit Akif Pirinçcis Islamkritik auseinander. Er konstatiert, dass der einst durch seinen Katzenkrimi erfolgreiche Autor inzwischen auf ganz anderem Felde und bei einem ganz anderen Publikum reüssiere: “Pirinçcis an Volks­verhetzung grenzende Thesen jedenfalls machten im Netz in atem­beraubender Geschwindigkeit und Intensität die Runde. (…) Im Grunde greift er nur einige der durch die Sarrazin­debatte bereits hinlänglich bekannten Argumente auf, serviert diese aber in einem Tonfall, die einem Sarrazin sicher die Scham­röte ins Gesicht treiben würde.” (S. 10)

Was also tun angesichts solcher islamo­phoben “Integrations­debatten”? Welker dazu: “Die Politik wäre also gefragt zu handeln. Doch sie agiert entweder hilflos oder sogar kontra­punktiv. Über Partei­grenzen hinweg ist es derzeit Konsens, dass man ausge­rechnet das Gespräch mit den konservativen Islam­verbänden wie dem DITIB oder dem Zentralrat der Muslime sucht, in der irrigen Annahme, damit ließen sich die Probleme in den Griff kriegen. Liberale Muslime oder gar säkulare Menschen aus muslimisch geprägten Ländern bleiben dagegen außen vor. (…) Es ist also dringend geboten, dass diese ‘Integrations­politik’ thematisiert und kritisch betrachtet wird.” (S. 12)

Um die Debatten um (jüdisch-) christlich-abendländische Kultur versus Islam in Europa vom Kopf auf die Füße zu stellen, hat Rolf Bergmeier, der Autor von “Christlich-abendländische Kultur”, auf historischer Fakten­lage sich konkret der Frage “Gehört der Islam zu Deutschland?” zugewandt. Hier geht es nicht nur um die hochstehende Kalifen­kultur auf der iberischen Halb­insel zwischen 700 und 1400, sondern auch um die hoch­gelobte und dabei doch so armselige zeit­gleiche Kloster­kultur im katholisch geprägten Teil Europas. Er widerlegt an konkreten Beispielen die tonan­gebende Mehrheit führender Politiker, Medien und leider auch der Historiker, die behaupten “Europas Kultur sei vor allem eine christliche. Sie sei durch das emsige Schaffen von Mönchen geprägt worden und hätte es sie nicht gegeben, dann wäre es um Europa schlecht bestellt.” (S. 13) Seine Forschungs­ergebnisse fasst er in neun Thesen zusammen. Wer mehr darüber lesen möchte, dem sei Bergmeiers o. g. Buch wärmstens empfohlen.

Gleich drei Artikel wenden sich aktuellen Ereignissen zum politischen Problem­feld “Staat und Kirche” zu. Es beginnt mit einem Artikel von Siegfried R. Krebs über “Freie Schulen und die Medien”: Wie die Thüringer Medien durchaus verfälschend über ein Urteil des Verfassungs­gerichts­hofes zu finan­ziellen Ansprüchen kirchlicher Schul­träger berichtet haben. Wie sich also die Mainstream­medien in ihrer Rolle als servile Lobbyisten des Klerus gerieren.

Dass säkulare Menschen und Organisationen sich nicht unbedingt auf den Rechts­staat verlassen sollten, darüber schreibt Vera Muth in “Trügerische Hoffnung Justiz?” Denn auch wenn z. B. der Thüringer Verfassungs­gerichts­hof in diesem Jahr dreiste finanzielle Ansprüche kirchlicher Schul­träger zurück­gewiesen hat, so haben anderer­seits gleich drei Arbeits­gerichte (Berlin, Frankfurt und Düsseldorf) die kirchliche Diskrimi­nierungs­praxis gestärkt. Diese Urteile enthüllten, “wie wenig deutsche Gerichte bereit sind, dem Geist der Anti­diskrimi­nierungs­richtlinie zu entsprechen” das zeige der Fall eines geschiedenen katholischen Kirchen­musikers. Die Autorin scheut sich nicht, auch dies so deutlich zu schreiben: “Eine Lehr­stunde in politischer Justiz erteilte Richterin Dr. Kraus dem Kläger vor dem Arbeits­gericht Frankfurt/Main.” (S. 28)

Die traditionelle Glosse “Neulich … in der Fußgängerzone” hat diesmal Gunnar Schedel beige­steuert. Er spießt tief­blickend und durchaus mit Bezug auf gewisse Arbeits­gerichts­urteile seine Erleb­nisse mit Drücker­kolonnen auf: Also “… setzt der Malteser Hilfs­dienst für die Akquisition von Spenden offenbar kein eigenes Personal ein, sondern nimmt die Dienste professioneller Spenden­sammler in Anspruch. Und anders als bei Ärztinnen, Haus­meistern, Kranken­pflegern, Erzieherinnen, Spül­hilfen, Reinigungs­kräften usw. usf. spielt die Konfession dann augen­scheinlich keine Rolle. Wenn’s ums Geld geht, definiert sich ‘Glaub­würdigkeit’ auf katholisch halt anders …” (S. 44)

Über die derzeit laufende “IBKA-Schulkampagne” zum Religions­unterricht mit deutlich mehr Beratungen und Aktionen informiert Rainer Ponitka in seinem Beitrag.

Ein Gespräch mit Hermann Josef Schmidt über Nietzsche und dessen Religions­kritik “Fluch auf das Christentum” hat ebenfalls den Weg in dieses Heft gefunden. Dieses Interview ist bereits in einer deutlich umfang­reicheren Fassung im Humanistischen Presse­dienst erschienen.