BERLIN. (hpd). Mit großer Mehrheit hat ein Hauptausschuss der Generalversammlung der Vereinten Nationen eine Resolution zur Menschenrechtslage in Nordkorea verabschiedet, die erstmals die Empfehlung ausspricht, die gravierenden Menschenrechtsverletzungen im Land vor dem Internationalen Strafgerichtshof zu verhandeln. Nordkorea hatte bis zuletzt versucht, die rechtlich nicht bindende, aber hochsymbolische Resolution zu verhindern. Weiteres Thema: Nordkoreaner als moderne Arbeitssklaven.
Nordkorea vor den Internationalen Strafgerichtshof?
Am vergangenen Dienstag verabschiedete der für Menschenrechtsfragen zuständige Hauptausschuss der UN-Generalversammlung eine Resolution zur Menschenrechtssituation in Nordkorea mit 111 Ja- zu 19 Nein-Stimmen und 55 Enthaltungen. Verglichen mit früheren Resolutionen sind zwei zentrale Punkte neu: Zum einen werden die Befunde der Untersuchungskommission zur Menschenrechtslage in Nordkorea gewürdigt.
Deren Abschlussbericht liefert hinreichende Gründe für die Annahme, dass in Nordkorea Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt werden, die in Einklang mit der Politik des Landes stehen und damit von den höchsten Führungsebenen gesteuert werden.
Zum anderen wurde entschieden, den Bericht an den Weltsicherheitsrat weiterzuleiten, der wiederum in Erwägung ziehen soll, den Fall Nordkorea vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu bringen, um die für die Verbrechen Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
Kuba hatte einen Änderungsantrag eingebracht, der verlangte, diese beiden Punkte zu streichen und einen Weg des Dialogs und der Kooperation zu beschreiten. Diesem wurde jedoch von dem Ausschuss nicht stattgegeben. Es wurde stattdessen noch einmal betont, dass sowohl die Kommission als auch der Sonderberichterstatter mehrmals versucht hatten, mit Nordkorea in Dialog zu treten oder das Land zu besuchen, um sich dort ein Bild zu verschaffen. Eine Zusammenarbeit wurde allerdings von Nordkorea kategorisch abgelehnt.
Interessant an der Debatte war, dass selbst einige Staaten, die gegen die von der EU und Japan eingebrachte Resolution gestimmt hatten, in ihren Wortbeiträgen deutlich werden ließen, durch ihr Abstimmungsverhalten die Befunde der Kommission nicht grundsätzlich anzweifeln zu wollen, sondern vielmehr prinzipielle Bedenken gegen das Verfahren zum Ausdruck bringen wollten. Selbst Kuba wies ausdrücklich darauf hin, dass beispielsweise das Problem der Entführungen von Bürgern anderer Staaten gelöst werden müsse.
Im kommenden Monat wird noch einmal in der UN-Vollversammlung über die Resolution abgestimmt, was aber lediglich als Formalie gilt. Maßgeblich ist, wie sich dann der Sicherheitsrat verhält, denn nur dort sind die Entscheidungen rechtlich bindend. Sowohl China als auch Russland, Vetomächte im Sicherheitsrat, haben gegen die Resolution gestimmt.
Diplomatische Bemühungen Nordkoreas
Seit der Veröffentlichung des Untersuchungsberichts sah sich Nordkorea unter Druck gesetzt. In diesem Licht sind möglicherweise die Wiederaufnahme der Gespräche mit Japan über die Entführungsopfer und auch die plötzliche Freilassung der in Nordkorea inhaftierten US-Amerikaner Jeffrey Fowle, Matthew Miller und Kenneth Bae zu sehen. Das Regime zeigte sich entgegenkommend, um sein Ansehen in der internationalen Gemeinschaft zu verbessern.
Es wurde zudem als eine Art Gegenentwurf zum Abschlussbericht der Untersuchungskommission ein eigener Menschenrechtsbericht veröffentlicht, der Nordkorea eine glänzende Menschenrechtssituation bescheinigt. Auch präsentierte sich das Regime in den vergangenen Monaten zunehmend als diskussionswillig. Der nordkoreanische Botschafter bei der UN in Genf sagte in einem Interview mit Reuters, man wünsche eine internationale Kooperation bezüglich der Menschenrechtsfrage wie beispielsweise “technische Unterstützung” durch die UN.
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Hartmut Koschyk, der kürzlich zu Besuch in Nordkorea war, berichtet, dass sowohl Deutschland als auch der EU ein Menschenrechtsdialog angeboten wurde.
Marzuki Darusman, UN-Sonderberichterstatter für die Menschenrechte in Nordkorea, soll zum ersten Mal überhaupt von Pjöngjang zu einem Besuch eingeladen worden sein. Dies galt allerdings nur unter der Bedingung, dass die Überweisung an den Internationalen Strafgerichtshof (International Criminal Court, ICC) und die Verantwortlichkeit der obersten Führung des Landes aus dem Resolutionsentwurf gestrichen wird. Darusman hingegen betonte, man habe ohne Zweifel feststellen können, dass die Schuld für die massiven Menschenrechtsverletzungen bei dem Entscheidungsträger des Landes liege – eben beim obersten Führer. Er wies in aller Deutlichkeit auf die Notwendigkeit hin, den Fall Nordkorea vor den ICC zu bringen, um diejenigen, die für die Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea verantwortlich sind, zur Rechenschaft zu ziehen. Eine Einladung sei auch nur dann angenommen worden, wenn er Zugang zu den Lagern für politische Gefangene erhalten hätte.
Weiteres Straflager geschlossen?
Nordkorea leugnet jedoch die Existenz dieser Lager. Laut eines Berichts von “Daily NK” soll das Lager für politische Gefangene Nummer 15 (“Yodok”) vor nicht allzu langer Zeit geschlossen worden sein. Man habe die Insassen allerdings nicht freigelassen, sondern in die Lager 14 und 16 überführt.
Schon vor zwei Jahren wurde anscheinend das Lager Nummer 22 in der Nähe der Stadt Hoeryong nahe der chinesischen und russischen Grenze geschlossen. Damals sollen landwirtschaftliche Kooperativen auf dem Gelände angesiedelt worden sein. In Bezug auf Yodok gibt es bislang keine Berichte über solche Maßnahmen, aber sie werden vermutet.
Da Yodok schon sehr lange auch Menschen außerhalb Nordkoreas ein Begriff ist (zum Bespiel durch das Buch “The Aquariums of Pyongyang”, das demnächst auch verfilmt werden soll), liegt der Verdacht nahe, dass man geplant hatte, ausländische Beobachter in die Region zu lassen – sie würden dann dort landwirtschaftlichen Betrieb vorfinden und das Regime könnte damit seine Behauptungen untermauern, es gäbe in seinem Land keine Straflager für politische Häftlinge. Nach Schätzungen des Koreanischen Instituts für Nationale Vereinigung soll es allein in den Lagern, d.h. ohne Insassen in Gefängnissen oder “Zentren zur Umerziehung durch Arbeit” mitzuzählen, zwischen 80.000 und 120.000 Gefangene geben.
Zeugenaussagen von „menschlichem Abschaum“
Parallel zum entgegenkommenden Verhalten versuchte Nordkorea abermals, die Glaubwürdigkeit der Zeugenaussagen, die eine wichtige Grundlage für den Menschenrechtsbericht spielen, infrage zu stellen.
Die Flüchtlinge, die vor der Kommission ausgesagt hatten, seien Teil eines Komplotts der USA und anderer feindlichen Mächte und würden sich Geschichten über Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea ausdenken, um dem Ansehen des Landes zu schaden. Auf Youtube veröffentlichte der Kanal “uriminzokkiri”, der mutmaßlich von Nordkorea betrieben wird, zwei Videos (Teil 1 und Teil 2, auf die allerdings mit einer deutschen IP-Adresse nicht zugegriffen werden kann) mit dem Titel “Lüge und Wahrheit – wer ist Shin Dong-hyuk?”.
CDs mit diesen Videos soll ein Berater der nordkoreanischen Gesandten bei der UN auch dort nach einer Sitzung verteilt haben. Shins Lebensgeschichte ist durch das von Marc Wiese verfilmte Buch “Escape from Camp 14” einer breiten Öffentlichkeit bekannt.
Er und andere Flüchtlinge, die vor der UN-Untersuchungskommission ausgesagt haben, werden als Lügner bezeichnet, die Verbrechen in Nordkorea begangen und nur das Land verlassen hätten, um einer Strafverfolgung zu entgehen. Shin wird in den Videos nicht nur Diebstahl, sondern sogar die Vergewaltigung einer 13-Jährigen vorgeworfen. Auch sein Vater ist zu sehen, dessen Identität von Shin bestätigt wurde. Dieser widerspricht der Aussage, Shin sei das Resultat einer “Belohnungsehe” in einem Arbeitslager. Die verschiedenen Zeugen, die zu Wort kommen, erklären alle Verletzungen, also die noch heute sichtbaren Zeichen der Folter und der Wunden, die Shin sich bei seiner Flucht zugezogen hatte, mit Unfällen. Shin hatte ausgesagt, dass er die öffentliche Hinrichtung seiner Mutter und seines älteren Bruders im Lager mit ansehen musste, nachdem er einem Wärter ihren vermeintlichen Fluchtplan gemeldet hatte. In dem Video wird erklärt, die beiden hätten einen Mord begangen und seien daraufhin im Einklang mit dem Strafgesetz bestraft worden.
Die Strategie Nordkoreas, Flüchtlinge öffentlich zu diffamieren, ist nicht neu. Der jetzt betriebene erhebliche Aufwand zeigt allerdings, wie sehr sich Nordkorea in die Enge getrieben fühlte. Vor zwei Jahren hatte sich ein Zusammenschluss von Organisationen durch die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierung (UN Working Group on Arbitrary Detention) bei offiziellen Stellen Nordkoreas über das Schicksal von Shins Vater erkundigt. Damals antwortete das Land, es gäbe diese Person nicht. Die Geschichte sei eine Verschwörung zum Sturz ihrer Republik.
1 Kommentar
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Nordkorea hatte bis zuletzt versucht, die rechtlich nicht bindende, aber hochsymbolische Resolution zu verhindern"
Wie versucht? Selbst wenn, da gibt es ganz andere Kandidaten, die rechtlich nicht bindende, aber hochsymbolische UN-Resolutionen nicht nur nicht verhindern, sondern schlicht und ergreifend ignorieren.
Warum sollte das gerade mit NK anders sein, wenn keinerlei Folgen zu befürchten sind?